Süddeutsche Zeitung

Scheinselbstständigkeit:Sozialbetrug über 1,2 Millionen Euro

Landgericht wirft Logistiker vor, Scheinselbständige beschäftigt zu haben

Ein Geschäftsführer aus der Logistikbranche im südöstlichen Landkreis Dachau soll jahrelang keine Beiträge zur Sozialversicherung für seine Arbeitnehmer abgeführt haben. Es geht um einen Betrag in Höhe von mehr als 1,2 Millionen Euro. An diesem Freitag hat der Prozess gegen den 52-Jährigen vor der Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht München II begonnen. Der Angeklagte wurde wegen ähnlicher Vorwürfe bereits 2013 vom Landgericht in Landshut verurteilt. Der Verteidiger des Geschäftsführers sagte zu Beginn der Verhandlung, sein Ziel sei es, eine Haftstrafe zu verhindern. Sein Mandant hoffe, "mit einem blauen Auge aus der Sache herauszukommen". Das dürfte schwierig werden. Denn die Staatsanwaltschaft hat im Vorfeld signalisiert, dass für sie nach derzeitigem Stand keine Bewährungsstrafe mehr für den Angeklagten infrage komme.

Auslöser für die Ermittlungen gegen den Geschäftsführer war ein Hinweis des Finanzamts Freising an das Hauptzollamt in Landshut im März 2015. Die Finanzbehörde hatte bemerkt, dass der 52-Jährige eine Reihe von Subunternehmer beschäftigte und mit Gutschriften bezahlt. Bei den Ermittlungen des Hauptzollamtes Landshut stellte sich dann heraus, dass der Angeklagte Inhaber mehrere Unternehmen war, jedoch nur wenige festangestellte Mitarbeiter hatte. Dadurch entstand der Verdacht, dass es sich bei den angeblichen Subunternehmern tatsächlich um Scheinselbständige handeln könnte. Schließlich schaltete sich auch die Staatsanwaltschaft ein und erhob nach Abschluss ihrer Ermittlungen Anklage.

Der Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer, Richter Stefan Weickert, sagte während der Vernehmung des Geschäftsführers, dass ihm vieles an dessen Geschäftsmodell "unlogisch" erscheine. Unter anderem die Tatsache, dass die angeblichen Subunternehmer Fahrzeuge beim Angeklagten angemietet hätten, um damit für ihn Aufträge erledigen zu können. "Ich kenne keinen, der selbständig ist und vom Auftraggeber ein Fahrzeug vermietet bekommt. Das ist ein Geschäftsmodell, das ist mir so nicht bekannt." Wer ein Fahrzeug anmiete, wisse doch auch, dass er Aufträge bekommt, so Weickert. Also bestehe auch eine Abhängigkeit. Der Verteidiger des Geschäftsführers räumte an dieser Stelle ein, dass es in der Tat Fälle gebe, "wo es schwierig ist". Er gehe aber auch nicht davon aus, dass sein Mandant freigesprochen werde. Ein Urteil in dem Prozess wird Anfang Mai erwartet.

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SZ vom 27.02.2021 / sal
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