Reden wir über:Verkannte Chancen

Gesellenstücke

Kreishandwerksmeister Ulrich Dachs sieht im Handwerk vielerlei Chancen.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Ulrich Dachs über Gründe für die Nachwuchsprobleme im Handwerk

Interview Von Renate Zauscher

Das Handwerk hat Nachwuchsprobleme: eine Situation, die Ulrich Dachs (), Kreishandwerksmeister für die Bereiche Stadt und Landkreis Dachau, Sorgen bereitet. Seit geraumer Zeit mahnt er vor den Folgen für die 2850 Betriebe, die er vertritt. Zuletzt beim Neujahrsempfang der Kreis-Handwerkerschaft. Die SZ Dachau hat mit Ulrich Dachs über die Gründe für den Mangel an Ausbildungswilligen gesprochen und über Strategien, um diesem Mangel abzuhelfen.

Herr Dachs, Sie stellen seit längerem nachlassendes Interesse an einer Ausbildung im Handwerk fest. Welche Berufszweige sind hier besonders betroffen?

Ulrich Dachs: Das sind besonders Berufe im Bereich der Nahrungsmittelherstellung, Bäcker zum Beispiel oder Metzger. Oder auch das Friseurhandwerk. In der Gastronomie ist es ähnlich, allerdings wird hier der Bedarf derzeit noch durch Menschen mit Migrationshintergrund abgedeckt.

Welche Gründe sehen Sie für diese Entwicklung?

Das Handwerk hat in der Öffentlichkeit nicht mehr den Stellenwert wie früher. Alle Jugendlichen sollen in die akademische Laufbahn getrieben werden - sie sollen oder müssen Abitur machen, egal ob das ihren Begabungen entspricht oder nicht. Vermeintliche "Klassenunterschiede" zwischen Akademikern und Nicht-Akademikern machen uns zu schaffen.

Wie sehen Sie die Rolle der Eltern bei der Entscheidung pro oder kontra Handwerksberuf ein?

Die Eltern schätzen nicht mehr in ausreichendem Maß, welche Chancen das Handwerk bietet. Sie wissen gar nicht mehr, wozu das Handwerk fähig ist. Handwerk hat goldenen Boden, heißt es - das gilt heute wie eh und je: Ich kann im Handwerk durchaus gutes Geld verdienen und habe einen nahezu krisensicheren Arbeitsplatz. Darüber hinaus können die jungen Leute nach der Ausbildung den Meister machen, auch das Abitur nachholen, können studieren, sie können eine duale Ausbildung machen.

Bleiben Leute, die sich nach der Ausbildung für ein Studium entscheiden, dem Handwerk erhalten?

Ein Großteil dieser Leute bleibt nicht im Handwerk - sie brechen für uns weg. Letztlich bleibt nur im Handwerk, wer seinen Meister macht. Wir brauchen Leute, die Verantwortung übernehmen, die Betriebe weiterführen können. Wenn der Metzger, der Bäcker vor Ort verschwindet, hat das enorme Auswirkungen für die örtliche Versorgungsstruktur. Und es fallen Arbeitsplätze weg.

Wie wollen Sie dem Mangel an Ausbildungswilligen entgegenwirken?

Wir gehen auf Jobbörsen, etwa hier in Dachau am 4. Mai. Und ich schreibe in Ausbildungsmagazinen über die Situation, bin mit der örtlichen Presse in Kontakt. In den Schulen finden Berufstage statt, in den Mittel- und Realschulen werden verpflichtende Berufspraktika angeboten. Ich bin auch auf Facebook aktiv, es gibt unsere Homepage und das "Bildungsnavi", eine App, die man herunterladen kann.

Nutzen Sie das Potenzial der Menschen, die als Asylsuchende nach Deutschland gekommen sind?

Ja, wir versuchen, sie über Praktika in Ausbildung zu bringen. Natürlich müssen sie über entsprechende Deutschkenntnisse verfügen. Wir sind hier in engem Kontakt mit dem Landratsamt und versuchen, alles möglich zu machen, solange es im rechtlichen Rahmen ist. Auch wer keinen Flüchtlingsstatus erhalten hat und nur noch über eine sogenannte Duldung verfügt, ist nicht chancenlos. Es geht immer noch etwas in Zusammenarbeit zwischen uns, der Handwerkskammer und dem Landratsamt. Dort weiß man, welche Wege zu gehen sind. Ich bin der Ansicht: Wer hier gebraucht wird und sich integriert hat, soll nicht abgeschoben werden.

Versuchen Sie, im Sinne einer für das Handwerk sinnvollen Flüchtlingspolitik ähnlich wie die IHK auch politisch aktiv zu werden?

Das machen die Handwerkskammer oder auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks. Dort setzt man sich überörtlich ein, zum Beispiel für die 3+2-Regelung, die dem Ausbildungsbetrieb die Sicherheit gibt, dass man den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin auch nach der Ausbildung noch mindestens zwei Jahre weiterbeschäftigen kann.

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