Prominenter Besuch aus China:Liao Yiwu erstmals in Dachau

Ohne Erinnerung gibt es auch keine Demokratie: Der Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels und chinesische Dissident Liao Yiwu spricht in der Friedenskirche.

Von Helmut Zeller

Liao Yiwu

Liao Yiwu Die preisgekrönten Werke des 54-jährigen Schriftstellers Liao Yiwu sind in der Volksrepublik China verboten. In Dachau spricht der Dissident über den notwendigen Zusammenhang der Erinnerung eines Volkes und seine Zukunft.

(Foto: dpa)

Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (2012) und der Geschwister-Scholl-Preis (2011) haben den chinesischen Schriftsteller und Dissidenten Liao Yiwu bekannt gemacht. Am Donnerstag, 20. Juni, kommt er erstmals nach Dachau, in die Friedenskirche, Uhdestr. 2 (Beginn: 19.30 Uhr). "Deutschland schaut zurück, aber es kommt weiter", sagt Liao Yiwu. "China schaut nach vorn. Aber es zerfällt. Vor allem moralisch." Liao Yiwu kommt zum ersten Mal nach Dachau und wird sich die KZ-Gedenkstätte ansehen. Beim Podiumsgespräch wird er über seine Wahrnehmung der deutschen Gedenk- und Erinnerungskultur sprechen. Er hält sie für die Grundlage einer funktionierenden Demokratie. In der von der chinesischen Regierung verweigerten und verbotenen Erinnerung an die Opfer der Kulturrevolution und des Massakers auf dem Tiananmen-Platz sieht er einen der Gründe für die Missstände in seiner Heimat. Die gewaltsame Niederschlagung von Demokratiebewegungen bleibt ein aktuelles Thema: Zurzeit blickt die Welt auf Istanbul. Der türkische Premier Erdogan hat den besetzten Gezi-Park brutal räumen lassen, Hunderte der jugendlichen Demonstranten für mehr Freiheit wurden verletzt.

Nach der blutigen Niederschlagung des Pekinger Frühlings am 4. Juni 1989 verfasst Liao Yiwu das Gedicht "Massaker". Es erreichte in kürzester Zeit Millionen von Menschen, Liao Yiwu aber wurde für vier Jahre ins Gefängnis gesperrt und schwer misshandelt. Über seine Gefängnishaft schrieb er ein schonungslos offenes Buch. Seit 2011 lebt er in Berlin. Schon sein Start ins Leben war von staatlicher Gewalt begleitet. Liao Yiwu wurde 1958, in Zeiten des "Großen Sprungs nach vorn" geboren. Kochtöpfe dienten nicht mehr der Essenszubereitung, sondern wurden eingeschmolzen. Das sollte Chinas Stahlproduktion an die Weltspitze bringen. Das Experiment scheiterte grausam, Millionen Menschen starben, die anderen litten Hunger. Das Gespräch in Dachau über den Umgang mit der Vergangenheit und seine Auswirkungen auf die Menschen eines Landes wird eingerahmt von einem kurzen Film über den (langen) Weg der Stadt Dachau, sich der Geschichte des Konzentrationslagers zu stellen. Dazu wird Axel Wostry kurze Textpassagen aus den Büchern Liao Yiwus lesen. Die Moderation des Gespräches übernimmt Jutta Neupert, Historikerin, Filmautorin und China-Expertin. Der Eintritt ist frei.

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