Renate Schiefer, Die Linke:Kampf dem Analphabetismus

Renate Schiefer

Renate Schiefer setzt sich für Helios-Angestellte ein.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Die Dachauer Linken-Politikerin Renate Schiefer will den Sozialismus

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Man kann Renate Schiefer als sehr konsequent bezeichnen. In ihrer politischen Haltung als Bundestagskandidatin der Partei Die Linke ist sie so strikt links, dass die Fraktionssprecherin im Bundestag, Sahra Wagenknecht, bei ihr durchfällt. Deren Haltung zu Flüchtlingen lehnt sie ab. Renate Schiefer sagt: "Ich will den Sozialismus." In ihrem praktischen Leben indes wirkt die 57-jährige Politikerin und Mutter von drei erwachsenen Kindern nicht so strikt, sucht nach Partnern für ihr zentrales Anliegen, den Kampf gegen Analphabetismus. In ganz Deutschland leiden 7,5 Millionen Menschen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren darunter. Deshalb hat die Bundesregierung das Projekt Mento aufgelegt. Renate Schiefer leitet als Angestellte des DGB-Bildungswerks das bayerische Projekt.

Sie reist durch den ganzen Freistaat und lernt Menschen kennen, die sich in einer seelischen Not befinden. Sie müssen verschweigen, dass sie Analphabeten sind. Sie müssen Techniken entwickeln, um ihre Unfähigkeit zu verschleiern. "Gib mir doch die Unterlagen nach Haus mit." Oder: "Hast Du schon gelesen, was in der Zeitung steht? - Schau doch mal nach." Es reicht nicht, mit diesen Menschen Worte und Buchstaben zu üben, die Pädagogen müssen die seelischen Nöte berücksichtigen, die zum Verlust einer zentralen Kulturtechnik führten. Also die Bruchstellen, an denen der Weg ins soziale Abseits führte. An der Intelligenz liegt es meistens nicht. Schiefer: "Viele sind wirklich gut in ihrem Job."

Donnerstag, 12. Juli: Renate Schiefer attackiert das Dachauer Klinikum, das zum Helioskonzern in Berlin gehört und malt mit Kreide folgenden Slogan auf eine Eingangstür: "Helios gewinnt, Pflege verliert". Die Polizei verzichtete auf eine Anzeige, weil Renate Schiefer keine Spraydosen verwendete. Helios-Geschäftsführer Christoph Engelbrecht unterbreitete ihr schriftlich ein Gesprächsangebot. Sie lehnte ab: Um die Beschäftigten in ihrem Widerstand gegen die miserablen und sich ständig noch verschlechternden Arbeitsbedingungen zu unterstützen, braucht es Öffentlichkeit und Organisation, keine bessere Kommunikation mit den Verursachern des Missstandes."

Aber um als Projektleiterin für Mento erfolgreich zu sein, muss sie Befürworter in der Wirtschaft finden. Ihr Ziel ist es, das Tabu zu brechen, das über dem Thema liegt. Es dürfte ihr gelingen. Die Partnerschaftsverträge sind bereits ausgearbeitet, die Unterzeichnung steht kurz bevor.

Unter einem Blickwinkel passen die strikte Haltung als Linkspolitikerin ("Ich will den Sozialismus") und die Bereitschaft gegen Analphabetismus zu kämpfen zusammen. In der Radikalität, Probleme zu benennen und ihre Lösung einzufordern. Radikal bedeutet wörtlich, etwas von den Wurzeln her betrachten. Ihr Credo lautet: "Eine humane Gesellschaft ist nur möglich, wenn es soziale Gerechtigkeit gibt." Dafür setzt sich Schiefer tatsächlich radikal ein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: