Silvester in Dachau:Streitpunkt Feuerwerk

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Stadtrat Wolfgang Moll hat eine Lasershow statt einem Feuerwerk angeregt. Im Stadtrat findet sich dafür keine Mehrheit. OB Florian Hartmann findet ein konzentriertes Feuerwerk an einem Abend nicht so schlimm

Von Lina Brückner, Dachau

Es gibt Traditionen, die für Menschen einfach dazugehören: Tracht, Karneval oder der eigene Geburtstag. Und für manche zählt auch das Feuerwerk an Silvester zu den unverzichtbaren Dingen, auf die man sich schon das ganze Jahr freut. Doch genau das steht inzwischen massiv in der Kritik: Tierfreunde, Konsumkritiker, Ärzte und allen voran Umweltschützer warnen vor dem negativen Beigeschmack der Böllerei. Tiere, Kranke, Kinder und die Luftqualität leiden besonders an den Bengalos, Raketen und Batterien. Hinzu kommt der Vorwurf, Erspartes unüberlegt in die Luft zu schießen, anstatt es in sinnvolle Projekte zu investieren. Sogar Supermärkte, eigentlich gewinnorientierte Institutionen, haben sich dazu entschieden, dieses Jahr keine Böller mehr anbieten zu wollen. Die Debatte, ob ein Feuerwerk noch zeitgemäß ist, ist auch am Landkreis Dachau nicht ohne Spuren vorübergegangen.

Die Idee kam Stadtrat Wolfgang Moll (Wir) bei einem Besuch in den Niederlanden. Dort hat er eine Lasershow gesehen und sich davon inspirieren lassen, dem alljährlichen Pyro-Spaß am Dachauer Volksfest ein Ende zu setzen. Zwar sei er "eher einer, der Traditionen wahrt", doch wenn es um Leben gehe, mache er von dieser Prämisse gerne eine Ausnahme, meint Moll. Sein Antrag im Stadtrat lautet: "Prüfen, ob es auf lange Sicht Alternativen zum Feuerwerk gibt". Dass er sich bei seinem Antrag dem Volksfest und nicht dem Jahreswechsel widmete, begründet er damit, dass das Silvesterfeuerwerk meist individuell abgehalten werde. Dadurch sei es schwer, kommunale Regelungen zu treffen. Unterstützung erhielt Moll nur von den Grünen - sein Antrag wurde im Stadtrat mehrheitlich abgelehnt. Er bezeichnet diese Entscheidung als "bedauerlich". Die Mandatsträger hätten vorschnell und unüberlegt abgestimmt. "Ich denke, sie haben nicht weit genug gedacht", sagt Stadtrat Wolfgang Moll. Er behauptet, dabei sei es vor allem um die Ehre gegangen. Es kursiere eben die Meinung, "das Dachauer Volksfest kann man doch nicht angreifen".

In den vergangenen zwei Jahren fiel das Silvesterfeuerwerk aus, 2017 wurde das neue Jahr in Dachau noch mit bunten Lichtern über der Thomawiese gefeiert. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) findet "ein Feuerwerk konzentriert an einem Abend nicht so schlimm". Das Volksfest ziehe insbesondere wegen des großen Feuerwerks Besucher an. Er selbst bekennt: "Ich war noch nie der große Feuerwerker." Hinsichtlich Silvester sei ihm selbst "das Geld zu schade, was da in die Luft geballert wird". Der Oberbürgermeister meint, die Stadt könne das individuelle Feuerwerk an Silvester zwar verbieten, das Verbot jedoch nicht kontrollieren. Deswegen fordert er eine einheitliche Regelung auf Bundesebene: "Ich finde es nicht gut, dass jede Stadt oder Kommune selbst darüber entschiedet, ob die Bürger ein eigenes Feuerwerk zünden dürfen." Eine solche Vorgabe, wie sie sich Hartmann wünscht, gibt es in Bayern bereits. Diese verbietet zwar Böller, doch gilt sie nur für Schlösser, Burgen und Residenzen und nicht für alle Orte - die Regel stammt von der Bayerischen Schlösserverwaltung.

Eine bundesweite Vorgabe, die das Silvesterfeuerwerk verbietet, hätte einige Vorteile. Die Böllerei an Silvester erhöht die Gefahr für Brände, andere Sachschäden sowie Explosionen. Auch die Lärmbelastung steigt in der Silvesternacht. Und zum Jahreswechsel schießen nicht nur Raketen, sondern auch die Feinstaubwerte in den Städten in die Höhe.

Laut Angaben der Deutschen Umwelthilfe setzen Feuerwerkskörper in der Silvesternacht rund 5000 Tonnen Feinstaub frei - diese entsprechen fast 16 Prozent der jährlichen Emissionen. Und die enormen Müllmengen bleiben meist mehrere Tage auf den Straßen liegen. Besonders Alte, Kranke und Kinder litten vermehrt unter Atemwegserkrankungen, meint Peter Heller, Vorsitzender der Dachauer Ortsgruppe des Bund Naturschutz. Daneben sorgt die Silvesterknallerei für erhebliche Probleme in der Tierwelt. Heller erklärt: "Der eigentlich natürliche Fluchtreflex wird durch den künstlichen Lärm ausgelöst." Der Landesverband für Vogelschutz bestätigt dies und warnt, die lauten Geräusche verschreckten die Tiere so, dass diese bei ihrer Flucht wertvolle Energie verbrauchten, die in der kalten Jahreszeit eigentlich dem Überleben diene. Durch die Batterien, die seit einigen Jahren auf dem Markt seien, habe sich die Situation an Silvester noch verschärft, meint Heller. "Letztes Jahr am Ernst-Reuter-Platz habe ich die eigene Hand vor meinen Augen nicht mehr gesehen". Der Bund Naturschutz ruft dazu auf, die private Böllerei dieses Jahr gänzlich bleiben zu lassen.

Das Silvesterfeuerwerk nicht zu unterstützen, dazu haben sich inzwischen auch einzelne Supermärkte und Baumärkte entschieden. Zum Beispiel hat Hornbach angekündigt, das Feuerwerk ab nächstem Jahr in ganz Deutschland aus dem Sortiment zu nehmen. Doch in Dachau wollen die großen Ketten Rewe, Edeka, Aldi, Lidl und Kaufland nicht auf die hohen Umsätze verzichten. Der Verband der pyrotechnischen Industrie erwartet einen ebenso hohen Umsatz wie im Vorjahr - allerdings konzentriert sich dieser nun auf etwas weniger Händler. Ein Feuerwerkhändler aus Dachau, der nicht namentlich genannt werden will, kommentiert: "Die Supermärkte müssen selber wissen, ob sie auf den Umsatz verzichten wollen." Er ist der Meinung, die Leute würden sich nicht vom Feinstaub abschrecken lassen und die Böller trotz der Moralkeule kaufen.

Warum das so ist, dafür hat Wolfgang Moll eine Erklärung: "Die Bürger haben die Auswirkungen und Konsequenzen nicht vor Augen, wenn sie keine Tierbesitzer sind." Hinzu komme, dass viele "Brauchtum und Tradition nicht ganz hintanstellen" wollten. Moll sieht die Gesellschaft beim Stichwort Silvesterfeuerwerk gespalten. Auf der einen Seite verzichteten immer mehr Leute auf eigene Raketen, auch wegen der Fridays for Future-Bewegung. Die Klimaaktivisten haben darauf hingewiesen, dass Abfall und Umweltschäden "vermeidbar und nicht wünschenswert" seien. Andererseits werden laut Moll die Befürworter extremer. Für Peter Heller ist das Thema Silvesterfeuerwerk dagegen eine emotionale Geschichte. "Ich möchte frei sein, das zu tun, was ich gerne möchte", fasst er die Gedanken der meisten Bürger zusammen. Genauso wie bei der Debatte um ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen wolle sich der Mensch eben nicht in seinem persönlichen Vergnügen einschränken lassen. Den Befürwortern eines Feuerwerks entgegnet er jedoch: "Wenn die Gesamtheit leidet, muss sich der Einzelne anpassen."

© SZ vom 28.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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