Schlosskonzert:Kalte Perfektion

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Die Geigerin in Alena Baeva. (Foto: Toni Heigl)

Im Dachauer Schloss bringen die „Sinfonietta Cracovia“ und Geigerin Alena Baeva Stücke von Bach und Mozart auf die Bühne. Handwerklich ist nichts zu beanstanden, doch es fehlt an musikalischer Leidenschaft.

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Das Verzeichnis der Werke von Johann Sebastian Bach nennt sieben Konzerte für Cembalo und Streichorchester und vermerkt: „Bis auf das zweite gehen sämtliche Konzerte auf Violinkonzerte zurück.“ Bekannt, weil relativ oft gespielt, ist nur das erste Konzert in d-Moll, doch gerade von diesem Cembalokonzert ist wiederum das von Bach bearbeitete Violinkonzert nicht bekannt. Ein Arrangeur der heutigen Zeit hatte deshalb die Idee, aus Bachs bekanntem Cembalokonzert ebenjenes Violinkonzert zu kreieren. Das Ergebnis brachte im Dachauer Schlosskonzert der Sinfonietta Cracovia die Geigerin Alena Baeva auf die Bühne.

Es erklang als ein äußerst virtuoses Barockkonzert, das - zumindest in der Interpretation von Alena Baeva und dem Streichorchester aus Krakau - das Bach-Konzert als Vorlage weit hinter sich ließ. Man hörte im Dachauer Schloss von der Solistin wie vom Orchester eine hoch virtuose, spieltechnisch perfekte Aufführung, die aber kalt blieb - weshalb an dieser Stelle das Wort „musizieren“ vermieden wird.

Die Geigerin Baeva wird auf dem Programmzettel als „faszinierende Klangtechnikerin“ beschrieben. Nach dieser seltsamen Bach-Interpretation wusste man als Zuhörer, was das zu bedeuten hat. Die virtuose Spieltechnik und der auf einer wunderbaren Geige von Guarneri del Gesu von 1738 erzeugte Klang dominieren die Musik.

Das Streichorchester Sinfonietta Cracovia aus Krakau. (Foto: Toni Heigl)

Nach dieser fast schwindelerregend virtuosen Interpretation einer Bearbeitung für Violine einer Bearbeitung Bachs für Cembalo spielte Baeva mit dem Krakauer Orchester ein weiteres Violinkonzert. Es war von Felix Mendelssohn Bartholdy, aber nicht das Mendelssohn-Violinkonzert – das bekommt das Dachauer Konzertpublikum erst am kommenden Samstag beim Abend der Sinfonietta Dachau zu hören. Vielmehr war es eine Schülerarbeit des 12-jährigen Felix, der in diesem Alter auch elf Sinfonien für Streichorchester komponiert hat.

Dieses Violinkonzert in d-Moll ist natürlich noch kein „echter“ Mendelssohn, aber der Knabe (so sagte und schrieb man damals) wusste recht gut, wie man schreiben muss, damit es brillant klingt. Und Alena Baeva weiß, wie man geigen muss, damit es noch brillanter erklingt. Felix Mendelssohns früher Konzertversuch wurde also von der Solistin wie auch vom Orchester mit allen Finessen moderner Interpretation herausgeputzt.

Besonderer Wert wurde auf eine äußerst kontrastreiche Dynamik gelegt. So verdünnte Baeva einmal eine Bewegung der Geigenstimme nach oben bis ins aller äußerste Pianissimo. Den höchsten, letzten Ton hat sie vermutlich gar nicht mehr gespielt, nur noch gedacht. Zu hören war er jedenfalls nicht mehr.

Nach diesem überaus brillant gespielten Violinkonzert erinnerte die „Sinfonietta Cracovia“ mit einer Suite für Streichorchester an den großen polnischen Pianisten und Politiker Ignacy Jan Paderewski. Seine Musik ist konservativ und angenehm zu hören.

Seine Suite führte zu der mindestens ebenso angenehmen, aber kompositorisch bedeutenderen Serenade in e-Moll von Edward Elgar. Mit diesem schön gespielten Paradestück aller Streichorchester hätte dieses Dachauer Schlosskonzert ein gutes Ende haben können. Aber die „Sinfonietta Cracovia“ schloss mit dem Divertimento F-Dur KV 138 von Wolfgang Amadeus Mozart. Dieses sehr häufig gespielte Stück hat man, zumindest im Dachauer Schloss, noch nie so virtuos gehört. Aber, gelinde gesagt: auch noch nie so unschön.

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