Süddeutsche Zeitung

Sie sind wieder da:Müslis Rückkehr

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Anfang kommender Woche hat das Warten endlich ein Ende: Die beliebten Ziegen vom Rathausberg kommen zurück

Von Benjamin Emonts, Dachau

Die jüngsten Meldungen auf der Homepage der Stadt Dachau lesen sich ziemlich trocken, da geht es etwa um Bauarbeiten auf der Münchner Straße oder einen Ampeltest auf der B471. Dabei liegt die Schlagzeile längst auf der Hand. "Müsli feiert Comeback" müsste sie lauten. Oder etwas filmreifer: "Die Rückkehr der Allesfresser". Anfang nächster Woche nämlich kommen sie tatsächlich nach Dachau zurück: die beliebten Ziegen vom Rathausberg. Sie werden fressen, chillen, fressen und ein bisschen klettern. Die Abteilung Stadtgrün im Rathaus lässt mitteilen: "Wir freuen uns natürlich sehr!"

Die Freude ist umso größer, weil die Ziegen heuer ungewöhnlich lang auf sich warten lassen. Zwangsläufig kamen Gerüchte und Zweifel auf. In den vergangenen Jahren, als das Volksfest in Dachau noch stattfand, gab es immer wieder Beschwerden von Tierschützern, die befürchteten, das traditionelle Feuerwerk könnte die sanftmütigen Ziegen verschrecken. Ihre Halter jedoch dementierten und verglichen das Feuerwerk mit einem Gewitter hoch oben am Berg. Aber hatten die Ziegen dieses Jahr dennoch die Schnauze voll von all dem Gemecker?

Ein Anruf auf ihrer Farm in Graßlfing am Dienstag vertreibt die paranoiden Gedanken. "Die Ziegen kommen", teilte ihre Besitzerin Manuela Müller mit. "Sie werden erst heimgehen, wenn es hier nichts mehr zum Knabbern gibt." Erwartet werden demnach sieben bis zehn der hochbeinigen und eleganten Anglo-Nubier-Ziegen. Mit dabei sind so altbekannte Gesichter wie das von Penelope, Mahagoni, Melody und Müsli, die nur noch eineinhalb Hörner hat und braune Punkte auf weißem Fell trägt.

Die Stadt beschäftigt die Ziegen bereits seit 2015 als Saisonarbeiter und Baumpfleger, damit der Rathausberg nicht völlig verwuchert. Die dort wachsenden Essigbäume und das Gehölz gehören zu den Leibspeisen der Ziegen. Ihre Arbeit hat sich in den vergangenen Jahren bewährt. "Es gibt seither viel weniger Verletzungen", sagte etwa der Zweite Bürgermeister Kai Kühnel (Bündnis). Denn für Menschen ist die Arbeit auf dem abschüssigen Gelände nach Einschätzung der Stadt "sehr mühsam und gefährlich".

Die Ziegen auf ihre Mäh-Fähigkeiten zu reduzieren, wäre jedoch fatal, zumal sie stets für Überraschungen gut sind. Als sie 2015 zum ersten Mal nach Dachau kamen, präsentierten sie sich kurz darauf wie selbstverständlich mit Oberbürgermeister Florian Hartmann bei einem Fotoshooting. Hartmann wusste da bereits, dass die Ziegen einen eigenen Facebook-Account betreiben: Er ließ die Bilder auch deshalb machen, weil es schick war, mit den Ziegen gesehen zu werden. Apropos Facebook. Dort las man auch immer wieder Erstaunliches über das Privatleben der Ziegen. So führten sie 2016, nachdem sie zwischenzeitlich Social-Media-Berater von Markus Söder waren, einen Rechtsstreit mit Jan Böhmermann, weil sie sich in dessen Schmähgedicht verunglimpft fühlten: "Also wirklich, kein Angehöriger unserer Spezies würde je etwas mit dem türkischen Regierungschef anfangen." Politisch bewiesen sie auch Haltung, als sie sich öffentlich für die Wahl Clintons gegen Trump einsetzten oder die AfD verspotteten. Ein wenig selbstverliebt wirkten sie, als plötzlich ein Facebook-Account "Die Flöhe der Ziegen vom Dachauer Rathausberg" auftauchte und sie Beschwerde einlegten. Die Ziegen, so schien es, gewannen mit jedem Tag an Selbstbewusstsein. Im November 2016, als es frostig draußen wurde, bewarben sie sich für Stellen in den warmen Ratshausstuben. Die Stadt lehnte aus ungeklärten Gründen ab.

Skandale blieben aus, was auch daran liegen mag, dass Böcke nicht nach Dachau kommen dürfen, weil sie, nun ja, ein wenig riechen und nicht die Saison ist, um hübschen Ziegen hinterherzustellen. Wann genau die Paarhufer ankommen, ist noch unklar. Eine persönliche Nachricht auf Facebook blieb bislang unbeantwortet.

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Quelle:
SZ vom 13.08.2020
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