Süddeutsche Zeitung

Reden wir über:Wohl und Wehe der Wanderlust

Wie Martina Demel seit mehr als 15 Jahren Kröten rettet

Interview von Johanna Hintermeier, Dachau

- Jedes Jahr stellt der Bund Naturschutz in Dachau Krötenzäune auf. Martina Demel erläutert die Aktion, die sie seit mehr als 15 Jahren koordiniert und durchführt, um die Tiere zu retten.

SZ: Frau Demel, die Krötenzäune werden bald wieder aufgestellt - wegen des Klimawandels früher als sonst?

Martina Demel: Die Kröten beginnen bei deutlichen Plusgraden und feuchter Witterung zu wandern. Doch die Stürme der vergangenen Wochen hat sie trotz höherer Temperaturen davon abgehalten. Wir stehen jedes Jahr wieder vor der Unsicherheit, wann wir die Zäune aufbauen sollen. Aus der Erfahrung lässt sich sagen, dass wir aber beständig ab Mitte März Kröten in den Eimern sammeln.

Seit wann sammeln Sie die Kröten?

Seit 2005 haben wir Zäune, davor haben wir eigenhändig die Kröten von der Straße geholt. Mit Taschenlampe, Stirnlampe und Warnweste bin ich die Gröbenrieder Straße abgegangen, mein Mann ist mit Warnblinker im Auto hinter mir hergefahren, um mich zu schützen. Das wurde aber zu umständlich und ineffizient. Sobald wir mit Zäunen und Eimern gesammelt haben, konnten wir fünfmal so viele Tiere retten.

Welche Daten sammeln Sie über die Kröten und welche Veränderungen gibt es?

Wir erfassen die Stelle, wo die Tiere die Straße überqueren wollten, die Gattung und das Geschlecht. Zum Beispiel: fünf männliche, zwei weibliche Erdkröten und ein Grasfrosch im 30. Eimer an der Gröbenrieder Straße. Das Geschlecht ist sehr wichtig, bei der Einweisung der Helfer zeigen wir die jeweiligen Merkmale. Die Männchen haben drei schwarze Finger und quaken, wenn man sie unter den Achseln hochnimmt, die Weibchen sind an dem mit Eiern prall gefüllten Bauch zu erkennen. Auffällig ist, dass die Wanderung im Stadtwald abnimmt, es gibt zwar auch immer natürliche Schwankungen, beispielsweise waren es 2008 850 Tiere. 2009 waren es dann 2264 Tiere. Nun ist es aber tatsächlich ein Trend, dass viel weniger Tiere am Wald gesammelt werden. Wir vermuten, dass der Wald westlich des Landschaftssees nun ein attraktiverer Lebensraum geworden ist und sich die Population einfach dorthin verlagert hat.

Sind permanente Lösungen wie Krötentunnel irgendwann geplant?

Schön wär's, aber wir sind in dieser Sache noch nicht aktiv geworden. Solche Maßnahmen werden dann gezahlt und geplant, wenn neue Straßen gebaut werden. Krötentunnel in bestehende Straßen zu bauen, ist sehr aufwendig und teuer.

Was sind neben der Straße noch Gefahren, denen die Kröten ausgesetzt sind?

An der Schindlerkreppe gibt es das Problem, dass die Kröten parallel und auf der Straße wandern. Vor allem die Männchen setzen sich entgegen der Wanderrichtung hin und warten auf Weibchen - das ist natürlich ungünstig auf der Straße. Deswegen mussten wir den Zaun verlängern. Und natürlich sind Autofahrer nicht nur gefährlich, weil sie Kröten überfahren. Bei einem Tempo höher als 30 entwickelt sich ein Strömungsdruck unter dem Auto, der die Tiere buchstäblich zerquetscht. Man erkennt dies daran, dass Kröten auf der Straße liegen, denen die Zunge oder Teile der Innereien aus dem Mund hängen.

Wie groß ist das Angebot an Helfern für das Einsammeln der Kröten?

Vergangenes Jahr waren es sehr viele - und durch Zeitungsaufrufe kommen immer einige dazu. Sehr aufwendig ist die Planung der Dienste. Da brauche ich dringend Unterstützung. Werbung machen wir außerdem durch Umweltbildung mit Kindergartengruppen und dieses Jahr mit vier Klassen aus der Grundschule Dachau-Süd bei einem Umwelttag. Aus dem Kindergarten wurde mir erzählt, dass die Kinder am Ende des Jahres sagen: "Das mit den Kröten war das Schönste."

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Quelle:
SZ vom 29.02.2020
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