Süddeutsche Zeitung

Schuldnerberatung:Hilfe aus einem Guss

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Wer sich wegen Schulden beraten lässt, muss viele organisatorische Hürden nehmen. Das soll nun einfacher werden

Von hannah Becker, Dachau

Kein Cent mehr im Geldbeutel, Leere auf dem Konto. Eine Vorstellung, vor der es wohl viele Menschen graut. Aber an wen soll man sich wenden, wenn es finanziell einmal wirklich böse aussieht? In solchen Fällen sollen die Insolvenz- und Schuldnerberatung helfen. Während die Insolvenzberatung verpflichtender Bestandteil eines Insolvenzverfahrens ist, soll die Schuldnerberatung auf psychosozialer Ebene unterstützen. Sie versucht, die individuelle Lebenssituation zu stabilisieren. Den Druck zu nehmen. Für Expertin Irene Küsters von der Caritas Dachau gehört das eine mit dem anderen zusammen. Insolvenzberatung anzubieten, ohne vorher die soziale Situation zu stabilisieren, hält sie für sinnlos.

Trotzdem waren die beiden Angebote bisher getrennt. Für Schuldnerberatung war der Landkreis zuständig, für Insolvenzberatung der Freistaat. Diese Aufteilung führte zu einem erheblichen organisatorischen Mehraufwand, da Schuldner in vielen Fällen zwei verschiedene Berater oder sogar zwei vollkommen getrennte Anlaufstellen hatten. Bei der Caritas in Dachau war das noch nie so, die Berater dort können und dürfen sowohl Schuldner- als auch Insolvenzberatung leisten.

Dass sich verschiedene Behörden um die Angebote kümmerten, wurde scharf kritisiert. Seit dem 1. Januar ist die Trennung Geschichte. Das bayerische Sozialministerium verabschiedete eine Gesetzesänderung, welche die Verantwortung für Insolvenzberatung an die Landkreise überträgt. Der Freistaat erstattet den Kommunen nur noch die Kosten, die dadurch entstehen.

In den Beratungsstellen ist man erleichtert. Jahrelang setzten sich die Mitarbeiter für diese Änderung ein. "Endlich ist etwas zusammengeführt worden, was schon immer zusammengehört hat", sagt Irene Küsters. Für ihre Klienten ändert sich nichts, nur hinter den Kulissen muss jetzt einiges umgestellt werden. Die Caritas steckt noch in Verhandlungen mit dem Landratsamt, die Umgestaltung der Gesetzeslage kam sehr viel schneller als erwartet. Der kurzfristige Mehraufwand sei es aber definitiv wert, man sei sehr froh über die Änderungen. Viele erhoffen sich von der Neuregelung mehr Effektivität.

Obwohl Bayern mit einer Schuldnerquote von 7,4 Prozent im Vergleich zum Bundesdurchschnitt von 10 Prozent sehr gut da steht, gibt es viele Menschen mit finanziellen Schwierigkeiten. In den Schuldenstrudel geraten Menschen aus allen Altersklassen. Der jüngste Klient, an den sich Irene Küsters erinnert, war 15 Jahre alt. Auch Rentner bitten die Beratungsstelle oft um Hilfe - gerade mit niedriger Rente ist der Weg in die Verschuldung nicht weit.

Im Jahr 2018 berieten die Experten in Dachau etwa 350 Klienten, dazu kommen etwa 100 weitere aus den letzten Jahren, die ihre Berater für einzelne Anliegen erneut um Hilfe beten. Die Wartezeiten auf einen Termin bei der Caritas in Dachau dauern regulär sechs bis acht Wochen. Junge Menschen bis 25 können außerdem einmal wöchentlich eine offene Sprechstunde besuchen, um größerer Verschuldung vorzubeugen oder gegebenenfalls den Einstieg in die Beratung zu erleichtern. Auch das Onlineangebot der Caritas, das Schuldnern ermöglicht, rund um die Uhr anonym Fragen zu stellen und schnellstmöglich eine Antwort per Email zu erhalten, wird sehr nachgefragt. Küsters sagt, die Beratungsstelle sei gut ausgelastet. "Wir brauchen eigentlich keine Werbung."

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Quelle:
SZ vom 18.01.2019
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