Reden wir über:Einen Mann für alle Fälle

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Hartmut Baumgärtner über die Auswirkungen der Gesetzesnovelle

Von Julia Putzger, Dachau

Als Kreisbehindertenbeauftragter und Behindertenbeauftragter der Stadt Dachau setzt sich Hartmut Baumgärtner schon seit vielen Jahren ehrenamtlich für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung ein. Außerdem berät der 72-jährige die Verantwortlichen bei der Umsetzung der Ziele des Bayerischen Behindertengleichstellungsgesetz (BayBGG). 17 Jahre nach Inkrafttreten wurde es nun überarbeitet und tritt in neuer Form an diesem Samstag, 1. August, in Kraft. Kernstück der Gesetzesnovelle ist die Verbesserung der Barrierefreiheit sowohl im baulichen Bereich als auch im Bereich der Kommunikation mit Behörden, außerdem erhalten kommunale Behindertenbeauftragte wie Hartmut Baumgärtner Weisungsfreiheit.

SZ: Herr Baumgärtner, was für Veränderungen ergeben sich durch die Novelle des Bayerischen Behindertengleichstellungsgesetz (BayBGG), die auch hier im Landkreis zu spüren sind?

Hartmut Baumgärtner: Für mich als Behindertenbeauftragten und auch bei der Umsetzung der Vorgaben änder sich erst mal gar nichts - weil die Barrierefreiheit im Landkreis und in der Stadt nämlich kein Thema mehr ist, das zur Diskussion steht. Ich habe überall Mitspracherecht und meistens planen die Behörden auch ohne mein Zutun entsprechend. Und wenn es doch eine Benachteiligung gibt, dann würden diejenigen trotzdem zu mir kommen. Was allerdings neu ist, ist das Anrecht auf einen Gebärdensprachdolmetscher, der auch von der Behörde bezahlt werden muss. Da gibt es viele formale Hürden, mit denen muss ich mich noch auseinandersetzen.

Das klingt so, als hätten sie sich von der Gesetzesnovelle eigentlich mehr erwartet.

Was wir auch in Bayern unbedingt bräuchten, ist eine Schlichtungsstelle. Solche Stellen gibt es in anderen Bundesländern und sie ersparen oft einen Gerichtsprozess.

Abgesehen vom BayBGG: Wo besteht weiterer Handlungsbedarf, um die Teilhabe von Behinderten am gesellschaftlichen Leben zu verbessern?

Es gibt natürlich immer Handlungsbedarf. Besonders die Angebote in leicht verständlicher Sprache und in Gebärdensprache müssen besser ausgebaut werden. Es heißt zwar immer, dass die Gebärdensprache schon anerkannt ist, aber kaum einer kennt sich aus. Ich organisiere deshalb zum Beispiel mit der VHS einen Gebärdensprachkurs. Auch ein Problem sind die Leitlinien für Sehbehinderte, die oft nur teilweise ausgebaut sind. Zum Beispiel komme ich zwar in Dachau bis zum Rathaus, dort muss ich mir dann aber doch wieder Hilfe suchen.

Sie sagten, dass die Barrierefreiheit im Landkreis von den Behörden eigentlich immer mitgedacht wird. Aber warum gibt es dann nicht mehr Infrastruktur für Menschen mit Behinderung?

Die Umsetzung solcher Maßnahmen ist natürlich immer eine finanzielle Frage. Es gibt einen Ermessensspielraum, das Ganze muss machbar sein. Ich kann immer nur daran appellieren. Gerade jetzt wird es aber vermutlich noch schwieriger, wenn die Stadt durch Corona weniger Geld zur Verfügung hat. Wir müssen Kompromisse finden.

Wie hat sich Ihre Arbeit durch Corona verändert?

Meine Beratungstermine haben nun eben telefonisch stattgefunden, das war aber kein Problem. Schwierig war die Situation aber vor allem für allein lebende, ältere Menschen. Die Einstufung des Pflegegrads musste zum Beispiel auch telefonisch stattfinden, aber wenn die Betroffenen dann sagen, ihnen geht es gut, dann kommt da null raus. Da musste ich mich dann noch mal drum kümmern.

Nicht in jeder Landkreisgemeinde gibt es einen Behindertenbeauftragten. Was hat das zur Folge?

Der Indersdorfer Gemeinderat ist für dieses Thema zum Beispiel gar nicht offen: Da heißt es: Wir haben ja den Kreisbehindertenbeauftragten. Wenn es dort also ein Problem gibt, dann fällt das in meinen Zuständigkeitsbereich und ich muss mir das vor Ort anschauen. Manchmal muss ich dann also etwas außerhalb meiner Bürozeiten nacharbeiten, aber ich kann nicht sagen, wie viele Stunden das insgesamt sind. Außerdem mache ich meine Aufgabe ja gerne, ich will meine Erfahrungen weitergeben und helfen.

© SZ vom 01.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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