Radeln in Dachau:Sie kämpfen für die Rechte der Radfahrer

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Für ein friedliches Miteinander im Dachauer Straßenverkehr setzen sich die Teilnehmer der Critical-Mass-Bewegung ein. (Foto: Toni Heigl)

Seit genau einem Jahr radelt eine Gruppe der "Critical-Mass"-Bewegung regelmäßig durch Dachau. Sie will damit das Klima zwischen Fahrrad- und Autofahrern verbessern.

Von Thomas Altvater, Dachau

Der Name passt. "Critical Mass", also eine "kritische Masse", nennen sich die ungefähr 20 Radler, die einmal im Monat, immer am letzten Freitag, über die Straßen Dachaus fahren. "Wir wollen damit den Radverkehr sichtbar machen", sagt Michael Kraus, der Mann an der Spitze der Gruppe. Die Radler bilden keinen Demonstrationszug, sie sind nicht organisiert, ihr Anliegen übermitteln sie nur mit ihrer Präsenz. Seit nun genau einem Jahr findet die Critical Mass regelmäßig in Dachau statt. Dem Miteinander im Verkehr der Kreisstadt stellt Kraus, der lange Jahre im Vorstand des Dachauer ADFC saß, allerdings kein gutes Zeugnis aus.

"Das Klima auf den Dachauer Straßen ist schlecht, sehr schlecht", sagt er. Fahrradfahrer würden angehupt werden, wenn sie auf der Straße fahren. Hinzu kommen aggressive Überholmanöver mit wenig Abstand und hoher Geschwindigkeit. Es gebe zwar insgesamt nur wenige solcher Autofahrer, sagt Kraus. Aber: "Wer täglich mit dem Rad zur Arbeit fährt, dem begegnen pro Stunde etwa 1 000 Fahrzeuge. Wenn sich nur jeder 500. Autofahrer aggressiv verhält, dann kommt es jeden Tag zu zwei gefährlichen Situationen - und das ist einfach zu viel." Beweisen kann Kraus das mit den Erfahrungen, die die radelnde Gruppe das Jahr über gemacht hat. Immer wieder gebe es kritische Situationen, sagt er. Gleich bei der Premieren-Fahrt im Januar 2018 sei die Gruppe von einem Autofahrer wüst beschimpft worden. Dabei geht es den Radlern nicht um das Aufbauen von Fronten. Vielmehr stehe im Vordergrund, diese zu beseitigen, erklärt Kraus.

"Es gibt Rechte für die Radler und wir fordern, dass diese eingehalten werden"

Dass die Fronten zwischen den Rad- und Autofahrern, tatsächlich oft verhärtet sind, zeigt sich regelmäßig in den sozialen Netzwerken. Kaum ein Thema wird dort so intensiv diskutiert wie dieses. Da ist die Rede von "Kampfradlern", die immer wieder rote Ampeln überfahren würden oder bei Dunkelheit ohne Licht unterwegs seien; genauso wie von "Rowdies" unter den Autofahrern, die die Radfahrer absichtlich besonders knapp und mit hohem Tempo überholen.

Genau hier will die Critical-Mass-Bewegung ansetzen. "Uns geht es um das friedliche und stressfreie Miteinander auf der Verkehrsfläche", sagt Kraus. Mit gutem Vorbild vorangehen, zeigen, wie es am besten funktioniert. Grundsatz der Bewegung ist, dass sich die Radler an die Verkehrsregeln halten. Häufig ist es Unwissenheit, die zu gefährlichen Situationen zwischen Fußgängern, Radlern und Autofahrern führt: "Viele Radler kennen sich einfach nicht mit den genauen Regeln aus", sagt Kraus. Er nutzt die Fahrten deshalb auch dazu, um die Radfahrer aufzuklären. Als Beispiel nennt er die Radwegbenutzungspflicht, die Fahrradfahrer dazu verpflichtet, auf eigens gekennzeichneten Radwegen zu fahren. "Doch davon gibt es in Dachau nur wenige und Gehwege gehören nicht dazu", sagt Kraus. Gibt es keinen Radweg, müssen die Radler auf die Straße ausweichen. Dort gelte beim Überholen ein Mindestabstand von 1,5 Metern, sagt Kraus in Richtung der Autofahrer. "Es gibt Rechte für die Radler und wir fordern, dass diese von allen Verkehrsteilnehmern eingehalten werden."

Bis zu 30 Radfahrer fahren ungefähr eine Stunde durch Dachau, um gesehen zu werden

Ein solches Recht, das die Gruppe für sich nutzt, ist Paragraf 27 der Straßenverkehrsordnung. Dort heißt es, dass mehr als 15 Radfahrer mit gleicher Strecke einen sogenannten Verband bilden. Sie dürfen dann zu zweit nebeneinander auf der Straße fahren, also eine ganze Spur einnehmen. Wenn die Spitze der Gruppe eine Ampel bei Grün überquert, darf der Rest folgen, auch wenn die Ampel bereits auf Rot umgeschaltet hat.

Ihren Ursprung hat die radelnde Bewegung 1992 in San Francisco. Die Gruppe dürfte damals vermutlich ähnlich groß gewesen sein wie jene in Dachau heute. Je nach Witterung fahren bis zu 30 Radfahrer ungefähr eine Stunde durch Dachau. "Das ist schon etwas, das die Autofahrer sehen", sagt Kraus. Zuletzt stagnierte die Anzahl der Radler, anders als im Rest der Bundesrepublik, wo es mittlerweile mehr als 100 solcher Gruppen gibt. Die größten fahren durch Hamburg oder Berlin, mit oft mehreren Tausend Teilnehmern.

© SZ vom 03.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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