An frühere Tage durfte man sich am Freitag in Schwabhausen erinnert fühlen: an Zeiten, als die Vorstellungen in der Kleinkunstbühne der "Post" noch regelmäßig ausverkauft waren. So wie früher nämlich drängte sich das Publikum dicht an dicht im großen Post-Saal, und wer sich vorher noch in der Gaststube stärken wollte für das, was ihn oben im Saal erwartete, der hätte besser rechtzeitig einen Tisch reservieren sollen.
Der Mann, der Kabarettfreunden dieses Déjà-vu bescherte, war Django Asül, Niederbayer aus der Nähe von Deggendorf, der mit seinem Vater nach wie vor Türkisch spricht, ansonsten aber ein niederbairisches Idiom beherrscht wie es authentischer gar nicht sein könnte. Kein Wunder: Schließlich ist er eigener Aussage nach von "niederbayrischen Aborigines sozialisiert worden".
Am überzeugendsten wird Django Asül dort zum Niederbayern, wo er seinen Stammtischbruder Hans zitiert, der so wie dessen "G'schichten" und der Stammtisch als solcher ganz real im heimatlichen Hengersberg existieren soll. Überhaupt spielt der Stammtisch eine wichtige Rolle in Django Asüls Leben: als Ideengeber in inhaltlicher wie auch formaler Hinsicht. Denn so, wie am Stammtisch die Themen bunt durchgewechselt werden und ein Stichwort oft übergangslos zum nächsten führt, so redet sich auch der offenbar leidenschaftliche Stammtischbesucher Django Asül quer durch alle Themen. Mit einer Einschränkung: Es sind vor allem solche Themen, die vor zwei, drei Jahren, kurz vor Corona-Ausbruch, die Menschen beschäftigt haben, als das Programm "Offenes Visier" entstand.
Natürlich sind viele der Stichwort dieses Programms nach wie vor höchst aktuell: das der geringer werdenden gesellschaftlichen Solidarität etwa und, parallel dazu, die zunehmend "unüberbrückbaren Differenzen", egal ob in Familie oder Gesellschaft, die Frage wohin der "Individualisierungswahn" noch führen soll oder dessen Steigerung, der "Optimierungswahn". Oder auch Überlegungen dazu, was denn nun eigentlich politisch korrekt ist: Vielleicht darf der "Mohr im Hemd" vor allem deshalb nicht mehr als solcher bezeichnet werden, weil "mancher Mohr gar kein Hemd hat"?
Kein Wort zu Bären, der zweiten Stammstrecke oder Maskendeals
Wer sich allerdings Verweise auf tatsächlich tagespolitische Fragen erwartet hatte, wurde enttäuscht. Kein Wort zu Bär oder Wolf in Bayern und ihrem potentiellen Mehrwert für die kommende Bayernwahl, auch kein Wort über das Debakel der zweiten S-Bahn-Stammstrecke, über Maskendeals oder Vetternwirtschaft diesseits und jenseits der bayerischen Grenzen - oder zu irgend einer der anderen topaktuellen Steilvorlagen, die die Politik einem Kabarettisten bieten würde. Gesellschaftskritik ist Django Asüls Ding - über konkretere Fragen aber, die darüber hinausgehen, schweigt er.
Dafür erfährt man, was für ein besserwisserisches kleines Monster der Grundschüler, der damals noch Ugur Bagislayici hieß, einstmals war oder was die beiden Nichten von ihrem Onkel halten, der offensichtlich Geld verdient ohne Arbeiten zu müssen. Oder warum man bei einem Besuch von Malta nicht nur dessen Historie kennen sondern auch sehr genau wissen sollte, wo man in dem Steuerparadies, wo Autobomben den Rang von Regierungserklärungen haben, "hinschauen" oder doch besser wegsehen sollte.
In Django Asüls Redefluss gibt es immer wieder schöne Aphorismen: Meist dann, wenn er auf Hans und dessen Kommentare zum Zustand der Welt zu sprechen kommt. So etwa, wenn dieser meint, die "Realität da draußen" habe "schon lang nichts mehr mit der Wirklichkeit zu tun" und die Digitalisierung solle doch bitte "analog bleiben". Hans spielt die Rolle des Philosophen in der Stammtischrund, der "auch da ums Eck denkt, wo es gar kein Eck gibt" - und der damit auch so etwas wie das Alter Ego von Django Asül ist.
Neben dem Gesellschaftskritiker und dem Philosophen aber steckt auch noch ein Anderer im Niederbayern mit türkischem Elternhaus: der Schauspieler. Seine Redekaskaden untermalt er mit permanent wechselnder Mimik. Sie allein schon macht den Abend zum Erlebnis. Das empfindet auch das Publikum so: Es reagiert mit tosendem Gelächter auf jeden Satz, jedes Bonmot, jeden Scherz, egal ob tiefgründig oder eher nicht.
Zuletzt wird noch dem Individualisierungswahn in spezifischer Form gehuldigt: Ein Selfie mit dem beflissen lächelnden Django Asül krönt für so machen Besucher den Abend.