Rückblick:Die Aufsteiger

Der Förderverein Wasserturm feiert 20-jähriges Bestehen mit einer Ausstellung - aber ohne Lift

Von Clara Nack, Dachau

Wasserturm

Der Wasserturm der Stadt Dachau.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Nicht nur das benutzte Geschirr mussten die Gründungsmitglieder des Fördervereins Dachauer Wasserturm über die Straße tragen und zu Hause waschen, weil es kein fließend Wasser gab. Auch eine Toilette fehlte. Nachdem die Stadt den Wasserturm vis-à-vis zum Schloss jahrelang sich selbst überlassen hatte, verhinderte im September 1998 eine Gruppe von 13 Dachauern den Abriss. Nun feiert der Förderverein Wasserturm 20-jähriges Bestehen: 20 Jahre, in denen Kunstwerke und Musikinstrumente immer wieder die 127 Stufen bis in die heutigen Ausstellungsräume hochgeschleppt werden mussten, denn einen Fahrstuhl gibt es bis heute nicht. Der Titel der Jubiläumsausstellung: " ... as Time goes by". Wie die Zeit vergeht!

"Am Anfang packten wir alle jeweils zehn Mark auf den Tisch und organisierten damit unsere erste Veranstaltung im Dezember 1998", erinnert sich Karin-Renate Oschmann an das Gründungsjahr. Sie hat nicht nur die wasserlose Zeit des Wasserturms von Beginn an miterlebt, sondern ist auch seit Vereinsgründung mit viel Leidenschaft dessen erste Vorsitzende. Die Veranstaltung am Adventswochenende 1998 war ein großer Erfolg. Was mit den ersten 100 Wasserturm-Drucken des Künstlers und Gründungsmitgliedes Günther Urban begann, die er auf der Veranstaltung für etwa zehn Mark das Stück zugunsten des Wasserturms anbot, mündete bald in die Idee, den Ort weiter zu "bekünsteln".

Wasserturm

Der Wasserturm-Druck von Günther Urban.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Drei Jahre lang sollte das Gebäude erst einmal der Kunst zur Verfügung gestellt werden; daraus wurden fünf. Inzwischen sind die Ausstellungsräume des Wasserturms ein Jahr im voraus ausgebucht. Dabei zahlen die ausstellenden Künstler nur die Unkosten und entscheiden selbst, wie sie ihre Werke präsentieren und wie oft der Wasserturm seine Türen für Kunstfreunde öffnet. "Wir sind ja keine Galerie, sondern hier im Wasserturm wesentlich breiter aufgestellt", sagt Gerhard Niedermair, Schriftführer des Vereins und selbst Künstler.

Renate-Karin Oschmann vergleicht den Wasserturm mit einer "Villa Kunterbunt": Regelmäßig finden hier Musikabende, Kinder-Workshops und Künstlertreffen statt. Beim "Blues Tower" im Oktober ist es nicht mehr schwer, Bands zu finden, die Kunstwerke und Besucher mit ihrer Musik durch die Ausstellung swingen lassen. Musiktherapeut Thomas Nied mag vor allem den Klang eines bestimmten Ausstellungsraumes für seine Musikabende, bei denen er zum Mitsingen einlädt. Andere Veranstaltungsreihen sind mittlerweile schon Geschichte: Die Walpurgisnacht gehörte den Frauen und ihrer Kunst, zu Halloween war jeder eingeladen. Es gab einen Weihnachtsmarkt, auch die Klosterschule kam regelmäßig zu Besuch. "Inzwischen organisieren andere Vereine und Schulen sehr erfolgreiche Weihnachtsmärkte, Kürbisfeste und vieles mehr. Wir wollen niemandem so ein Erlebnis wegnehmen", sagt Karin-Renate Oschmann. Man müsse sowieso schon "aussieben" und viele Anfragen ablehnen, weil der Ausstellungskalender voll sei. Nur die Schulen wünscht sich Oschmann wieder zurück in die Räume. "Die Eltern und das Lehrpersonal müssten aber mitziehen, und wir müssen die Schulen wieder direkter ansprechen", sagt die ehemalige Lehrerin.

Wasserturm

Gemälde des Künstlerduos Uli Heuss und Gabriele Middelmann (rechts).

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Nicht nur die Nachwuchsförderung müsse stärker angegangen werden, findet sie. Auch wenn es darum geht, wo der Wasserturm noch hinwolle, stellt sich die Frage nach dem Nachwuchs. Die Grundsteine sind gelegt, die sanierten Räume immer gut gefüllt. "Ich weiß nicht, ob sie mich jetzt noch brauchen. Im Sommer möchte ich den Vorsitz abgeben", sagt Oschmann, die auf einem Korbsofa unter einem Gemälde der Jubiläumsausstellung sitzt. Das Sofa war eine der ersten Spenden. Jetzt ist ihr größter Wunsch der nach einem Fahrstuhl wie er vor wenigen Wochen an der Fassade des Pfarrheims von Sankt Jakob Kirche eingeweiht worden ist. Nicht nur schwere Skulpturen und Plastiken fänden so ihren Weg leichter hinauf in die Räume, sondern auch die älteren Vereinsmitglieder.

Josef Baur, den Oschmann als "Mann der ersten Stunden des Vereins" vorstellt, findet, dass nun neue Leute nachrücken müssten und Events wie den "Blues Tower" in die Hand nehmen, der junges Publikum anzieht. Dass müssten ja nicht die aus der ganz jungen Generation sein, aber auch nicht die "üblichen Verdächtigen".

Wasserturm

Eine Collage der Künstlerin Liz Schinzler.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Karin-Renate Oschmann hat genug um die Ohren. Drei Kinder, acht Enkel und mindestens genauso viele Projekte. Um die "Lange Nacht der offenen Türen", die am Freitag wieder stattfindet, kümmert sie sich besonders intensiv. "Die liegt mir wirklich sehr am Herzen und damit möchte ich weitermachen", sagt die mittlerweile 81-Jährige. "Es melden sich jedes Jahr noch neue Künstler und Werkstätten, die zur Langen Nacht ihre Türen öffnen möchten."

Diese Kontakte sind es auch, welche die Mitglieder an der Vereinsarbeit im Wasserturm so schätzen. "Die Kontakte und Begegnungen mit Künstlern, die man sonst nie kennengelernt hätte - die sind der Lohn für mich", sagt Gerhard Niedermair. Schatzmeisterin Rosa Rühl bezeichnet die ganze Arbeit am Wasserturm als "ihr Lebenselixier".

Für die Gemeinschaftsausstellung zum 20-jährigen Bestehen habe man die Teilnehmer deswegen auch nach "Treue und Zuneigung" ausgewählt. Gabriele Steinlechner, die in einer Sitzung des Stadtrats einst die entscheidende Stimme zur Verlängerung des Pachtvertrages für die Kunst abgegeben hat, stellt ihre Malerei auf der obersten Etage aus. Gründungsmitglied Claudia Flach hat ihre Keramik aufgetischt. Auch Herta Minzlaff präsentiert Bilder, und Margarita Platis ist mit Fotografien verschneiter Gipfel vertreten, bei denen jede schneebedeckte Tanne, die den Weg nach oben markiert, heraussticht. Das "Memento Mori" von Christian Maria Huber kommt dem Gedanken der Ausstellung bildlich am nächsten. Eine Druckgrafik von Bruno Schachtner, auch er ein Gründungsmitglied des Vereins, zeigt den Umbau des Turms 2003. Damals waren manche Ausstellungsräume noch gar nicht zugänglich. Eine schmale Wendeltreppe führte in die zweite Etage. Es ging dort weiter, wo früher die Wassertanks Platz fanden. Schachtners Abbildung rohen Stahlbetons verbildlicht diese Wegmarke. Heute ist der Raum durch seine vorgezogenen Stützpfeiler, die einst die Wand vor den Arbeitswerkzeugen des Wasserturms bildeten, der am vielseitigsten genutzte Ausstellungsraum.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: