Süddeutsche Zeitung

Regionalität bei Lebensmitteln:Qualität statt Optik

Eine Tonne Kartoffeln verschenkten Dachaus Landwirte im März an Discounter-Kunden. Nach den Protestaktionen gegen den Verkauf von importierten Kartoffeln verzeichnen sie nun erste Erfolge.

Anna Schultes

Der Protest der Bio-Bauern im Landkreis zeigt Wirkung. Eine Aktion, bei der die Landwirte im März eine Tonne Kartoffeln verschenkt hatten, hat bei Verbrauchern und Lebensmitteldiscountern eine intensive Debatte entfacht - und damit die Aufmerksamkeit auf die Sorgen der Bauern gerichtet. Da die Handelsketten im Frühjahr keine heimischen Kartoffeln mehr abnahmen, blieben die Erzeuger auf ihrer Ware aus dem Vorjahr sitzen. Stattdessen boten die Discounter Frühkartoffeln aus Israel und Ägypten an. Bei den Bio-Bauern im Landkreis Dachau verursachte das pro Betrieb einen wirtschaftlichen Schaden zwischen 5000 und 20 000 Euro.

Nun spüren die Landwirte erste konkrete Erfolge, die aus der Protestaktion resultieren. Ihre Kartoffeln haben sie bereits angepflanzt, die Ernte beginnt Anfang August. "Ich bin guter Hoffnung, dass es nächstes Jahr besser wird", sagt Bio-Landwirt Bernhard Ruile aus Arzbach. Die Reaktionen nach der Aktion seien sehr positiv gewesen. Ein Abpackunternehmen, das eine große Lebensmittel-Handelskette beliefert, hat wenige Tage nach einem Fernsehbeitrag über den Protest der Bauern im Auftrag des Discounters bei Ruile angerufen. Es ging darum, wie viele Tonnen Kartoffeln nächstes Jahr geliefert werden könnten. Ruile vermutet, dass der Discounter möchte, "dass Ruhe einkehrt".

Bei der Protestaktion Ende März auf dem Parkplatz des Discounters Aldi, der stellvertretend für die gesamte Handelsstruktur stehen sollte, verteilten die Bio-Landwirte in Dachau-Ost eine Tonne Kartoffeln in Zwei-Kilo-Säcken an die Kunden. So wollten die Bauern darauf aufmerksam machen, dass sie mehrere Tausend Tonnen Kartoffeln aus der Ernte im Vorjahr wegwerfen müssen. Der Protest fand im Rahmen einer bundesweiten Kampagne des Verbands der Bio-Kartoffel-Erzeuger statt, die Verbraucher auf die Problematik hinweisen sollte. In Norddeutschland, wo die heimische Ware parallel zu den Produkten aus dem Ausland angeboten wurde, griffen Kunden in der Folge vermehrt zu einheimischen Kartoffeln.

Unsere Aktion hat deutschlandweit das größte Aufsehen erregt", sagt Bio-Landwirt Arthur Stein aus Röhrmoos. Es sei gelungen, die Medien zu mobilisieren und so überregional auf die Nöte der heimischen Erzeuger hinzuweisen. Stein freut sich über die vielen guten Gespräche, die die Bauern mit Verbrauchern geführt haben. Vielen sei gar nicht bewusst gewesen, dass es heimische Ware gäbe, aber im Supermarkt nicht angeboten wird. "Die Optik entscheidet, nicht die Qualität", erläutert Richard Wirthmüller das Vorgehen der Händler. Auch der Landwirt aus Odelzhausen beteiligte sich an der Protestaktion. Die Frühkartoffeln sehen schöner aus und haben eine hellere Schale, da sie frisch aus dem Boden kommen. Die heimischen Kartoffeln hingegen werden bereits im August und September geerntet.

Doch anders als von den Handelsketten oft behauptet, setzen viele Verbraucher auf Regionalität und Geschmack. In Ruiles Hofladen herrscht seit der Aktion "ein Run auf die Kartoffeln wie nie zuvor". Die Ware, die sich gut gehalten hat, möchte er bis Mitte Juni anbieten. Trotzdem muss er 150 Tonnen aus seinem Lager statt zum Verzehr zur Energiegewinnung in Biogasanlagen und als Tierfutter verwerten. Ebenso geht es Wirthmüller. Der Bio-Landwirt ist überzeugt, dass der einzig richtige Weg über den Verbraucher führt. Denn: "Allein der Kunde entscheidet mit seinem Kaufverhalten, was in den Läden angeboten wird."

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SZ vom 30.05.2012
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