Schönbrunn:Autistin vom Pfleger missbraucht

Schönbrunn: Im Franziskuswerk in Schönbrunn wurde eine Autistin von einem Pfleger missbraucht.

Im Franziskuswerk in Schönbrunn wurde eine Autistin von einem Pfleger missbraucht.

(Foto: DAH)
  • Ein ehemaliger, heute 52 Jahre alter Pfleger hat Informationen der SZ zufolge im September 2014 eine autistische junge Frau im Nachtdienst im Franziskuswerk in Schönbrunn vergewaltigt.
  • Die 28-Jährige wurde schwanger und hat inzwischen ein gesundes Kind entbunden. Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt in dem Fall.

Von Helmut Zeller

Ein schwerer Fall sexuellen Missbrauchs im Franziskuswerk in Schönbrunn: Ein ehemaliger, heute 52 Jahre alter Pfleger hat Informationen der SZ zufolge im September 2014 eine autistische junge Frau im Nachtdienst vergewaltigt. Die 28-Jährige wurde schwanger und hat inzwischen ein gesundes Kind entbunden. Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt in dem Fall.

Am Mittwoch informierte Geschäftsführer Markus Tolksdorf die 1500 Mitarbeiter schriftlich über "einen gravierenden sexuellen Übergriff auf eine Bewohnerin des Franziskuswerks". Nähere Angaben wollte die Einrichtung für 850 überwiegend geistig behinderte Menschen in der Gemeinde Röhrmoos nicht machen: Aus Rücksicht auf die Angehörigen des Opfers, wie Tolksdorf erklärte. Das Franziskuswerk hat eine Arbeitsgruppe Prävention eingesetzt, die derartige Fälle in Zukunft verhindern soll.

Täter mit Hilfe von DNA-Proben ermittelt

Der aktuelle Missbrauchsfall wäre offenbar überhaupt nicht bekannt geworden, wenn das Opfer nicht schwanger geworden wäre. Die 28-jährige Frau lebt schon länger im Franziskuswerk und ist aufgrund ihrer Entwicklungsstörung kaum imstande, mit der Außenwelt in Kontakt zu treten. Als mutmaßlichen Täter hat die Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck mit Hilfe von DNA-Proben einen ehemaligen Pfleger ermittelt. Der Mann aus dem Landkreis Pfaffenhofen sitzt seit neun Wochen in Untersuchungshaft.

Die Staatsanwaltschaft München II bestätigte, dass sie in einem besonders schweren Fall des sexuellen Missbrauchs gegen ihn ermittelt. Umfassende Auskünfte könne man jedoch erst in ein paar Tagen geben, erklärte ein Sprecher der Behörde. Dann entscheidet sich auch, ob die Staatsanwaltschaft ein Gerichtsverfahren anstrengt. Das aber ist bei dem jetzigen Ermittlungsstand mehr als wahrscheinlich.

Ein völlig gesundes Kind

Der Mann, der schon 15 Jahre in der Einrichtung des Ordens der Franziskanerinnen arbeitete, soll unauffällig gewesen sein, bis er private Schwierigkeiten bekam. Auf Drängen der Geschäftsleitung kündigte er seine Stelle zum Oktober 2014. Die Kripo prüfte auch, ob er in der Vergangenheit ähnliche Übergriffe beging. Kurz bevor er das Franziskuswerk verließ, soll er im Nachtdienst die junge Frau, eine Türkin, missbraucht haben.

Zunächst war völlig unklar, wer der Täter sein könnte. Die Polizei überprüfte mehrere Mitarbeiter der Behinderteneinrichtung und ermittelte wie üblich in solchen Fällen auch im Umfeld der Familie des Opfers. Ein DNA-Abgleich brachte die Beamten auf die Spur des 52-Jährigen. Das Opfer hat ein Mädchen zur Welt gebracht, das völlig gesund ist.

Ungläubiges Entsetzen

Mit ungläubigem Entsetzen reagierten die Beschäftigten des Franziskuswerks auf die schreckliche Nachricht von dem Missbrauchsfall. Die Behinderteneinrichtung gehört einem Orden der Franziskanerinnen und ist über die bayerischen Grenzen hinaus anerkannt. Insgesamt betreut das Franziskuswerk 1800 Menschen mit unterschiedlichem Bedarf an Unterstützung. Orden und Franziskuswerk wollen den gesamten Ort nach den Prinzipien der Inklusion behinderter Menschen gestalten - entsprechend der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen, die einen grundlegenden Wandel der Gesellschaft im Umgang mit Behinderten zum Ziel hat.

Geschäftsführer Markus Tolksdorf hat die Arbeitsgruppe Prävention eingesetzt, die vor einer Woche erstmals tagte. Das Gremium wird von Stefan Zierer vom Fachdienst Heilpädagogik und Psychologie geleitet. Die Rechtsanwältin Ute Dirkmann, Missbrauchsbeauftragte der Erzdiözese München und Freising, sowie Peter Bartlechner, Präventionsbeauftragter der Erzdiözese, unterstützen die Arbeitsgruppe. Unabhängig von den kriminalpolizeilichen Ermittlungen will das Franziskuswerk den Vorfall aufklären, wie Tolksdorf sagte, und in völliger Transparenz nötige Konsequenzen daraus ziehen.

"Vorverurteilungen vermeiden"

"Ziel und Aufgabe der Arbeitsgruppe ist es, die Strukturen des Franziskuswerks daraufhin zu überprüfen, ob sie sexuellem Missbrauch hinreichend und wirksam vorbeugen und die schnelle und umfangreiche Aufklärung möglicher Vorfälle befördern", heißt es in dem Schreiben an die Mitarbeiter.

Die Geschäftsleitung hat am Mittwoch auch die Angehörigen des Opfers, mit denen sie seit Bekanntwerden des Missbrauchs in engem Kontakt steht, über die Entwicklung informiert. Tolksdorf bittet die Mitarbeiter, "vor allem im Interesse des Opfers und seiner Familie, Zurückhaltung zu üben und sich nicht an Spekulationen und Gerüchten zu beteiligen, um Vorverurteilungen zu vermeiden".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: