Prozess am Landgericht:Im Wahn Feuer gelegt

Ein Software-Ingenieur zündet das Haus von Freunden an. Stimmen in seinem Kopf hätten ihn zu dieser Tat gedrängt - und sind der Grund dafür, dass er strafrechtlich nicht belangt wird

Von Andreas Salch, Dachau/München

Es war kurz vor drei Uhr morgens, als ein 34-jähriger Software-Ingenieur am 28. Dezember vergangenen Jahres um ein Einfamilienhaus im östlichen Landkreis schlich. Es war sehr kalt. Der Mann hatte eine Axt dabei und einen mit knapp zehn Litern befüllten Benzinkanister. In dem Haus lebt ein Ehepaar, mit dem er seit langem befreundet ist. Die beiden schliefen. Plötzlich holte der 34-Jährige mit der Axt aus, schlug ein Fenster im Erdgeschoss ein, schüttete das Benzin in den Raum. Da es ihm zu lange dauerte, bis es aus der Öffnung gelaufen war, warf er den Kanister in das Zimmer und ein angezündetes Papiertaschentuch hinterher. Es gab einen lauten Knall. Der Brandsatz löste eine explosionsartigen Verpuffung aus. Er habe gedacht, "nix wie weg hier", berichtete der Softwareingenieur am Freitag vor dem Landgericht München II.

Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen versuchten Mordes und schwerer Brandstiftung erhoben. Für beides kann der 34-Jährige jedoch strafrechtlich nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Denn als er das Feuer legte, war er nach Überzeugung von Ärzten krank. Der Software-Ingenieur leidet an paranoider Schizophrenie. Aus diesem Grund hat die Staatsanwaltschaft auch keine Anklage bei Gericht eingereicht, sondern eine Antragsschrift. Darin fordert sie die zeitlich unbefristete Unterbringung des 34-Jährigen in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik.

Das in dem Haus schlafende Ehepaar hatte Glück. Es war vermutlich durch das berstende Glas geweckt worden. Mit Feuerlöschern und Wasser aus einem Gartenschlauch sowie der Hilfe eines Nachbarn versuchte es den Brand einzudämmen. Löschen konnten die Flammen aber erst die alarmierten Feuerwehren aus der Umgebung. Das Ehepaar und der Nachbar erlitten Rauchgasvergiftungen und wurden in Krankenhäuser gebracht.

Nach der Tat war der 34-Jährige mit seinem Auto nach Tschechien gefahren. Bei seiner Rückkehr wurde er festgenommen. Eigentlich habe er geplant, ein weiteres Haus oder aber die Einsatzfahrzeuge auf dem Parkplatz der Dachauer Polizeiinspektion anzuzünden, erklärte der Softwareingenieur bei seiner Vernehmung durch den Vorsitzenden, Richter Thomas Bott. Er habe sich gedacht, dies sei "weniger schlimm" als ein Haus anzuzünden.

Zu Beginn des Prozesses hatte der 34-Jährige von seiner Verteidigerin, Rechtsanwältin Christina Keil, eine Erklärung verlesen lassen, in der er sich zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft bekennt und seine Wahnvorstellungen schildert.

Er habe Stimmen in seinem Kopf gehört, so der Software-Ingenieur. Es sei um seine Aufnahme in den Bund der Freimaurer gegangen. "Für mich war das alles sehr verängstigend", heißt es in seiner Erklärung. Die Stimmen hätten ihm zunächst befohlen, eine Halle anzuzünden und ihm gesagt, er solle sich an allen rächen, die schuld daran seien, dass er bisher die Tests für die Aufnahme bei den Freimaurern nicht bestanden habe. In seinem Kopf habe ein regelrechtes "Stimmengewirr" geherrscht. Um die Kontrolle darüber zu erlangen, habe er den Stimmen vorgeschlagen, im Haus des mit ihm befreundeten Ehepaares Feuer zu legen. Eines aber weist der 34-Jährige in seiner Erklärung vehement zurück. Dass er das Ehepaar habe töten wollen. Denn vor der Tat habe er mit beiden "telephatisch" kommuniziert. Bei diesem "Gespräch" hätten ihm seine Bekannten versichert, dass "alles vorbereitet" sei und sie "in Sicherheit seien", wenn er Feuer legen werde.

Seit seiner Festnahme ist der Software-Ingenieur einstweilig im Isar-Amper-Klinikum in München untergebracht. Im vergangenen Jahr wurde er dreimal zwangsweise in eine psychiatrische Klinik gebracht, aber schon nach wenigen Tagen oder Wochen wieder entlassen. Einmal hatte er einen Arzt angegriffen. Ein andermal wurde er wegen Hausfriedensbruch in einer Polizeiinspektion in die Klinik gebracht. Anfang Dezember 2017, weil er seine Eltern angegriffen hatte. Er habe geglaubt, sie seien Teil einer gegen ihn gerichteten Verschwörung, sagte der Software-Ingenieur. Bei allen Klinikaufenthalten hatte er Tabletten verabreicht bekommen. Doch entweder tat er nur so, als würde er sie schlucken. Oder aber er setzte sie eigenmächtig ab. "Heute bereue ich sehr, dass ich die Medikamente nicht genommen habe", sagte der 34-Jährige. Anfang Dezember 2017 "war der Punkt, wo man alles hätte ändern können." Der Prozess dauert an.

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