Süddeutsche Zeitung

Schädlingsbefall:Borkenkäfer vermehren sich rasant

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Extreme Wetterlagen haben in diesem Jahr ideale Bedingungen für die Schädlinge geschaffen. Nun müssen die Waldbauern schnell handeln.

Von Renate Zauscher, Dachau

Extreme Wetterlagen nehmen zu, egal ob es sich dabei um schwere Stürme wie kürzlich in Niederbayern handelt, um längere Hitzeperioden oder anhaltende Regenfälle. Einer, der von solchen Wetterextremen sehr stark profitiert, ist der Borkenkäfer: Ihm kann es nicht heiß, nicht trocken und nicht stürmisch genug sein.

Entsprechend große Sorgen machen sich in diesem Jahr Forstleute und Waldbesitzer. Beratungsförster Franz Knierer aus Odelzhausen spricht von rund 10 000 Bäumen im Landkreis Dachau, die vom Borkenkäfern befallenen seien. Jetzt gehe es vor allem darum, die kranken Bäume schnellstmöglich aus den Wäldern zu holen und aufzuarbeiten, um die Entwicklung weiterer Käfer-Generationen noch in diesem Jahr möglichst zu verhindern.

Von einer rasanten Ausbreitung des Borkenkäfers berichtet auch Leonhard Mösl, der Vorsitzende der Waldbauernvereinigung im Landkreis Dachau. "Wir haben heuer im Vergleich zu früheren Jahren das vier- bis fünffache Käferaufkommen." Bedingt durch die hohen Temperaturen im Sommer hätten sich neue Generationen des Borkenkäfers in vier bis fünf Wochen statt wie sonst in sechs bis acht Wochen entwickeln können, was zu entsprechend heftigem Befall der Fichte - dem einzigen Baum, dem der Käfer gefährlich wird - geführt habe.

Im Landkreis Dachau sind vor allem Gegenden mit sandigem Boden wie rund um Altomünster oder Lauterbach betroffen. Dabei "sind wir hier noch mit einem blauen Auge davongekommen", sagt Franz Knierer. Im Raum Landsberg etwa, "da brennt es richtig". Dort werde jetzt in einer einzigen Woche so viel Holz eingeschlagen wie im Landkreis Dachau in der ganzen Saison. Entsprechend gesunken sei der Holzpreis, dem auch schon die niederbayerischen Stürme schwer zugesetzt hätten.

Als Hauptursache für den heuer besonders starken Käferbefall der Fichten nennen Knierer und Mösl Hitze und Trockenheit. So sei es im vergangenen Jahr noch weit bis in den Herbst hinein warm gewesen. Zusätzliche Käfergenerationen hätten sich entwickeln können, deren Larven dann im Boden überwintert hätten. Dazu komme, dass gerade Fichten als Flachwurzler durch Stürme oft vorgeschädigt seien und der Borkenkäfer mit ihnen dann leichtes Spiel habe. Wenn sich der Saftstrom im Baum durch die Witterungseinflüsse verringere, erklärt Leonhard Mösl, dann setze dies die Widerstandskräfte der Fichten weiter herab.

Zu den klimatischen Veränderungen und ihren Auswirkungen auf den Wald kommt der hohe Stickstoffeintrag in die Böden. Die Überdüngung durch Stickstoff, "ein eigentlich wichtiger Pflanzendünger", sagt Knierer, bewirke ein besonders kräftiges Wachstum der Bäume die, stark in die Höhe geschossen, weniger sturmresistent seien. Die hohe Stickstoffbelastung des Waldbodens ist sogar für den Laien sichtbar: Sie zeige sich im starken Wuchern der Brombeeren, einer entsprechenden Indikator-Pflanze.

Im jüngsten Waldschadensbericht wurden als einer der Gründe für den schlechten Zustand vieler Wälder die starken Ammoniakemissionen durch die landwirtschaftliche Tierhaltung genannt. Franz Knierer verweist aber auch auf den Autoverkehr, der einen erheblich Anteil an der Stickstoffbelastung der Luft und der Versauerung der Waldböden habe. Ohnehin seien die Zusammenhänge sehr komplex; man könne nicht nur einzelne Gruppierungen als Verursacher des Problems herausgreifen.

Knierer spricht von einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe: "Wir alle sind gefordert uns zu überlegen, wie wir die Probleme herunterfahren können." Wie ernst die Lage mittlerweile ist, zeigen Zahlen, die Knierer nennt: Die an der Messstelle in Großberghofen erhobenen Daten belegen, dass die jährliche Durchschnittstemperatur im Landkreis seit dem Jahr 2000 im Vergleich zu den Jahrzehnten von 1960 bis 1990 bereits um 1,9 Grad angestiegen ist. Gleichzeitig ist die durchschnittliche Niederschlagsmenge von 865 Millimeter pro Jahr auf 780 gesunken.

Im Moment ist es laut Franz Knierer und Leonhard Mösl entscheidend, dass alle Waldbesitzer ihre Bestände kontrollieren und bei Käferbefall sofort reagieren. Wer dazu selbst nicht in der Lage sei, dem würden die Waldbauernvereinigung und auch die Forststellen in Odelzhausen und Markt Indersdorf mit Rat und Tat helfen. Notfalls müssten befallene Bäume in Ersatzvornahme durch die Forstbehörde gefällt werden. Und ein zweites wollen Knierer und Mösl erreichen: den weiteren Umbau von Fichten-Monokulturen in widerstandskräftigere Mischwälder.

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Quelle:
SZ vom 05.09.2017
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