Schräger Auftritt in der Schwabhausener Post:Virtuosen, Fabulierer, Entertainer

Gankino Circus

Eine skurrile Band mit virtuosen Instrumentalisten: Die vier Musiker vom Gankino Cirkus präsentierten in der Schwabhausener Post ihr facettenreiches Repertoire.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Zwischen Zirkus und Musik: Die vier Gankinos begeistern das Publikum mit einer witzigen Show und grandiosen Klängen

Von Renate Zauscher, Schwabhausen

Ganz langsam, getragen setzt die Melodie ein: zarte Wischer über die Teller des Schlagzeugs, Gitarre, Klarinette und Akkordeon fallen mit ein, eine Kuhglocke lässt im Kopf Bilder einer bukolischen Landschaft entstehen. Dann steigert sich das Tempo, Balkan überlagert Bayerisches, das Schlagzeug trumpft auf - ehe alles wieder dort mündet, wo es angefangen hat: bei vertrauten Klängen alpenländischer Schnaderhüpferl.

Die vier Musiker, die am Samstagabend in der Schwabhausener Post auf der Bühne standen und ihr Publikum mit musikalischer Vielseitigkeit und enormer Spielfreude begeisterten, nennen sich Gankino Cirkus. Ein Name, der in seinem ersten Teil auf einen bulgarischen Tanz verweist und im zweiten auf das, was zur musikalischen Leidenschaft der vier Männer noch dazu kommt: ihre überschäumende Lust an verrückten Einfällen und Geschichten. Da ist zum einen die herrlich skurrile Entstehungslegende, die sie für sich zurechtgelegt haben. Vom Aufwachsen im kleinen fränkischen Dorf Dietenhofen, vor allem im dortigen Wirtshaus, das den schönen, aber wohl nicht ganz ernst zu nehmenden Namen "Zur heiligen Gans" trägt, von dessen Wirt, dem "Weizen-Charly", der im Weißbierglas ums Leben kommt, oder dem eigenen Opa, der sich vor einem halben Jahrhundert mit den in der Nähe stationierten Amerikanern zu musikalischen Sessions getroffen hat. Phantastisches und Reales ergibt in den Geschichten der vier Franken eine Melange irgendwo zwischen Fakes und Fakten - vor allem aber münden diese Geschichten immer wieder in Musik.

Und in was für einer Musik! Die vier Dietenhofener, die seit Jugendtagen zusammen musizieren und als Straßenmusikanten angefangen haben, sind, jeder für sich, virtuose Instrumentalisten. Jens Sens brilliert als ebenso temperamentvoller wie feinsinniger Schlagzeuger; er sorgt neben heftigen, temperamentvollen Klängen auch für solche subtilster Art, wenn er etwa Plastikfolien leise knistern lässt oder für eine Tonkaskade fallender Holzstäbe sorgt. Hin und wieder nimmt Sens auch die Trompete zur Hand, während Maximilian Eder sich aufs Akkordeon-Spiel spezialisiert hat und Ralf Wieland auf die E-Gitarre. Der vielseitigste der Band ist Simon Schorndanner: Er spielt Klarinette, Bassklarinette und Saxophon, hat wie Maximilian Eder eine kraftvolle Stimme und ist wie Ralf Wieland ein begnadeter Geschichtenerzähler, Fabulierer und Entertainer. Wenn er als Mischwesen zwischen Henne und Erpel, ganz in Kükengelb mit riesigen Schwimmflossen an den Füßen, zum "Herpeltanz" ansetzt oder, von "Untermann" Wiegand hochgestemmt, in Bauchlage schwebend, Klarinette spielt, dann wird der Abend zur Zirkusvorstellung.

Immer wieder aber ist es die Musik, die das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinreißt. Das aktuelle Programm der Gankinos mit dem Titel "Die Letzten ihrer Art" ist mal melancholisch wie das Lied vom Alten, der nur noch die Geschichten aus seiner Jugend an die Jungen weitergeben kann, mal überschäumend temporeich wie bei einem jiddischen Nigun oder im russischen Kinderlied vom Krokodil Genia, dann geradezu klassisch wie bei dem von Maximilian Eder vorgetragenen altdeutschen Lied von der dunkel dräuenden Wolke: "Mich dünkt, es wird Regen geben". Die vier Gankinos haben sich aus den musikalischen Traditionen der eigenen Heimat und der Heimat anderer Menschen das Beste, Berührendste, auch Lustigste entliehen und daraus etwas durchaus Eigenes destilliert, wobei vor allem Einflüsse aus Osteuropa hörbar sind. Die Band ist viel herumgekommen, hat in Ländern wie Kasachstan, Bulgarien oder in der Ukraine für die deutsche Botschaft und das Goethe-Institut gespielt und dabei laut Ralf Wieland "gelernt, dass man alle Arten der Volksmusik miteinander verbinden kann."

Das Publikum in der Post ist vom ersten Moment an im Bann dieser Musik. Immer wieder gibt es Zwischenapplaus für einzelne Soli. Als Simon Schorndanner und Ralf Wieland zu einer grandiosen Rock`n`Roll-Nummer ansetzen, kocht der Saal: Die Menschen stehen, klatschen, bewegen sich im Rhythmus der Klänge, die viele von ihnen an ihre Jugendzeit erinnern. Erst ein letztes Volkslied aus der eigenen Tradition, das schöne, alte "Nun wohl zur guten Nacht" holt das begeisterte Pulbikum zurück aus dem Rock`n`Roll-Taumel.

Wer Gankino Cirkus am Samstag versäumt hat, bekommt diese Woche noch einmal eine Chance, die vier Franken zu erleben: Am Donnerstag, 8. März, treten sie im Parktheater im Kurhaus Göggingen auf.

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