Vor dreißig, vierzig Jahren hätte sich niemand über den Hinweis aufgeregt, dass man an einer Grenze in Europa lange auf die Einreise wegen ausführlicher Passkontrollen warten musste. Nach dem Schengener Abkommen wurden im Jahr 1990 Grenzstationen aufgelöst. Und eine Fahrt von Frankreich über Genf nach Deutschland war ebenfalls problemlos, obwohl die Schweiz nicht der Europäischen Union angehört. Am Mittwochabend warteten Bürgermeister Dieter Kugler, Gemeinderäte und Gastfamilien vor dem Rathaus mehrere Stunden auf die Freunde aus der Partnergemeinde Taradeau. Um 19 Uhr sollten sie ankommen. Es wurde 21.30 Uhr. Ein Grund: Staus beim Grenzübertritt in die Schweiz. Taradeau ist ein Weinort mit ungefähr 2000 Einwohnern im Departement Var in der Provence-Alpes-Côte d'Azur.
Der Empfang war dann trotzdem herzlich, weil die Röhrmooser halt schon 25 Jahre enge Kontakte in den Weinort der Provence pflegen. Bei Freunden ist man, wie die Röhrmooser Partnerschaftsbeauftragte Delphine Hase sagt, gerne geduldig und zuvorkommend. Eine kleine Abordnung der Schönbrunner Blasmusik brachte ein bisschen Oktoberfestgefühle in die laue Abendstimmung. Auf den musikalischen Beitrag freuen sich die Taradeauer übrigens immer besonders. Bürgermeister Kugler betonte in einer kleinen Begrüßungsrede, wie sehr ihm die Freundschaft mit Taradeau am Herzen liegt. Es gelte, sie jedes Jahr zu erneuern.
Dafür hat er eine in mehrfacher Hinsicht kompetente Frau gefunden, welche die Partnerschaft mit ständigen Kontakten und Ideen organisieren soll. Die gebürtige Französin Delphine Hase wohnt seit Juli 2013 mit ihrer Familie im Röhrmooser Ortsteil Biberbach, hat Deutsch studiert und als Teamassistentin beim Airbuskonzern gearbeitet, an dem bekanntlich Frankreich und Deutschland finanziell beteiligt sind.
Es war vor zwei Jahren nicht einfach, die Nachfolge für Harald Neumann zu regeln, der nach Berlin zu seinen Kindern umzog. Aber der Zufall wollte es, dass Delphine Hase gerade dessen Haus erwarb. Und aus dem Zufall wurde Schicksal, nachdem der Bürgermeister, der ebenfalls in Biberbach wohnt, bei den Hases anklopfte und mit seinem Anliegen auf offene Türen stieß.
Seit zwei Jahren organisiert die 36-jährige Frau den Austausch mit Frankreich. Ihr Alter könnte für ihre Tätigkeit noch ausschlaggebend werden. Denn Delphine Hase möchte die Partnerschaft verjüngen. "Ich will mehr junge Menschen gewinnen", sagt sie. Die Partnerschaft ist aus dem Wunsch von KZ-Häftlingen aus der Provence entstanden, die sich eine engere Beziehung zum Landkreis Dachau wünschten. Altbürgermeister Josef Westermayr hatte 1991 zu Beginn seiner Amtszeit die ausgestreckte Hand angenommen. Delphine Hase sucht verstärkt den Kontakt zu jungen Menschen und jungen Familien. Denn sie will das Bewusstsein und das Gefühl lebendig erhalten, dass eine Freundschaft mit Frankreich vor dem Hintergrund der Geschichte etwas Großartiges und nichts Selbstverständliches ist.
Selbstverständlich ist es in den vergangenen 25 Jahren geworden, dass die Taradeuaer ihren Wein und andere Produkte aus ihrer Regionen der Provence mitbringen und auf einem Stand vor dem Supermarkt der stellvertretenden Bürgermeisterin Andrea Leitenstorfer verkaufen. Dieser kleine Markt ist über die Gemeinde Röhrmoos hinaus beliebt und bekannt.
Übrigens hat Delphine Hase ihr eigenes Frankreich durch ihre Tätigkeit neu erlebt. Ihre Großeltern, die nicht mehr leben, stammen zwar aus Südfrankreich, sie selbst ist aber in Sankt Etienne aufgewachsen, das im Zentralmassiv an der Loire liegt. Über Umweg von Frankreich nach Röhrmoos hat sie, wie sie sagt, "den Zugang zur Heimat ihrer Großeltern wieder gewonnen." Und jetzt? "Ich habe mich wieder verliebt."
Provenzalischer Markt und Weinverkauf aus dem Weinort Taradeau Freitag, 30. Oktober, zehn bis 18 Uhr, vor dem Rewe, An der Leite 1. Samstag, 1. Oktober, zehn bis 13 Uhr. Festlicher Tanz mit Abendessen im Landgasthof Brummer, Samstag, 1. Oktober, 19.30 Uhr.