Reden wir über:Geschichten aus dem Leben

Lesezeit: 2 min

Jürgen Poeschel gründete das Dachauer Erzählcafé. (Foto: oh)

Wie Jürgen Poeschel im Erzählcafé Kommunikation fördert

interview Von Franziska Hofmann

Jeder Mensch hat eine einzigartige Lebensgeschichte, die ihn ausmacht. Doch nur wenige erkennen die Besonderheit und erzählen sie weiter. Das war der Grund für Jürgen Poeschel, das Dachauer Erzählcafé beim Treffpunkt 50+ des Caritas Zentrums Dachau zu gründen. Seit 2007 gibt es drei bis vier Erzählrunden pro Jahr, in denen ein oder mehrere Gäste aus ihrem Leben erzählen. Sie fanden so großen Anklang, dass an diesem Wochenende bereits das 30. Erzählcafé stattfindet. Im Gespräch mit der SZ erklärt Poeschel, welche Besonderheiten er sich für das Jubiläum ausgedacht hat und was ihn antreibt.

SZ: Herr Poeschel, warum haben Sie das Erzählcafé eingeführt?

Jürgen Poeschel: Ich habe festgestellt, dass man oft nicht einmal über die Geschichte des eigenen Nachbarn Bescheid weiß. Vielleicht hat er ja eine besondere Geschichte. Man kennt sich einfach nicht mehr so, wie es früher auf dem Land der Fall war. Durch die Veranstaltungsreihe fördern wir die Kommunikation mit den Mitbürgern.

30 Veranstaltungen mit interessanten Nachbarn, gestaltet es sich nicht schwierig, immer neue Erzähler zu finden?

Nach zehn Veranstaltungen dachte ich, jetzt wird es eng. Aber nun könnte ich auf Jahre hinaus Leute benennen. Manchmal gibt es auch mehrere Erzähler gleichzeitig, oder einer kommt öfter, weil er in zwei verschiedenen Richtungen interessant ist. Oft ist es aber auch gut, etwas über Dachau hinaus zu schauen. Und sogar Menschen, an die man sich mit der Caritas Seniorengruppe kaum heran trauen würde, sagen spontan 'Ja, ich komme'.

Seit dem dritten Erzählcafé stemmen Sie die Suche und die Moderation alleine.

Das ist viel Arbeit, aber es macht auch viel Spaß. Ich habe mit den Erzählern ein Vorgespräch und moderiere dann das Café. Manche brauchen da eine Steuerung, andere sind richtige Plaudertaschen, deshalb bin ich aktiver Moderator. Oft kommen auch ganz andere Aspekte auf, als im Vorgespräch.

Hinter Ihnen liegen 29 Erzählcafés. Gibt es eines, das Ihnen besonders in Erinnerung blieb?

Mein Highlight war eines, bei dem ganz viele erzählt haben. Ich habe frühere Bewohner des Flüchtlingslagers gebeten zu kommen. Da haben sich Dutzende gemeldet, auch Ehemalige aus dem US-Camp in Dachau waren dabei. Die Kinder hatten die besten Erinnerungen, weil sie immer jemanden zum Spielen hatten. Es gab nichts von außen, keinen Sozialneid. Alle lebten auf dem gleich bescheidenen Lebensstandard.

Die bisherigen Erzähler haben Sie auch in die 30. Ausgabe aufgenommen. Wie kann man sich die Jubiläumsveranstaltung vorstellen?

Im Nachhinein ist das etwas komplex geraten. Das wichtigste war mir die Gestaltung einer Rückschau. In einer Portraitgalerie werden alle 30 Veranstaltungen und deren Erzähler mit Fotos und Textinfos noch einmal vorgestellt. In einem anschließenden Quiz müssen die Zuhörer anhand von Geschichten erraten, um welche Veranstaltung es sich handelt. Aber ein Erzählcafé kommt natürlich nicht ohne Erzähler aus.

Der Ehrengast des Jubiläums ist bislang geheim. Wann und wie lüften sie das Geheimnis?

Der Erzähler ist hinter einem Vorhang und reicht nur eine Hand heraus. Dann liest eine Wahrsagerin, eine Dame aus dem Treffpunkt, aus seiner Hand, was er bereits getrieben hat. Ab einem bestimmten Zeitpunkt darf man raten. Interviews muss der Gast wahrscheinlich nicht lange geben, da ihn fast jeder kennt.

Das Erzählcafé findet am Samstag, 30. Januar, um 14 Uhr im Caritas Zentrum Dachau statt.

© SZ vom 30.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: