Schulen in der Pandemie:Nach den Ferien ist vor der Welle

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Der Schulbetrieb ist nach Weihnachten trotz aller Befürchtungen ohne größere Zwischenfälle wieder angelaufen. Nur vereinzelt müssen Kinder und Lehrer in Quarantäne. Doch Direktoren befürchten, dass die Infektionszahlen bald nach oben schnellen könnten

Von Isabell Gielisch und Jacqueline Lang, Dachau

Erst am Freitagmorgen hat Erwin Lenz wieder ein paar Eltern am Apparat gehabt. Diese bedauerten, dass ihre Kinder, die die sechste Klasse des Ignaz-Taschner-Gymnasiums (ITG) besuchen, auch in diesem Jahr nicht ins Schullandheim fahren werden können. Vorerst hat das Kultusministerium solche mehrtägigen Ausflüge bis Ostern untersagt, Lenz kann sich aber durchaus vorstellen, dass die Regelungen auch darüber hinaus Bestand haben und er weitere Eltern vertrösten müssen wird. Er nimmt das einigermaßen gelassen, mittlerweile gehören solche Telefonate schließlich längst zum Alltag von Schulleitern wie Lenz.

Der Schulbetrieb ist nach den Weihnachtsferien trotz aller Befürchtungen ohne größere Zwischenfälle wieder angelaufen - auch wenn sich immer wieder einzelne Schüler in Quarantäne befinden. Die Grundschule Karlsfeld und die erzbischöfliche Realschule Vinzenz von Paul in Markt-Indersdorf berichten, dass die nach den Ferien befürchtete Infektionswelle ausgeblieben ist. "Wir spüren keine Ferien", heißt es seitens der Karlsfelder Grundschule. Tanja Huber, Leiterin der Dr.-Josef-Schwalber-Realschule Dachau, bemerkt unter den Schülerinnen und Schülern immerhin einen leichten Anstieg der Coronafälle im Vergleich zu vor den Ferien. "Die Fallzahl der Schülerinnen und Schüler insgesamt, die in Quarantäne oder positiv getestet sind, hat sich etwas erhöht dadurch, dass das Fälle sind, die uns noch aus den Weihnachtsferien gemeldet wurden." Bei den drei Testungen in der Schule selbst habe es nur drei positive Schnelltests gegeben, die noch nicht bestätigt seien. Doch von dieser ersten positiven Bilanz will sich zumindest ITG-Schulleiter Lenz nicht blenden lassen: "Wir glauben, dass die Zahlen in die Höhe schnellen werden." Und davon, dass die fünfte Welle auch vor den Klassenzimmern nicht Halt machen wird, geht längst nicht nur der Schulleiter des ITG aus.

Albert Sikora, Leiter des Dachauer Schulamt, blickt zwar positiv auf die erste Woche nach den Ferien. Befürchtungen um stark ansteigende Infektionszahlen haben sich bisher nicht bestätigt. Dennoch geht er wie Lenz davon aus, dass die Zahlen steigen werden: "Wir sehen, dass das schon eine gewisse Fahrt aufnimmt." Sorge machen dem Schulamt Engpässe beim Lehrerpersonal, die mit steigenden Infektionszahlen aufkommen könnten. In dieser Hinsicht warte man derzeit auf das Inkrafttreten der neuen Quarantäneregelungen für bereits geboosterte Lehrkräfte.

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Peter Mareis, Schulleiter des Josef-Effner Gymnasiums (JEG), gibt zumindest für seine Schule bislang Entwarnung: Es gäbe weniger Lehrerausfälle als sonst um diese Jahreszeit. Marais vermutet, dass die Masken dafür mitverantwortlich sein könnten. Zudem wird weiterhin in allen Klassen drei Mal die Woche getestet, unabhängig davon ob ein Kind geimpft ist oder nicht. Bei einem positiven Coronafall in einer Klasse wird täglich getestet. Solche Intensivtestungen finden derzeit am JEG in fünf Klassen statt. Darüber hinaus freut sich Mareis, dass weitestgehend ein normaler Schulbetrieb möglich ist: "Wir tun hier alles dafür, um den Schülern eine Normalität zu ermöglichen - wenn auch mit Einschränkungen."

Am ITG sind, Stand Freitagmorgen, 25 Schülerinnen und Schüler positiv getestet und zuhause, eine Lehrkraft hat Lenz nach zwei Schnelltests mit unterschiedlichem Ergebnis vorsorglich ebenfalls erst einmal nach Haus e geschickt. Komplette Klassen sind allerdings auch am ITG nicht in Quarantäne. Das deckt sich mit Informationen des Landratsamts: Auf Nachfrage teilt dieses mit, dass sich derzeit keine Schulklasse in Quarantäne befindet. Grundsätzlich seien Hotspots weder an Schulen noch sonst wo im Landkreis auszumachen, die meisten Ansteckungen erfolgten im privaten Bereich. An Klassenfahrten, Konzerte und Theatervorführungen ist unter solchen Bedingungen freilich dennoch nicht zu denken. Laut Lenz ist es aber genau das, was so dringend wieder notwendig wäre: "Zur Zeit ist die Schule nicht das, was die Schule ausmacht."

Zumindest in diesem Punkt sind sich alle, die man zur aktuellen Lage an den Schulen im Landkreis befragt, einig. Allerdings unterscheiden sich die Vorstellungen, wie man etwa das Lehrpersonal entlasten könnte. Am Donnerstag hat die Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV) sich in einem offenen Brief an Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gewandt und ihm ein "Sofortprogramm" in sieben Punkten unterbreitet. Zu den Forderungen zählen "klare Vorgaben für Entscheidungen über den Unterrichtsbetrieb vor Ort". Es müssten Richtwerte gelten für die Höhe der Inzidenz, die Luftqualität, die Impfquote, die Anzahl der Quarantänefälle und aktuelle Lehrerversorgung. Weiter müssten die Gesundheitsmaßnahmen wie Impfungen, Lüftungsanlagen, Masken, Tests und Abstände konsequent umgesetzt werden und auf den herrschenden Lehrermangel reagiert werden, was die Akzeptanz von "erhöhtem Unterrichtsausfall" bedingt durch die Pandemie nötig mache. Weil die Situation an allen Schulen anders sei, müssten "die Entscheidungskompetenzen der Schulleitungen noch einmal deutlich ausgeweitet werden", um die "unvermeidlichen passgenauen Notlösungen vor Ort" umsetzen zu können. Darüber hinaus müssten die "Erwartungen an das Schuljahr und die Leistung der Schülerinnen und Schüler" heruntergeschraubt und weiter in die digitale Ausstattung investiert werden.

Was die Digitalisierung am ITG anbelangt, kann sich Lenz nicht beschweren. Ganz anders sieht das Beate Rexhäuser, Lehrerin an der Grund- und Mittelschule Erdweg und BLLV-Kreisverbandsvorsitzende. Die Ausstattung sei auch nach knapp zwei Jahren Pandemie stellenweise noch "unterirdisch", weil diese eben viel zu sehr vom Schulsachaufwandsträger abhänge. Im Fall der Gymnasien ist das der Landkreis, im Fall der Grund- und Mittelschulen sind es die jeweiligen Gemeinden.

Sorgen macht Rexhäuser sich allerdings nicht so sehr um die teils nach wie vor fehlende Technik, sondern vor allem um ihre Neuntklässler, die in diesem Schuljahr ihre Qualifikation machen sollen und dafür Noten brauchen. "Wir laufen Schülern teilweise Wochen nach, bis wir eine mündliche Note kriegen", so Rexhäuser, immer wieder sei jemand krank. Selbst wenn alle da seien, sei eine faire Bewertung allerdings unter den derzeitigen Umständen schwer. Hinzu komme, dass die Prüfungen zumindest im vergangenen Jahr genauso schwer gewesen seien wie in Vor-Coronajahren. Dass einige Gymnasiasten im vergangenen Jahr bravourös abgeschnitten hätten, sei schön, aber nicht repräsentativ. Und auch wenn sie gerade deshalb auf Präsenzunterricht drängt, unterstreicht sie die Forderungen ihres Verbands: "Es muss ganz klar und deutlich Unterricht ausfallen." Sonst glaube den Lehrern ja niemand, dass sie über die Belastungsgrenze arbeiten würden.

Jedem Schulleiter, jeder Schulleiterin, wie vom BLLV gefordert, mehr Entscheidungskompetenzen zu geben, findet Lenz problematisch. "So könnten Sie die Schulen sofort gegeneinander ausspielen." Wenn die eine Schule es so handhabe, die andere so, würden Maßnahmen noch schwerer nachvollziehbar. Auf Landkreisebene hält Lenz eine einheitliche Regelung seitens des Landratsamts für sinnvoller. Bayernweite Regelungen, wie es sie jetzt gebe, seien nicht ideal. Lenz gibt zu: "Sondersituationen gibt es natürlich immer." Würden etwa zehn seiner insgesamt 110 Lehrkräfte coronabedingt ausfallen, dann müsse er wohl oder übel die Schule zusperren. Dass sein ohnehin überlastetes Kollegium 230 entfallene Stunden kompensiert, sei schlicht unmöglich. "In so einer Situation befinden wir uns aber noch nicht."

© SZ vom 17.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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