Süddeutsche Zeitung

Nahverkehr:Wo im Münchner Umland wäre eine Seilbahn sinnvoll?

Die Bürgermeister von Dachau, Garching und Oberschleißheim diskutieren über die Chancen urbaner Seilbahnen im Münchner Umland.

Von Julia Putzger, Dachau

Dem Stau entschweben und den entnervten Autofahrern von oben aus der Gondel freundlich zuwinken? Mit einer Seilbahn könnte das die Mobilität der Zukunft sein, die bei der Podiumsdiskussion "Die 3. Dimension" erneut thematisiert worden ist.

Bei der Gemeinschaftsveranstaltung von SPD, Grünen und Bündnis für Dachau diskutierten Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) und seine Kollegen Christian Kuchlbauer (FW) aus Oberschleißheim und Dietmar Gruchmann (SPD) aus Garching über die Möglichkeit von Seilbahnen im Münchner Umland. Dabei signalisierten sie generelle Handlungsbereitschaft beim dringlichen Verkehrsproblem, zeigten sich aber eher skeptisch im Hinblick auf eine Seilbahntrasse zwischen Dachau, Oberschleißheim und Garching.

Eine Seilbahn in Dachau?

Im bis auf den letzten Platz besetzten Erchana-Saal im Ludwig-Thoma-Haus referierte zunächst Markus Büchler, Abgeordneter der Grünen im bayerischen Landtag und Sprecher für Mobilität, über die Potenziale von urbanen Seilbahnen. Dabei betonte er, dass man die Seilbahn als öffentliches Verkehrsmittel und Teil der Reisekette sehen müsse und sie dementsprechend auch im System des ÖPNV integriert sein sollte. An welchen Stationen die Gondeln zukünftig halten könnten, müsse durch eine Machbarkeitsstudie überprüft werden.

Diese gab der Dachauer Stadtrat bereits im vergangenen Jahr in Auftrag. Erste Ergebnisse erwartet sich Hartmann noch vor den Sommerferien. Die Studie soll über lohnende Verbindungen von Dachau aus Auskunft geben, dann könne man konkretere Trassenverläufe planen, erklärte Dachaus Oberbürgermeister. Büchler wies dabei allerdings auf ein Problem hin: Bisher gebe es in Deutschland keine gesetzlichen Grundlagen für den Bau von permanenten urbanen Seilbahnen. Dementsprechend sei etwa auch nicht geklärt, welche Rechte Eigentümer von überflogenen Grundstücken hätten. Laut Büchler will man sich im bayerischen Landtag beziehungsweise auf Bundesebene aber schnellstmöglich damit befassen.

"In Sachen ÖPNV ist es in unserer Region fünf nach zwölf"

Die Zeit bis dahin möchte Garchings Bürgermeister Dietmar Gruchmann jedoch nicht untätig verstreichen lassen. "In Sachen ÖPNV ist es in unserer Region fünf nach zwölf. Die Leute würden alles nehmen, es muss etwas passieren. Wenn die Seilbahn die schnellste Möglichkeit ist, dann wird es eben eine Seilbahn geben", erklärte er. Wichtig ist für ihn dabei einerseits ein gewisser Druck aus der Bevölkerung, andererseits die Unterstützung vom Freistaat. Das Münchner Umland sei einer der wichtigsten Wirtschaftsstandorte in Bayern. Es sei deshalb nur gerechtfertigt, wenn der Freistaat auch einmal etwas zurückgebe. Gruchmann erhofft sich sowohl finanzielle als auch organisatorische Unterstützung. Er will sich aber nicht auf einen Trassenverlauf festlegen und lässt durchblicken, dass die Verbindung nach Dachau nicht die attraktivste sei, wohl aber an den Tangentialverbindungen gearbeitet werden müsse. Dringenden Handlungsbedarf beim Verkehrskonzept des Großraums München sieht auch Oberschleißheims Bürgermeister Christian Kuchlbauer. Seilbahnen hätten zwar einen unwahrscheinlichen Reiz, der Oberschleißheimer Bürgermeister ist jedoch skeptisch, ob man auf der Strecke von Dachau nach Garching über Oberschleißheim genug Verkehr von der Straße bringen könne: "Wir leiden unter dem Durchgangsverkehr." Die Stadt sei dabei ein Knotenpunkt, weshalb der diskutierte vierspurige Ausbau der Bundesstraße nach Garching "ein absoluter Schmarrn" sei, da Oberschleißheim und die Bahnschranke, die derzeit 37 Minuten pro Stunde geschlossen ist, weiterhin ein Nadelöhr blieben. Eine Seilbahn würde an dieser Situation nichts ändern.

Trotzdem ist Kuchlbauer der Meinung, dass man nicht nur im Hier und Jetzt, sondern vor allem in die Zukunft denken müsse: "Das MVV-Netz ist auf dem Stand von 1972. Das war damals zwar modern, doch mittlerweile laufen wir nur dem aktuellen Stand hinterher." Um diese ständige Aufholjagd zu unterbinden sei es nötig, einen großen Schritt zu wagen. Eine Seilbahn wäre ein solcher und biete Chancen, die Region sowohl als Wohn- als auch als Wirtschaftsstandort weiterhin attraktiv zu erhalten. Dieser Meinung war auch ein Zuhörer aus dem Publikum. Bei der an die Diskussion anschließenden Fragerunde wünschte er sich von den Politikern, dass weniger die Probleme und stärker die Chancen in den Vordergrund gestellt würden.

Nichtsdestotrotz wird es wohl noch eine Weile dauern, bis man sich im Großraum München staufrei von A nach B bewegen kann. Laut Büchler könnte etwa die Genehmigung und Errichtung einer Express-Busspur bis zu 30 Jahre dauern. Der Bau einer Seilbahn, der möglicherweise nur drei Jahre dauert, sei da wesentlich greifbarer.

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Quelle:
SZ vom 17.04.2019
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