Regionalliga:Wie sich der FC Pipinsried auf die Münchner Löwen einstellt

Konrad Höß in Pipinsried, 2015

Konrad Höß, der Präsident des FC Pipinsried - ein kantiger und durchsetzungsfähiger Typ.

(Foto: Johannes Simon)

Der Dorfclub aus dem Dachauer Hinterland ist in die Regionalliga aufgestiegen - doch das bedeutet vor allem: viel Arbeit. Und einige gefährliche Spiele.

Von Benjamin Emonts, Pipinsried

Die Euphorie steigt seit Wochen. Mit einer Drohne aufgenommen und mit pathetischer Musik unterlegt, zeigt ein Video die einschneidenden Veränderungen am Stadion. Auf der Pipinsrieder Fan-Seite im sozialen Netzwerk Facebook wurde der Clip mehr als 26 000 Mal aufgerufen. Und jetzt ist es amtlich: Der Dorfverein darf kommende Saison in der Regionalliga spielen. Der Bayerische Fußballverband hat am vergangenen Montag das ausgebaute Stadion mit den neuen Sicherheitsstandards genehmigt.

Das Video im Internet stammt von einer Altomünsterer Straßenbaufirma, die sich maßgeblich an den Umbaumaßnahmen am Stadion beteiligt hat. Die Clickzahl zeigt, wie bekannt der Dorfverein aus dem Dachauer Hinterland inzwischen ist. Präsident Konrad Höß, der den Verein vor 50 Jahren gegründet hat, bekommt mittlerweile sogar Anrufe von Zeitungen aus Hamburg. Er soll die märchenhafte Erfolgsgeschichte des Dorfvereins und seines eigenwilligen Präsidenten erzählen. Der 76-Jährige ist seit Jahrzehnten auch Platzwart und Patriarch in Pipinsried. Er schafft es auf rätselhafte Weise, den hochklassigen Fußball im Dachauer Hinterland zu halten, während seine Frau im Stadion Wurstsemmeln verkauft und die Trikots der Spieler wäscht.

Als der Mannschaft am Pfingstmontag tatsächlich der Aufstieg in die Regionalliga geglückt war, behauptete Präsident Höß allen Ernstes, er sei darüber enttäuscht, weil er mit Blick auf seine Vereinskasse weitere Relegationsspiele bevorzugt hätte. Höß' Frau Kathi, so erzählt Vize Roland Küspert, wollte den Aufstieg aber unbedingt. "Sie war die größte Befürworterin." Aber der sportliche Erfolg allein reicht nicht, um in der Regionalliga zu spielen: Die strengen Auflagen für den Spielbetrieb in der vierthöchsten Liga Deutschlands wuchsen den Verantwortlichen bald über den Kopf.

Präsident Höß bezeichnete sie vergangene Woche als "Schikane" und griff öffentlich Behörden- und Verbandsvertreter an. Die anderen Vereinsmitglieder, die währenddessen am Stadion schufteten, entschuldigten sich öffentlich für die Schelte ihres Präsidenten. Sie räumten allerdings auch ein, "etwas unvorbereitet gewesen zu sein: "Wir waren uns über die Tragweite der Anforderungen anfangs nicht bewusst."

Die Bagger, Planierraupen und Lastwagen rollten trotzdem. Die Gemeinde stellte für einen symbolischen Pachtpreis mehrere Flächen neben dem Fußballfeld bereit, auf denen in kürzester Zeit der erforderliche Parkplatz mit mehr als 150 Stellplätzen gebaut wurde. Für sogenannte Risikospiele errichtete der Verein einen eingezäunten Gästeblock mit eigenem Eingang, Kiosk und 380 Stehplätzen. Um das Spielfeld wurde eine Rundumbande gezogen, um Spieler und Zuschauer voneinander zu trennen. Für Feuerwehr, Rotes Kreuz, einen Sanitätscontainer und ein Tanklöschfahrzeug wurden mehrere Stellplätze asphaltiert. Es wurden Fluchtwege, neue Treppen und Eingänge geschaffen. Die Stehplatztribüne wurde mit Betonelementen verlängert und auf der Haupttribüne 286 Sitzplätze in den Vereinsfarben blau und gelb installiert.

Um das alles bewerkstelligen zu können, bat der Verein seine Fans über Facebook öffentlich um Hilfe. Den maßgeblichen Anteil an den Arbeiten übernahmen mehr als zehn Bauunternehmen aus der Region, die unermüdlich halfen. "Ohne ihre Unterstützung hätten wir das nicht hinbekommen", sagt Küspert. Auch was die offenen Rechnungen betrifft, die laut Küspert einen sechsstelligen Betrag ausmachen, würden die Firmen dem Verein entgegenkommen, so erzählt er.

Trotzdem ist die finanzielle Anstrengung für den kleinen Verein enorm. Bei der Gemeinde Altomünster habe der Kassier bereits einen Antrag auf Förderung eingereicht; schnellstmöglich sollen jetzt Jahreskarten verkauft werden. Küspert sagt: "Wir haben immer sparsam gelebt. Aber jetzt müssen wir dringend nach Geldquellen und Sponsoren suchen."

Präsident Konrad Höß war am Montagvormittag im Radio zu hören. "Ich schimpf' immer", sagt er da in seiner gewohnt selbstsicheren Manier. Dass er stolz auf seine Mannschaft und vor allem sich selber ist, daran hat er ja nie einen Zweifel gelassen. "Das ist die Sensation, dass Sechzig und Höß mal in der Regionalliga spielen", sagt er der SZ. Der Spielplan für die Regionalliga hat die Heimpartie gegen 1860 glücklicherweise für das kommende Jahr angesetzt. Dem FC Pipinsried bleibt also noch Zeit, ein Ausweichstadion zu suchen. "Wenn die Sechziger hier wirklich mit 10 000 Fans auflaufen, würde sich das rentieren", sagt Vize-Chef Küspert. Das Saisonauftaktspiel von 1860 in Memmingen war in wenigen Minuten restlos ausverkauft. Und Höß fürchtet mit Blick auf die Sechzger-Fans: "Die reißen uns das Dorf ab."

Das erste Heimspiel trägt der FC Pipinsried am Dienstag, 25. Juli, gegen den FC Schweinfurt aus. Es handelt sich um ein so genanntes Risikospiel. Der Fan-Käfig kommt zum Einsatz.

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