Süddeutsche Zeitung

"Geschichten aus dem Dachauer Land":Zuchtvieh, Gold und Abgeschiedenheit

Der Weichser Gemeindeteil Fränking hat versteckte Qualitäten. Manfred Schenkel züchtet Charolais-Rinder, Petra Hoch-Dosch macht Schmuck.

Von Sarah Stemmler, Weichs

Wer nach Fränking will, muss aufpassen. Ehe man es sich versieht, ist man durchgefahren, ohne es zu bemerken. Vielleicht irritiert das Ortsschild den ein oder anderen - schließlich sind kaum Häuser zu entdecken - aber kaum 400 Meter weiter passiert man bereits den angeblichen Ortsausgang. Kurzes Kopfschütteln, Schulterzucken, weiterfahren. War da was? Wohl eher nicht.

Tatsächlich verpasst man einiges, wenn man Fränking links liegen lässt. Zwar besteht der Ortsteil der Gemeinde Weichs lediglich aus ein paar dekorativ verstreuten Häusern an einer schmalen Landstraße. Doch in Fränking kann man so spezielle Produkte erwerben, dass sogar Kunden aus der Landeshauptstadt deswegen die Reise ins Dachauer Hinterland antreten. Zum einen ist da die Rinderzucht von Manfred Schenkel, die Bio-Gourmets aus der ganzen Umgebung anzieht. Zum anderen befindet sich in Fränking das Atelier von Petra Hoch-Dosch. Die Goldschmiedin verkauft ihren Schmuck nicht nur in ganz Deutschland, sondern auch nach Österreich und in die Schweiz.

Qualität wird groß geschrieben

Beide, der Landwirt und die Goldschmiedin, haben eines gemeinsam: Sie legen großen Wert auf die Qualität ihrer Produkte und den direkten Kontakt zu ihren Kunden. Weder Schenkel noch Hoch-Dosch besitzen einen Laden, sie arbeiten nur auf Bestellung. Tragfähig ist dieses Konzept dank Mundpropaganda und Renommee. Manfred Schenkel züchtet Charolais-Rinder, eine weiße Fleischrinderrasse aus Frankreich. Die Tiere stehen den ganzen Sommer auf der Weide, ein Bild, das im Landkreis selten geworden ist. Dass die Rinder frei laufen und fressen könnten, sei seinen Kunden wichtig, erklärt der Landwirt. Artgerechte Haltung spiele für viele Verbraucher eine wachsende Rolle. Allerdings sieht Schenkel eine Diskrepanz zwischen den Erwartungen der Kunden und ihrer Zahlungsbereitschaft. Zwar verurteilten viele die Massentierhaltung, wollten aber trotzdem billiges Fleisch. Doch extensive Tierhaltung, wie Schenkel sie betreibt, steigert nicht nur die Qualität, sondern auch den Preis.

Die Charolais auf dem Schenkelhof bekommen weder Kraftfutter oder genmanipulierte Tiernahrung noch Antibiotika. Wenn die Rinder zwei Jahre alt sind und etwa 650 Kilogramm auf die Waage bringen, werden sie geschlachtet. Ehe das Fleisch zu Braten, Steak oder auch Gulasch weiterverarbeitet wird, lässt Schenkel es 14 Tage lang abhängen - dazu hätten Großbetriebe gar nicht die Kühlhauskapazitäten. Seine Kunden bestellen in Paketen, denn "es fährt keiner wegen drei Schnitzel her". Über sein aktuelles Angebot informiert der Landwirt regelmäßig per E-Mail-Verteiler, die Älteren unter seinen Klienten kontaktiert er auch noch telefonisch.

Charolais-Rinder aus Frankreich

Schenkel verkauft jedoch nicht nur Rindfleisch, er ist auch Teil einer Jagdgenossenschaft, für die er Wild aus den umliegenden Wäldern vermarktet. Außerdem leben auf seinem Hof neben den Charolais-Rindern Schweine, Gänse und Enten. Letztere durften sich auf dem Gelände frei bewegen, bis ihnen Marder und Fuchs zu sehr zu Leibe rückten. Jetzt ist das Geflügel großzügig eingezäunt. Noch ein Hoftier ist zu erwähnen, die Treibhündin Jenny. Sie hilft Schenkel mit den Rindern, wenn die mal allzu starrsinnig sind. Zwar wirken die großen Tiere behäbig und gemütlich, doch es kommt immer wieder vor, dass Bauern von ihren Kühen verletzt werden, erzählt der Landwirt.

Bei den Charolais handelt es sich allerdings um eine ruhige Rasse. Schenkel entdeckte sie auf einer Reise nach Frankreich für sich. Zunächst besaß der Landwirt sowohl eine Mutterkuhherde als auch eine Milchviehherde. Doch vor acht Jahren beschloss er, komplett auf Fleischrinder umzusteigen, da sich die Milchviehhaltung nicht mehr rentierte. Seitdem grasen nur noch die französischen Charolais-Rinder auf den Weiden von Fränking. Doch auch wenn Schenkel einen festen Kundenstamm hat, sagt er, dass es für kleine Betriebe nicht leicht sei, sich über Wasser zu halten. Man müsse sich weitere Standbeine suchen, in seinem Fall ist das unter anderem der Kürbisanbau. Schenkel betreibt den Hof nun in der vierten Generation, irgendwann will er ihn an seine Kinder weitergeben. Die Zukunft lässt er offen: "Was die nächste Generation macht, muss man sehen."

Die Goldschmiedin Petra Hoch-Dosch hat zwar keinen Familienbetrieb, den sie weiterreichen kann, dafür aber ein Handwerk, das kaum noch einer beherrscht. Schmuck, erklärt sie, wird heutzutage hauptsächlich maschinell hergestellt und größtenteils im Ausland gefertigt. Trotzdem glaubt sie, dass ihr Beruf nicht aussterben wird: "Es gibt immer Leute, die Handarbeit wollen."

Eheringe made in Fränking

Nur ein Goldschmied könne individuellen Schmuck und Unikate bieten. Die meisten Leute kommen allerdings nicht mit ausgefallenen Wünschen nach Juwelen zu ihr. Hoch-Dosch fertigt und verkauft zur Zeit hauptsächlich Eheringe. Das ist für eine Goldschmiedin eigentlich ungewöhnlich: "Eheringe bestellt normal jeder bei einer Trauringfirma". Der Grund, weshalb Paare nach Fränking kommen, um Eheringe zu kaufen, ist letztlich derselbe, aus dem sie dort Rindfleisch besorgen: Qualität. Seit 2003 arbeitet Hoch-Dosch ausschließlich mit Fairtrade-Gold. Seitdem sind die Anfragen nach Eheringen bei ihr enorm gestiegen, ihre Kunden wollen sich den Ring mit gutem Gewissen an den Finger stecken.

Auch Hoch-Dosch ist der moralische Aspekt sehr wichtig. Nach einem Besuch in Amerika hätte sie mit dem Goldschmieden beinahe aufgehört: Dort hat sie gesehen, wie es aussieht, "wenn Goldabbau betrieben wird, ohne Rücksicht auf Natur und Menschen". Seit dieser Reise verwendet sie nur noch Fairtrade-Gold, das Material für ihren Schmuck kommt aus den argentinischen Anden und aus Hessen. Hoch-Dosch verarbeitet das Gold in ihrer Werkstatt, die gleichzeitig ihr Büro ist. Das Atelier liegt im Dachgeschoss ihres Hauses, das in einem dicht bewachsenen Garten versteckt ist. Es ist eine anheimelnde, ein wenig geheimnisvolle Atmosphäre. Etwas besonderes, das die künftigen Ehepaare schätzen. "Die Leute, die kommen, machen ja notgedrungen einen Ausflug hierher", sagt Hoch-Dosch und lächelt. "Wenn sie hier waren, sagen sie, dass sie jetzt eine richtig schöne Erinnerung daran haben, wie sie ihre Ringe ausgesucht haben." Das sei natürlich auch ein Kompliment an Fränking.

Juwel am Straßenrand

Hoch-Dosch kann sich Zeit nehmen für ihre Kunden. Sie kann auch entscheiden, welchen Auftrag sie annimmt und welchen nicht. Für sie ist es wichtig, einen Bezug zu dem Schmuckstück zu haben, das sie bearbeitet. Wenn ihr der Entwurf eines Kunden nicht gefällt, bittet sie ihn, einen anderen Goldschmied aufzusuchen. "Es macht keinen Spaß, das zu arbeiten, und dann wird's auch nicht so." Am liebsten setzt Hoch-Dosch ihre eigenen Ideen um, wobei sie auch gemeinsam mit ihren Kunden Schmuckstücke entwirft. Die Möglichkeit, eigenen Einfällen zu folgen und diese handwerklich umzusetzen, fasziniert sie an ihrem Beruf, den sie zugleich als Kunst betrachtet. "Die Kunst kann kommen, wenn man über das Handwerk nicht mehr nachdenken muss", erklärt die Goldschmiedin. Diesen Punkt hat sie längst erreicht. In Fränking hat sie ihren Platz zum Arbeiten, Gestalten und Leben gefunden. "Ich genieße die Abgeschiedenheit und die Natur, und dass die Leute hier noch entspannter sind als in München", sagt die ehemalige Städterin.

Fränking ist sozusagen ein Juwel am Straßenrand. Und das nicht nur wegen der Goldschätze in Hoch-Doschs Atelier oder wegen der kulinarischen Reichtümer des Schenkelhofs. Der unscheinbare Ort verfügt außerdem seit 2012 über die Soccer Arena, in der Fußballfans ganzjährig kicken können. Außerdem befindet sich in Fränking die denkmalgeschützte Marienkapelle, deren langjährige Restaurierung im Mai abgeschlossen wurde. Am 11. September, dem Tag des offenen Denkmals, ist die Kapelle von 13 bis 18 Uhr öffentlich zugänglich. Wer Fränking aus diesem Anlass einen Besuch abstattet, kann die Gelegenheit nutzen, um bei den Rindern von Manfred Schenkel vorbeizuschauen. Die weißen Kühe auf der grünen Weide sind nicht nur farblich ein schönes Bild, sondern der beste Beweis, dass es sich im Dachauer Hinterland gut leben lässt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3132067
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 23.08.2016/gsl
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.