Siedlung Ludwigsfeld:Rätselraten über die Zukunft

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Die Patrizia hat sich von dem Wohnungsbestand in der Siedlung Ludwigsfeld getrennt. Jetzt fragen sich viele Bewohner, was die neuen Eigentümer vorhaben

Von Simon Schramm, Siedlung Ludwigsfeld

Es gab wohl kaum jemanden, der mit diesem Schritt gerechnet hatte. Zehn Jahre, nachdem das Augsburger Immobilienunternehmen Patrizia für 10,5 Millionen Euro dem Bund den Hauptbestand der Siedlung Ludwigsfeld abgekauft hatte, trennte sich die Firma im Frühjahr 2017 wieder von den knapp 700 Wohnungen. Das Geschäft mit dem Bund hatte wie so viele Bewegungen der Patrizia noch großer Aufruhr begleitet - aus der Unsicherheit, wie die Patrizia mit der Siedlung umgehen würde. Modernisierungsmaßnahmen, Mieterhöhungen, das hatten die Einwohner in Ludwigsfeld erwartet, und das trat auch ein. Und dann sagte sich die Firma plötzlich wieder von der Siedlung los, ohne Ankündigung oder Erklärung, aus welchem Grund man sich dazu entschlossen hatte.

Seitdem treibt die Bewohner eine Frage um. Was haben die neuen Eigentümer vor? Bisher heißt es: Wissen wir noch nicht. Es handelt sich dabei um drei Privatpersonen; sie haben die Gesellschaftsanteile der bisherigen Eigentümergesellschaft der Patrizia übernommen und die Gesellschaft in "Wohnungsgesellschaft Ludwigsfeld" umbenannt. Die Personen stehen mit der Patrizia in Verbindung: Zwei der drei Eigentümer, Gert Billand und Stefan Heißerer, sind Mitglieder der Geschäftsführung der "First Capital Partner"; diese Firma ist die Vermögensgesellschaft des Gründers und Vorstandsvorsitzenden der Patrizia, Wolfgang Egger. Der dritte Geschäftsführer der "Wohnungsgesellschaft Ludwigsfeld" ist Alfred Hoschek. Er sitzt als stellvertretender Vorsitzender im Aufsichtsrat der Patrizia.

Geschäftsführer Gert Billand gibt an, das Trio habe die Siedlung zur eigenen Vermögensanlage gekauft. Aus welchem Grund die Patrizia sich von den Beständen verabschiedet hat und aus welchem Grund das Trio sich entschieden hat, explizit in die Siedlung zu investieren, dazu macht die Wohnungsgesellschaft bisher keine Angaben. Billand zeigt in der Siedlung selbst viel Präsenz, Anfragen der Süddeutschen Zeitung werden bisher nur per Mail beantwortet; ob und was für Pläne man hat, sei auch fast ein Jahr nach dem Erwerb offen.

Will man aufstocken, nachverdichten, neu bauen? "Dazu werden wir uns insbesondere in Abhängigkeit der umliegenden Entwicklungen in den nächsten Jahren immer wieder auseinandersetzen müssen", schreibt Gert Billand. Im Blick hat er dabei zum Beispiel die von der Stadt immer noch in Aussicht gestellte Großsiedlung im Norden des Stadtbezirks. Vor Kurzem ist zumindest ein erstes Resultat bisheriger Aktivitäten der neuen Verantwortlichen sichtbar geworden: Im Planungsreferat ist ein Konzept für das bekannte Problem der fehlenden Parkplätze in der Siedlung angekommen.

Die Wohnungsgesellschaft will an einzelnen Stellen in der Siedlung Parkräume anlegen und damit in der Summe 74 Stellplätze schaffen. Das Papier für die Verwaltung zählt als Standorte jede Straße der Siedlung außer der Granat- und Karlsfelder Straße auf. Derzeit müssen viele Bewohner wildparken, die Strafzettel in Kauf nehmend, oder sie weichen auf Nachbarbezirke aus. Soll noch mehr Parkraum entstehen? Gert Billand gibt zur Antwort, der Bedarf an Parkplätzen sei sicherlich höher und liege bei weit mehr als 100 Stück.

Vor welcher Entwicklung die Siedlung steht, ist für die Bewohner auch von Bedeutung, weil sich im Zuge eines Wachstums auch die zum Teil mangelnde Lebensqualität verbessern könnte. In der Siedlung hapert es vor allem an der Infrastruktur. Unzählige Male haben Bewohner moniert, dass es etwa an Nahversorgung, Ärzten, Post und Bank fehlt. Gert Billand meint, diese Mängel seien "wohl kein Spezifikum der Siedlung" und hätten mit der geringen Einwohnerzahl der Siedlung zu tun. "Bei Bedarf werden wir uns um alle Themen kümmern", heißt es aber. Bisher seien aber noch keine weiteren Probleme benannt, die die Eigentümer lösen könnten.

Im vergangenen Jahr hat sich ergeben, dass auf das Trio eine ganz eigene, historisch bedeutsame Aufgabe zukommt. Die Frage, wie in Zukunft der historische Gebäudekomplex in der Granatstraße gestaltet wird, ist von Neuem relevant geworden. In der Straße befindet sich zum einen die letzte noch stehende Baracke des ehemaligen Außenlagers Allach des Konzentrationslagers Dachau, auf dessen Gelände die Siedlung Ludwigsfeld entstanden ist. Sie dient als Kabine der Sportler des TSV Ludwigsfeld. Der Trakt ist sanierungsbedürftig. Weil sich die Stadt und die Patrizia nicht über die Kosten einig wurden, hat das Referat für Bildung und Sport 2017 entschieden, dem TSV auf dem Sportgelände ein neues Vereinsheim zu bauen. Wann, ist noch unklar, aber dennoch steht fest: Der TSV zieht aus dem denkmalgeschützten Gebäude aus. An die Baracke angeschlossen ist die ehemalige Kantine, die schon lange leer steht.

Gleichzeitig untersucht ein Würzburger Kulturbüro seit längerem, wie und wo in der Siedlung ein originärer Ort der Erinnerung an den historischen Hintergrund der Siedlung entstehen könnte. Der Gebäudekomplex ist dafür freilich prädestiniert, steht aber nicht als Standort fest. Derzeit wird in die Untersuchung das Ergebnis der jüngst abgeschlossenen, archäologischen Grabungen eingearbeitet. Früher oder später wird sich entscheiden müssen, was aus den Gebäuden wird. Gert Billand schreibt dazu auf Anfrage: "Wir stehen allen Ideen offen gegenüber. Generell würden wir eine kulturelle oder soziale Nutzung des Gebäudekomplexes favorisieren."

Die größte Sorge im Jahr 2007 wegen des Verkaufs der Siedlung war es, dass die Alteingesessenen in Folge der Privatisierung des Wohnungsbestands vertrieben werden. Damals legten Bund und Patrizia im Kaufvertrag fest, dass die Mietwohnungen in der Siedlung erst nach 15 Jahren in Eigentumswohnungen umgewandelt werden dürfen. In vier Jahren läuft diese Auflage aus. Wird die Wohnungsgesellschaft davon dann Gebrauch machen? Die schriftliche Antwort Billands: "Es gibt keine Absicht, an der langfristigen Bestandshaltung etwas zu ändern."

© SZ vom 26.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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