Prozess vor dem Landgericht München:Angst vor Virus führt zum Streit

Angeklagte soll Mitbewohner mit Messer attackiert haben

Von Andreas Salch, Vierkirchen/München

Sein Traum sei es "eine Frau kennenzulernen, Kinder zu haben und ein geregeltes Leben zu führen." Bis dieser Traum Wirklichkeit wird, könnten noch viele Jahre vergehen. Denn der 23-Jährige, der zuletzt in einer Asylbewerberunterkunft in Vierkirchen lebte, soll dort einen anderen Migranten mit einem Messer attackiert haben. Seit diesem Mittwoch muss sich der Angeklagte vor dem Schwurgericht am Landgericht München II verantworten. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen versuchten Totschlags erhoben.

Das mutmaßliche Opfer soll den Angeklagten am Vormittag des 22. März dieses Jahres, einem Sonntag, im Vorbeigehen berührt haben. Dass habe ihn geärgert, sagte der 23-Jährige zum Auftakt der Verhandlung. Er habe befürchtet, der Mitbewohner könnte ihn mit dem Coronavirus infizieren. Außerdem habe der Mann zu ihm gesagt, er sei ein "Trunkenbold". Darüber sei es zum Streit gekommen. Feststeht, der Angeklagte war zu diesem Zeitpunkt noch vom Abend zuvor völlig betrunken. Um 12.46 Uhr am Mittag jenes 22. März hatte der Angeklagte noch eine Blutalkoholkonzentration von 1,45 Promille.

Glaubt man dem 23-Jährigen, sei er kurz nachdem ihn sein Mitbewohner berührt hatte, zu dessen Wohncontainer, um ihm zu erklären, dass er ihn nicht beleidigen und auch nicht berühren solle, da er fürchte sich mit dem Coronavirus infizieren zu können. Bei dem Versuch dies seinem Mitbewohner klar zu machen, hatte der Angeklagte ein Messer in der Hand. Er habe es in der Gemeinschaftsküche nicht liegenlassen wollen, sagte er bei seiner Vernehmung. Statt eines Gesprächs mit seinem Mitbewohner sei es aber erneut zum Streit gekommen. Dabei habe dieser ihm sein Messer abgenommen. Er sei daraufhin gegangen, jedoch nach einiger Zeit nochmals zurückgekehrt. Der 23-Jährige hatte nun ein anderes Messer dabei. Es kam wieder zu einem heftigen Streit. Der Angeklagte sagte, nicht er habe seinen Mitbewohner mit einem Messer attackiert. Vielmehr sei dieser auf ihn los gegangen, habe ihn geschlagen, getreten und ihm Kopfstöße versetzt. Dabei sei ihm das Messer aus der Hand gefallen. "Ich habe keinen Versuch unternommen, ihm weh zu tun", versicherte der 23-Jährige den Richtern. Die Staatsanwaltschaft geht jedoch von einem anderen Verlauf der Auseinandersetzung aus. Der Prozess dauert an.

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