Rente mit 67:Grummelnde Genossen

"Die SPD hat es versäumt, das Fußvolk mitzunehmen", sagt ein Ortsvereinsvorsitzender. An der Dachauer Parteibasis rumort es kräftig.

Gregor Schiegl und Melanie Staudinger

Solange nur eine Minderheit bis zum Alter von 65 Jahren arbeiten kann, soll es auch keinen Einstieg in die Rente mit 67 geben. Mit dieser Kompromissformel ist es dem SPD-Bundesparteivorsitzenden Siegmar Gabriel gelungen, die Parteibasis zu besänftigen. Vorerst. "Die Tendenz ist richtig", sagt die Sprecherin der SPD-Kreistagsfraktion Marianne Klaffki, "aber das Problem ist nicht gelöst." Der Konflikt schwelt weiter.

Rente mit 67: Die Sprecherin der SPD-Kreistagsfraktion Marianne Klaffki im Gespräch mit dem SPD-Landtagsabgeordneten Martin Güll.

Die Sprecherin der SPD-Kreistagsfraktion Marianne Klaffki im Gespräch mit dem SPD-Landtagsabgeordneten Martin Güll.

(Foto: DAH)

Vierkirchens Bürgermeister Heinz Eichinger übt deutliche Kritik am Zickzackkurs seiner Partei. "Erst wurde diese eminent wichtige Entscheidung hoppla-hopp gefällt", sagt der einzige SPD-Rathauschef im Landkreis. Nun rudere die Parteiführung wieder zurück. "Dieses Hin und Her passt mir nicht." Eichinger räumt allerdings ein, dass er in der Debatte selbst "hin- und hergerissen" sei: Doch in einer alternden Gesellschaft werde die Rente mit 67 nach seiner Überzeugung letztlich kommen müssen. "Ob uns das gefällt oder nicht".

Die Rente mit 67 trifft die Arbeiterpartei SPD an einem empfindlichen Nerv. "Es geht hier um Arbeitnehmerrechte", sagt Walter Wüst, Vorstandsmitglied des SPD-Unterbezirks und Ortsvereinsvorsitzender von Hilgertshausen-Tandern. Die Querelen hätten auch mit unzureichender Kommunikation in der Partei zu tun. "Das Fußvolk ist nicht mitgenommen worden", sagt Wüst. Er ist, wie Eichinger, überzeugt, "dass wir um eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit nicht herum kommen werden".

Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende im Dachauer Stadtrat, Volker C. Koch, steht der Rente mit 67 offen gegenüber, aber nur mit Modifikationen, wie er sagt. "Es müssen flexible Übergänge geschafften werden." Und das in zweierlei Hinsicht: Zum einen dürfe der Renteneintritt nicht von einen Tag auf den anderen kommen, sondern müsse sich gleitend vollziehen. Zum anderen müsse es Ausnahmeregelungen für Menschen geben, die in körperlich anstrengenden Jobs arbeiten. So sieht es auch der mit 23 Jahren jüngste SPD-Stadtrat Florian Hartmann. "Es sollte individuelle Lösungen geben." Nach der Sommerpause wollen sich auch die Jusos mit der Thematik beschäftigen.

"Ein schwieriges Thema"

Dagegen lehnt Karlsfelder Kreisrätin Hiltraud Schmidt-Kroll die Erhöhung des Rentenalters als "verkappte Rentenerhöhung" strikt ab. Natürlich müsse man auf den demographischen Wandel eine Antwort finden. Dies müsse aber in Form einer weitreichenden "gesamtgesellschaftliche Lösung" geschehen. Marianne Klaffki, ebenfalls "dezidierte Gegnerin der Rente mit 67", fordert, andere Wege zu finden, um die Renten zu sichern. Sie schlägt vor, nicht mehr nur Arbeitslöhne als "Solidareinkünfte" heranzuziehen, sondern verstärkt auf die Mittel der Vermögenden zuzugreifen. Dann brauche man auch die Rente mit 67 nicht.

"Das ist ein schwieriges Thema", sagt Anke Drexler, stellvertretende Vorsitzende des Ortsvereins Dachau. Sie sei gegen eine Rente mit 67, "wenn die Leute, die es betrifft, dann mit knackigen Abzügen leben müssen". Drexler spricht damit ein Thema an, dass die Dachauer Sozialdemokraten stark beschäftigt: In der Realität, so sagt auch der SPD-Landtagsabgeordnete Martin Güll, gebe es schlicht zu wenige Arbeitsplätze für Menschen, die älter als 50 Jahre sind. Solange sich das nicht ändere, sei eine Erhöhung des Rentenalters nicht realisierbar.

Unterdessen appelliert der Vorsitzender Industriegewerkschaft Bau Oberbayern Axel Pürkner an die Genossen "das Rentenruder herumzureißen". Die Dachauer SPD solle "intensiv Einfluss auf ihre Delegierten nehmen und diese von einer Rückholaktion bei der Rente mit 67 überzeugen". Ende September findet der Bundesparteitag der SPD statt. Thema soll auch die Rente mit 67 sein.

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