Altomünster:Vom Schandfleck zum Schmuckstück

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Jahrelang galt die "Schultreppe 4" in Altomünster als Schandfleck. Das ist jetzt vorbei. (Foto: Toni Heigl)

Christian Schiedel von der Regierung von Oberbayern lobt die Vorbildfunktion der Altomünsterer "Schultreppe 4". Das mehr als 300 Jahre alte Gebäude wurde restauriert und vor kurzem eingeweiht.

Von Horst Kramer, Altomünster

Josef und Marianne Mederer schlendern beim Marktsonntag in Altomünster durch das frisch restaurierte Gebäude der "Schultreppe 4" und machen sich auf viele Details aufmerksam, die nach den dreijährigen Arbeiten wieder erkennbar sind, wie: pittoreske barocke Türen und Fenster oder das mächtige Dachgestühl, das im Laufe der Jahrhunderte immer wieder ausgebessert wurde. Bürgermeister Michael Reiter (FWG) hat das Ehepaar zur Einweihung und offiziellen Eröffnung der "Schultreppe 4" eingeladen - es ist ein mehr als 300 Jahre altes denkmalgeschütztes Bauwerk auf der Ostseite des Klosterbergs, in unmittelbarer Nähe zum historischen Zentrum der Marktgemeinde Altomünster.

Josef Mederer ist in seiner Funktion als Bezirkstagspräsident gekommen, denn der Regierungsbezirk hat das Projekt mit rund 200 000 Euro bezuschusst. Doch die Mederers sind auch gebürtige Altomünsterer, sie verbinden mit dem Gebäude viele Erinnerungen. "In den 80er und 90er Jahren hatte hier die Ortsgruppe des BRK sowie die BRK-Jugendgruppe ihre Heimat", sagt Josef Mederer, der damals als Leiter der Ortsgruppe aktiv war. Marianne Mederer erzählt: "Ich bin hier noch in die Schule gegangen." Bereits zwischen 1826 und 1912 diente die Schultreppe 4 als Dorfschule. Damals wurde auch das Nachbargebäude "Schultreppe 3" zur Volksschule ausgebaut wurde und blieb bis in die 70er Jahre bestehen. Später wurde die Schultreppe 4 nochmals reaktiviert, doch das wissen nur wenige jüngere Bewohner Altomünsters. "In den 60er Jahren konnte die benachbarte Schultreppe 3 nicht mehr alle Kinder aufnehmen", sagt Marianne Mederer: "Deswegen wurden die Räume in der Schultreppe 4 als zusätzliche Klassenzimmer genutzt" - mit der Folge, dass der damalige Gemeinderat einen Schulneubau am Ortsrand vorantrieb. Eine nicht nur damals gängige Praxis, mit problematischen Folgen.

Noch vor zehn Jahren war die Schultreppe 4 in einem desaströsen Zustand

Auf die Folgen geht Professor Christian Schiedel ein, er ist Sachgebietsleiter Städtebau bei der Regierung von Oberbayern und Experte in Sachen Gebäuderestaurierung: "In vielen Kommunen werden noch heute alte Schulen einfach abgerissen und an den Ortsrand gesetzt." An die Historie der Gebäude, ihre ortsbildprägende Funktion und ihre Bedeutung für die Menschen werde dabei nicht gedacht, bedauert er. Seine Behörde versucht, diesem Trend entgegenzuwirken. Deswegen hat Schiedels Amt rund 1,5 Millionen Euro für die Restaurierung der Schultreppe 4 bewilligt, die sich vor zehn Jahren in einem desaströsen Zustand befand: mit morschem Gebälk, kaputten Fenstern, einem undichten Dach und Rissen in tragenden Wänden.

"Das Kostbarste in der Gemeinde ist eine wohl erzogene Jugend" steht auf einer Inschrift über dem Eingang zum Gebäude. (Foto: Niels P. Joergensen)

Die Finanzmittel stammen aus einem Topf namens "Innen statt Außen". Dessen Zweck ist es, innerörtliche Leerstände zu beleben und zu nutzen anstatt wichtige Funktionen des kommunalen Lebens "auf die grüne Wiese" zu verlegen. Mit dem Programm werden Kommunen bei Mehrkosten entlastet, die bei Restaurierungen entstehen. Um die Förderung zu bekommen, müssen die Gebäude nicht einmal unter Denkmalschutz stehen, so Schiedel. Die Wiederbelebung der Schultreppe 4 lobt er als außerordentlich gelungene Maßnahme, "insbesondere wenn man den vorherigen Zustand kennt". Denn die Schultreppe 4 galt viele Jahre als Schandfleck der Marktgemeinde. "Machen Sie Ihren Erfolg bekannt", rät Schiedel: "Es hat Vorbildfunktion."

Gemeinde kann imposantes Dachgeschoss für Veranstaltungen nutzen

Eine Bewertung, der sich auch die Vizelandrätin Marianne Klaffki (SPD) anschließt. Nicht zuletzt, weil die Schultreppe 4 jetzt eine zusätzliche Kindergartengruppe des benachbarten kommunalen Kinderhauses "Die kleinen Strolche" beherbergt und die Volkshochschule darin eine Kinderbetreuungsgruppe unterbringen kann. Klaffki zitiert eine Inschrift, die 1826 oberhalb des Eingangs angebracht wurde: "Das Kostbarste in der Gemeinde ist eine wohl erzogene Jugend." Heutzutage, fährt sie fort, "würden wir das wohl anders formulieren". Doch damals wie heute gelte: "Die Jugend ist die Zukunft der Gemeinde." Sie wünsche der Marktgemeinde, dass in der Schultreppe 4 noch lange Kinderlachen zu hören ist.

Altomünsters Rathauschef Michael Reiter geht auf die Historie des Projekts und des Bauwerks ein: Die Schultreppe 4 erstreckt sich auf einer Grundfläche von rund 250 Quadratmetern, auf einem Hanggrundstück zwischen der Kellerbergstraße und der sogenannten Schultreppe, ein Treppengang der von Süden auf den Klosterberg führt. Das Gebäude verfügt über ein Souterrain-Geschoss, mit Eingang an der Kellerbergstraße, Erdgeschoss und Obergeschoss für die genannten Kindereinrichtungen. Das Dachgeschoss mit seinem imposanten freiliegenden Dachstuhl kann die Gemeinde, unter anderem für Veranstaltungen, nutzen. Allerdings nur in warmen Jahreszeiten, denn auf eine Heizung wurde verzichtet.

Restaurierung kostet rund 3,5 Millionen Euro

Bereits 2013 entschloss sich der Marktgemeinderat, das baufällige Haus zu retten. Der Zustand war erbärmlich: morsches Stützgebälk, ein undichtes Dach, Risse in den tragenden Wänden und kaputte Fenster. 2015 lag die erste Kostenschätzung bei 1,3 Millionen Euro, zwei Jahre später kalkulierten die Münchner Architekten mit 2,5 Millionen. Neben dem Ausbau des Dachgeschosses, den sich der Marktgemeinderat gewünscht hatte, entstand die Kostensteigerung auch durch einem modernen Anbau, den die Planer vorgesehen hatten. Der Marktgemeinderat intervenierte: Der Dachausbau wurde abgespeckt, der Anbau auf seine wichtigsten Funktionen reduziert und zwar als zweiter Fluchtweg im Brandfall und barrierefreier Zugang dank eines Treppenhauses mit Aufzug. Am Ende hat das Projekt 3,5 Millionen Euro gekostet, rund 2,2 Millionen Euro wurden aus staatlichen Quellen finanziert.

Pater Norbert Rasim weiht das Gebäude und spricht anschließend den Segen. Unter den etwa 40 geladenen Gästen sind auch Altbürgermeister Konrad Wagner, die Münchner Architekten Wilfried Claus und Günter Forster, die das Projekt betreuen sowie der Marktgemeinderat. Das Urteil ist einhellig: "Das Gebäude ist ein Schmuckstück für Altomünster", loben nicht nur Marianne und Josef Mederer.

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