Pure Lebensfreude:Die Stimmgewaltigen

Die Singgemeinschaft Karlsfeld blickt auf 50 Jahre Geschichte zurück. Ihre Auftritte im In- und Ausland waren stets umjubelt. Heute ist es stiller um sie geworden - es fehlt an Nachwuchs

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Wer singen will, geht in den Chor. Doch so einfach war das nicht immer. In den 1960er Jahren gab es in Karlsfeld noch keinen. Wer damals seine Stimme in voller Bandbreite erklingen lassen wollte, musste in die Kirche gehen. Heute hat man dagegen die Wahl zwischen verschiedenen Gesangsvereinen. Der älteste ist die Singgemeinschaft Karlsfeld, sie feiert heuer ihr 50-jähriges Bestehen - allerdings nur im kleinen Kreis, ohne großes Aufhebens. Große Auftritte, große Feiern, das gab's früher öfter: Sängerwettbewerbe und Großveranstaltungen in Holland, Italien oder Norddeutschland, und die Karlsfelder begeisterten das Publikum mit ihren schönen Stimmen. Doch inzwischen sind solche Auftritte rar geworden. Der Verein ist nicht mehr ganz so reiselustig, verstummt sind die Sänger deshalb aber noch nicht, nur ein wenig älter geworden. Der alljährliche Hoagartn findet immer noch kurz vor Ostern statt, nächstes Jahr zum 35. Mal, auch die Weihnachtskonzerte in Karlsfeld sind eine feste Einrichtung. Doch wenn die Sängergemeinschaft sich zum 50. etwas wünschen dürfte, dann wäre es Nachwuchs.

Pure Lebensfreude: Der diesjährige Auftritt der Singgemeinschaft im Bürgerhaus.

Der diesjährige Auftritt der Singgemeinschaft im Bürgerhaus.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

"Das beste an unserem Kreis ist die besondere Kameradschaft", wirbt Ingrid Brünich für den Verein. Die Kulturreferentin ist seit 40 Jahren Mitglied in der Singgemeinschaft. Wunderbare Freundschaften seien dort entstanden, schwärmt sie. "Das war schon immer so. Wer zu uns kommt, der bleibt meist lange dabei." Und mit Geselligkeit und Freude am Singen hat der Chor auch angefangen: im Fasching 1967.

Der damalige Bürgermeister Bruno Danzer, Kulturreferent Nikolaus Kathrein sowie Klaus Heller, der späterere Leiter des Kirchenchors von St. Josef, saßen in gemütlicher Runde beisammen. Die Stimmung war fröhlich, ja ausgelassen. Da stimmte einer das Lied an: "So ein Tag, so wunderschön wie heute". Die Männer legten sich stimmgewaltig ins Zeug. "Eine tolle Runde", fanden sie. "So müsste man öfter gemeinsam singen." Kathrein nahm die Sache in die Hand, lud jeden ein, der gerne singt und gründete die Singgemeinschaft. Im März 1968 fand die erste Probe im Pfarrheim von St. Josef statt. Haller übernahm die Leitung. Noch im selben Jahr hatte der Chor seinen ersten öffentlichen Auftritt - ein wunderbarer Auftakt.

Pure Lebensfreude: Der alljährliche Hoagartn findet immer noch kurz vor Ostern statt, nächstes Jahr zum 35. Mal.

Der alljährliche Hoagartn findet immer noch kurz vor Ostern statt, nächstes Jahr zum 35. Mal.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Traudl Korn ist die einzige, die damals mit dabei war. Sie ist inzwischen 81 Jahre. Bis zum vergangenen Weihnachtsfest hat sie immer noch kräftig mitgemacht, wenn der Chor aufgetreten ist, doch jetzt fällt ihr das Stehen schwer und auch der Sopran verlangt Höhen, die sie nun nicht mehr so leicht erreichen kann. Deshalb kommt sie nur noch zu den Feiern. Aber sie erinnert sich gern an all die vielen Auftritte.

Bekannt wurde die Singgemeinschaft vor allem mit dem Beitritt zum Bayerischen Sängerbund und dem Isar-Ilm-Sängerkreis. Gerda Baumgartner, die den Chor in den 1970er Jahren leitete, meldete die Karlsfelder an, um auch bei Wettbewerben mitzumachen. Außerdem knüpften die Sänger so Kontakte. "Dort konnte man sich gut orientieren", sagt Brünich. Heute ist die Sängergemeinschaft eine von 14 Landkreischören.

Pure Lebensfreude: Seit fast 35 Jahren ist derHoagart eine der wichtigsten Konzerte der Sänger.

Seit fast 35 Jahren ist derHoagart eine der wichtigsten Konzerte der Sänger.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

In den 1980er Jahren verewigten die Sänger ihre Stimmen sogar auf einer Schallplatte. Zusammen mit dem Musikverein boten sie vor allem Bayerisches und Volkslieder dar. Die Konzerte wurden häufiger, besonders als Elfriede Roth die Sänger dirigierte: Neben Auftritten in sozialen Einrichtungen wie dem Altenheim sang man etwa zur Eröffnung des Bürgerhauses, Roth setzte sich aber auch sehr für den Hoagart ein - mit Erfolg. Sogar der Bayerische Rundfunk wurde auf die Karlsfelder aufmerksam und sendete 1986 und 1987 aus dem Bürgerhaus. Doch die Blütezeit der Singgemeinschaft war in den 1990er Jahren.

Pure Lebensfreude: Dass sich seit der Gründung der SinggemeinschaftKarlsfeld einiges verändert hat, zeigt das Foto von 1968.

Dass sich seit der Gründung der SinggemeinschaftKarlsfeld einiges verändert hat, zeigt das Foto von 1968.

(Foto: Privat)

Auf einem Konzert lernten die Karlsfelder einen Männerchor aus Mühlheim an der Ruhr kennen. Mit ihm traten sie fortan öfter auf. Man besuchte sich gegenseitig oder bestritt gemeinsam Ausflüge und Konzerte, zum Beispiel in Holland. So sangen die Karlsfelder im Orgelmuseum in Haarlem. Es war ein Konzert mit anderen Chören. Oder sie traten bei der Landesgartenschau in Mühlheim auf, sorgten für feierliche Stimmung auf dem Christkindlmarkt in Wien, auch zu Weinproben am Neusiedlersee traten sie mehrfach auf. "Bei allen Ausflügen, die wir unternommen haben, sangen wir immer in den Kirchen", erinnert sich Brünich. Wo sie überall waren, das weiß sie nicht mehr so genau, aber sie denkt gerne an diese Zeit zurück. Mehr als 30 Sänger hatte der Chor damals, heute sind es nur noch etwa 20. Die Freundschaft zu dem Männerchor in Mühlheim ist eingeschlafen. "Die Vorstände sind gestorben, der Kontakt abgebrochen, das war schade", sagt sie. "Es wäre gut, wenn wieder Jüngere dabei wären." Inzwischen liegt das Durchschnittsalter der Singgemeinschaft bei Mitte 60. Drei Junge haben sich schon dazugesellt. Das gibt Hoffnung.

Wer Lust hat zu singen, ist willkommen. Der Chor probt jeden Montag um 19.30 Uhr im Konferenzraum des Bürgerhauses. Seit den 1980er Jahren haben die Sänger dort ihr Quartier. "Wir singen alte Volkslieder aus dem alpenländischen Raum, Bayerisches, aber auch Oldies und Auszüge aus Operetten. 'Die Forelle' von Schubert oder 'Weit, weit weg' von Hubert von Goisern", sagt Brünich. Den Chor leitet seit 2015 Wolfgang Krämer. Er ist studierter Pianist und Musiklehrer, außerdem hat er die musikalische Leitung der Musikschule inne. Auch bei der Wahl seiner Vorgänger legte die Singgemeinschaft übrigens immer großen Wert auf gute Dirigenten. Josef Putz, ein Dachauer Komponist führte die Karlsfelder oft ins benachbarte Ausland auf Konzertreisen. Florian Ludwig dirigierte auch die Staatskapelle Weimar und die Münchner Symphoniker, und Volker Hiemeyer war oft beim Philharmonischen Orchester Bad Reichenhall.

Das nächste große Konzert der Singgemeinschaft ist wohl Anfang Dezember in der Korneliuskirche in Karlsfeld - es ist das traditionelle Weihnachtssingen.

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