Sinfonietta Dachau:"Die besten Dirigenten sprechen wenig"

Sinfonietta Dachau: Der 27-jährige Spanier Jesús Ortega Martínez ist der neue Dirigent der Sinfonietta Dachau - in seinem Heimatland war er ein preisgekrönter Gitarrist.

Der 27-jährige Spanier Jesús Ortega Martínez ist der neue Dirigent der Sinfonietta Dachau - in seinem Heimatland war er ein preisgekrönter Gitarrist.

(Foto: Toni Heigl)

Zum traditionellen Herbstkonzert dirigiert der 27-jährige Spanier Jesús Ortega die Sinfonietta Dachau. Das Orchester hat nach dem Tod von Victor Bolarinwa einen neuen studierten Dirigenten gefunden, der vor Enthusiasmus nur so sprüht.

Von Jessica Schober, Dachau

Die Sinfonietta Dachau hat einen neuen Dirigenten. Und was für einen. Nach dem überraschenden Tod von Orchestergründer Victor Bolarinwa übernimmt Jesús Ortega Martínez die Aufgabe. Der 27-jährige Künstler ist in der südspanischen Region Murcia geboren. Seinen Weg zur klassischen Musik hat er mit der Gitarre begonnen, kam über Klavier, Gesang und Kammermusik zu einem klassischen Musikstudium, das er am Konservatorium von Alicante absolvierte. Zuletzt hat er fünf Jahre lang in Helsinki gelebt und an der renommierten Sibelius Academy Dirigieren studiert. Dort zählte der britische Star-Dirigent Roger Norrington zu seinen Lehrern. "Ich hatte die Chance mit wundervollen Orchestern und Chören zu proben", sagt der Musikenthusiast, der sogleich in feinstem Understatement hinterherschiebt: "Ich bin ja ein sehr junger Dirigent, das hat Vor- und Nachteile: Ich habe einerseits viel Energie, andererseits aber noch nicht so viel Erfahrung."

Dass es ihn vor erst drei Wochen nach München verschlagen hat, wo er an der Hochschule für Musik und Theater Orchesterleitung studiert, ist kein Zufall. Geboren im Süden, ausgebildet im Norden, träumte er schon lange davon in Deutschland musikalisch zu arbeiten. Deutsch sei für ihn die Sprache der Musik, er hat es in Finnland gelernt. Sein Traum sei es, irgendwann seine Lieblingsbücher, Hermann Hesses "Steppenwolf" und Thomas Manns "Tod in Venedig" im Original lesen zu können, erzählt er auf Englisch. Die Proben der Sinfonietta leitet er auf Deutsch, aber wie Ortega mit einem Augenzwinkern verrät: "Die besten Dirigenten sprechen wenig." Die Musiker der Sinfonietta hätten sich sichtlich gefreut wieder miteinander zu musizieren, erzählt Ortega, der inzwischen drei Proben geleitet hat. "Diese Musiker sind alle so motiviert, das würde jeden Dirigenten begeistern", schwärmt er.

Victor Bolarinwas Nachfolge anzutreten, ist eine große Aufgabe

Einmal in der Woche probt er für zwei bis drei Stunden in Dachau, bisher sei das die reinste Freude für ihn gewesen. Er wünscht sich eine "strahlende, enthusiastische Aufführung, bei der die Musik im Mittelpunkt steht." Parallel dazu probt er für eine zeitgenössische Oper an der Hochschule sowie ein Konzert in Augsburg, "Es ist gerade alles ein bisschen verrückt", sagt er. Dabei spürt man, wie streng er mit sich selbst sein kann: "Ich halte mich nicht für den allertalentiertesten Musiker, aber ich arbeite sehr hart und ich bereite mich immer gründlich vor", sagt Ortega, der für sein Gitarrenspiel zahlreiche Musikpreise gewonnen hat.

Das Programm des Herbstkonzerts habe er noch nicht selbst gestalten können, doch es gefalle ihm sehr: Mit Beethoven, Bach und Mozart stünden seiner Meinung nach die "drei größten Komponisten aller Zeiten" auf dem Programm. Besonders Beethovens Ouvertüre zum Ballett "Die Geschöpfe des Prometheus" op. 43 gefalle ihm, die sei "so tragisch, so wundervoll, pure Freude". Mit einem Verweis auf die mythologische Figur des Prometheus, der den Menschen das Feuer brachte und dafür von Zeus bestraft wurde, fragt Ortega: "Sind wir nicht alle Söhne des Prometheus?" Zudem, findet der junge Spanier, sei dieser musikalische Auftakt ein "sehr guter Beginn für ein Konzert und zugleich ein Denkmal für Victor Bolarinwa". Leider habe er seinen Vorgänger nicht persönlich kennengelernt, aber er spüre, wie die Musiker ihn geliebt haben. "Er ist in der Erinnerung dieses Orchesters", sagt Ortega, er spüre eine große Verantwortung und Aufgabe, Bolarinwa nachzufolgen.

Bolarinwa war im Juli im Alter von 83 Jahren gestorben. Dem nigerianischen Gründer, Chefdirigenten und künstlerischen Leiter der Sinfonietta war es gelungen in Dachau ein klassisches Sinfonieorchester zu gründen, das sich halten konnte. Bolarinwa hatte erkannt, dass hier genügend begabte Laienmusiker und professionelle Musiker wohnen, die bereit sein könnten, neben ihrer beruflichen Tätigkeit in einem Dachauer Orchester zu proben und zu musizieren. Unter der Leitung Bolarinwas wurde die Sinfonietta Dachau zu einem anerkannten Klangkörper für klassische Musik.

Das von Jesús Ortega Martínez geleitete Herbstkonzert mit Werken von Beethoven, Bach und Mozart fußt noch teilweise auf der Programmauswahl von Victor Bolarinwa und findet am Samstag, 22. Oktober, um 19 Uhr im Schlosssaal Dachau statt.

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