Schlosskonzert:Romantisches mit Harfe

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Die Sinfonietta Dachau bringt eine Rarität zu Gehör

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Ein Konzert für Harfe und Orchester stand auf dem Programm des Frühjahrskonzerts der Sinfonietta Dachau. Die Harfe ist gewiss eines der ältesten, traditionsreichsten und symbolträchtigsten Musikinstrumente; wenn man sich aber nach Konzerten für Harfe und Orchester umsieht, findet man nur wenig. Mozarts Konzert für Flöte und Harfe KV 299 kennt man natürlich, denn es wird oft gespielt. Aber dann muss man schon an Komponisten des 20. Jahrhunderts denken, etwa an Paul Hindemith, der ja für jedes Instrument Sonaten und ein Konzert geschrieben hat. Milhaud, Genzmer und die Südamerikaner Villa-Lobos und Ginastera schließen sich an, aber das ist für ein Laienorchester zu schwer. Und wo bleibt das 19. Jahrhundert mit seinen großen Violin- oder Klavierkonzerten von Schumann, Liszt, Chopin, Brahms, Tschaikowsky? Es gibt aus dieser Zeit offenbar nur ein einziges Konzert für Harfe und Orchester, das von Carl Reinecke, und dieses Konzert spielte die Sinfonietta Dachau mit der jungen Schweizer Harfenistin Esther Sévérac. Wenn das keine musikalische Rarität ist!

Carl Reinecke wird in der musikalischen Fachliteratur als Epigone Mendelssohns und Schumanns heruntergemacht, weshalb seine Werke nicht mehr aufgeführt werden. Im Dachauer Schloss hörte man aber ein sehr schönes Werk romantischer Musik mit Harfe. Zugegeben, beim ersten Satz hörte man von der Harfe fast nichts, weil sie das überlaut spielende Orchester - Streicher wie Bläser mit dröhnender Pauke - durchwegs klanglich zudeckte. Bei ihrer großen Solokadenz zum Ende des ersten Satzes aber konnte man ihre stupende Virtuosität an der Harfe bewundern, und im zweiten und dritten Satz kam es weitgehend zu einem guten Konzertieren zwischen der Harfe und dem Orchester. Ein musikalisch, nicht zuletzt auch rhythmisch mitreißendes Prachtstück war die Zugabe der Solistin, eine "Fata morgana" einer zumindest in diesem Stück spanisch oder südamerikanisch orientierten Harfenistin namens Uschi Laar.

Als Dirigent fühlte sich Carl Reinecke - wie er selbst sagte - "verpflichtet, die Meisterwerke der Klassiker unausgesetzt zu kultivieren, so dass jede wiederum heranwachsende Generation mit denselben vollkommen vertraut werde". Das hat Victor Bolarinwa mit Carl Reinecke gemein, auch seine Konzerte sind an den großen Namen der Wiener Klassiker Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, aber auch Mendelssohn und Brahms orientiert. Bolarinwas Beethoven-Verehrung geht so weit, dass er jetzt mit Beethovens Ouvertüre "Zur Namensfeier" op. 115 das Frühjahrskonzert der Sinfonietta eröffnete.

Das ist allerdings ein merkwürdiges, wenn nicht sogar fragwürdiges Werk. Eine scharfe Kritik meint, Beethovens Ouvertüren dieser Art "lassen wohl Beethovens Hand, aber nur geringe Spuren seines Geistes erkennen" (Paul Bekker). Beethoven verkaufte drei solcher Ouvertüren an die Londoner Philharmonische Gesellschaft; dort fand man aber die Stücke Beethovens unwürdig und legte sie nach einer Probe beiseite. Anders Victor Bolarinwa: Er studierte die Ouvertüre "Zur Namensfeier" (des Kaisers) mit seinem Orchester gründlich und setzte auch als Dirigent sein Können ernsthaft ein.

Das Meisterwerk, das es auf jeden Fall verdient hat, im Sinne Reineckes "unausgesetzt kultiviert" zu werden, war in diesem Programm die 4. Symphonie von Franz Schubert, die der Komponist selbst als seine "Tragische" bezeichnete. Über die Aufführung ist mit wenigen Sätzen alles gesagt: Diese von Franz Schubert für ein Laienorchester seiner Zeit in Wien geschriebene Symphonie entspricht in musikalischer wie spieltechnischer Hinsicht den erheblichen Fähigkeiten der Sinfonietta Dachau genau, und Victor Bolarinwa traf in seiner Interpretation, ausgehend von der fraglos richtigen Wahl der Tempi den Schubert-Ton ideal. Auch an diesem Werk hat die Musikliteratur herumgemäkelt und von einer "etwas monoton wirkenden" durchgehenden Achtelbewegung gesprochen. Bei der Sinfonietta Dachau unter Victor Bolarinwa war davon nichts zu spüren, die Aufführung war glänzend und "Schubert-würdig". Die bei Bolarinwa-Konzerten unvermeidliche Orchesterzugabe war der 5. Ungarische Tanz von Brahms.

© SZ vom 26.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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