Prozess am Amtsgericht Dachau:Schlechter Spaß

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Ein 20-Jähriger zeigt beim Indersdorfer Faschingszug in Bierlaune den Hitlergruß. Richter stellt das Verfahren unter der Bedingung ein, dass der Mann zu einer Einzelführung durch die KZ-Gedenkstätte Dachau antritt

Von Jacqueline Lang, Dachau

Dass im betrunkenen Zustand Dinge passieren können, die sonst vielleicht nicht passieren würden, das kommt vor, zur Faschingszeit allemal. Doch es gebe auch Dinge, die dürften nicht passieren, "Alkohol hin oder her, Fasching hin oder her", sagt Richter Christian Calame. Dazu zählt nach Auffassung des Gerichts auch das Verwenden von verfassungswidrigen Kennzeichen.

Dazu gehört auch das Zeigen des sogenannten "Hitlergrußes". Eben das soll ein 20-jähriger Dachauer beim Faschingszug in Markt Indersdorf im März aber getan haben. Obwohl es Richter Calame am Ende der Verhandlung für erwiesen hält, dass der junge Mann die Tat begangen hat, wird das Verfahren gegen ihn eingestellt, auch weil er bislang noch keine Vorstrafen hat. Die an die Einstellung des Verfahrens geknüpfte Bedingung der Staatsanwaltschaft ist eine Einzelführung durch die Dachauer KZ-Gedenkstätte sowie eine einmalige Zahlung von 200 Euro an die Dachauer Caritas. "Ich weiß nicht mehr wirklich viel von dem Abend", gibt der Angeklagte zu, "aber wenn es so aussah wie ein Hitlergruß, dann tut es mir leid." Dieser Aussage hält Richter Calame entgegen, dass, als die Polizei ihn noch vor Ort mit dem Vorwurf konfrontiert und versucht hätte, ihn über seine Rechte zu belehren, er die Beamten immer wieder unterbrochen und von sich aus gesagt hätte, es tue ihm leid, dass er den Hitlergruß gezeigt habe. Vor dem Gericht sagt der Angeklagte nun, dass er sich daran nicht mehr genau erinnern könne und den Arm lediglich gehoben habe, um einem entfernt stehenden Freund zu winken. Eine Aussage, der der Richter offensichtlich keinen Glauben schenkt, denn er weist den Angeklagten darauf hin, dass er laut Zeugenaussagen nicht nur den rechten Arm gehoben habe, sondern auch einschlägig geschminkt gewesen sei. Mit Blick auf ein Foto, das an jenem Tag von der Polizei aufgenommen wurde, sagt er: "Das Bärtchen ist schon ein totales Hitlerbärtchen." Dem widerspricht der Angeklagte nicht, beteuert aber, dass er zuvor auf der Couch eines Freundes eingeschlafen sei, man ihn im Schlaf mit Edding im Gesicht bemalt habe und er das Bärtchen nach dem Aufwachen nicht habe entfernen können.

Von dem Angeklagten will der Richter wissen, ob er wisse, warum der Hitlergrußes verboten sei. "Wegen Adolf Hitler, der mehrere Millionen Menschen umgebracht hat", antwortet der Angeklagte. Es klingt wie auswendig gelernt. Auch der Richter scheint von dieser Antwort nicht überzeugt zu sein: "Es bleibt schon die Frage, warum man so was macht, wenn man die Hintergründe kennt." Wer einmal, wie der Angeklagte - wenn auch, wie er sagt, zu seiner Schulzeit - in der KZ-Gedenkstätte gewesen sei, der dürfe sich einen solchen Spaß nicht erlauben.

Der Zeuge, der die Tat beobachtet hat, ist ein Polizeibeamter aus Fürstenfeldbruck. Er war an Ort und Stelle, um den Faschingszug zu sichern. Ob der Dachauer die Hand möglicherweise auch zum Winken gehoben haben könnte, will Richter Calame von ihm wissen. Das hält der Beamte für ausgeschlossen: "Für mich war das ganz klar als Hitlergruß zu erkennen." Als er mit Kollegen zu dem Angeklagten gegangen sei, sei dieser auch sofort geständig gewesen und habe gesagt, dass es ihm leid tue. Er habe laut Alkoholtest 1,5 Promille gehabt. "Aber es war schon noch möglich, sich mit ihm zu unterhalten", sagt der Polizist. Laut Einschätzung einer Mitarbeiterin der Jugendgerichtshilfe ist der Anlagenmechaniker trotz seines Alters einem Erwachsenen nicht gleichzustellen. Im Gespräch mit dem Angeklagten sei aufgefallen, dass dieser "das Thema nicht ganz ernst nehmen konnte". Der Tragweite seines Handelns sei er sich augenscheinlich nicht ganz bewusst. Einen nochmaligen Besuch der KZ-Gedenkstätte hält sie deshalb für sinnvoll. Aus ihrer Sicht ist der Mann nämlich trotz seines Alters eher einem Jugendlichen gleichzusetzen. Das Gericht scheint diese Auffassung zu teilen und so kommt der Angeklagte noch einmall glimpflich davon. Doch Richter Calame warnt ihn: "Reißen Sie sich in Zukunft zusammen. Das ist kein Spaß, so etwas zu machen."

© SZ vom 22.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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