Ruckteschell-Villa:Dachauer Hausmusik

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Der Sänger Tom McMillan soll in die Ruckteschell-Villa in Dachau einziehen. Dabei wird er von einer ungewöhnlichen Koalition im Stadtrat unterstützt.

Walter Gierlich

Die "Kochwirt-Fraktion" ist in der Dachauer Kommunalpolitik längst ein geflügeltes Wort: Es handelt sich um Stadträte von CSU und Freien Wählern, die sich regelmäßig in dem Traditionsgasthof in der Altstadt treffen und nach Einschätzung von Kritikern aus den Reihen von SPD, Grünen und Bündnis für Dachau das eigentliche Machtzentrum der Dachauer Politik darstellen.

Die Stadt ließ die Ruckteschell-Villa aufwendig sanieren, damit dort Künstler wohnen können. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Um die Ecke, in der Burgfriedenstraße, liegt das "Café Gramsci", Hochburg der alternativen Szene der Kreisstadt, in der sich aber bisweilen auch der eine oder andere CSU-Politiker blicken lässt.

Ob man nun gleich von einer "Gramsci-Fraktion" sprechen kann, wenn die Fraktionsvorsitzenden von CSU, Christian Stangl, und Bündnis, Kai Kühnel, gemeinsam einen Stadtratsantrag aus dem popkulturellen Bereich stellen, ist zweifelhaft, gibt es doch genügend Politikfelder, wo sich die Ansichten der beiden diametral gegenüberstehen.

Stangl und Kühnel jedenfalls fordern gemeinsam, eines der beiden Ateliers in der mit großem Aufwand von der Stadt sanierten Ruckteschell-Villa dem Gitarristen und Sänger Tim McMillan für ein halbes Jahr kostenlos zur Verfügung zu stellen. Ganz umsonst würde der australische Musiker nach Mitteilung der neuen Stadtratskoalition auch nicht in der einstigen Künstlervilla wohnen: Er wäre einverstanden, kostenlos zwei oder drei Workshops für Dachauer Bands anzubieten, lassen die Antragsteller wissen.

Der Kulturausschuss des Stadtrats hatte vor längerer Zeit beschlossen, in einem der Ateliers der früheren Villa Walter von Ruckteschells einen auswärtigen Künstler als Stipendiaten zu beherbergen. Der Beschluss wurde allerdings wegen der Finanzkrise auf Eis gelegt, zumal sich auch die Sanierungsarbeiten an dem Gebäude aus der Zeit um 1930 wesentlich länger als geplant hinzogen und erheblich teurer wurden.

Weil auch im Haushalt 2011 keine Mittel für ein Künstlerstipendium enthalten sind, schwebt den beiden Musikfans aus dem Stadtrat die Nutzung wenigstens eines Ateliers durch McMillan vor. Nach Ansicht von CSU und Bündnis würde von dessen konkretem Engagement zum einen das Dachauer Kulturleben profitieren, zum anderen würde er die Stadt sechs Monate lang auch nach außen repräsentieren.

Tim McMillan tritt seit mehr als zehn Jahren sowohl solo als auch mit Bands auf. Sein musikalisches Repertoire reicht von Folk und Klassik über Latin Jazz und Flamenco bis zu Blues. In Dachau ist er zudem nicht ganz unbekannt: Im Dachauer Musiksommer 2010 war er im Vorprogramm von Al Di Meola zu hören, wo er die 750 Zuhörer auf dem Rathausplatz, aber auch Musikerkollegen aus der Stadt restlos begeisterte. Schon zuvor war Tim McMillan zweimal in Dachau aufgetreten und zwar - welch ein Zufall - im "Café Gramsci".

© SZ vom 05.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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