Projekt in Markt Indersdorf:Freiheit für den Gittersbach

Am Gittersbach

Sollte der Gittersbach in Markt Indersdorf einmal überlaufen, soll diese Wiese als Rückhaltefläche für das Wasser dienen.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Gemeinde Markt Indersdorf will das verrohrte Gewässer wieder oberirdisch fließen lassen. Das dient dem Hochwasserschutz aber auch dem Artenschutz

Von Jacqueline Lang, Markt Indersdorf

Das Vorhaben, den Gitersbach zu öffnen, ist nicht neu. Erste Pläne dazu stammen bereits aus dem Jahr 2017. Nachdem es zwischenzeitlich jedoch so aussah, als müsste das gesamte Vorhaben verworfen werden, scheint die Marktgemeinde nun offenbar doch einen Weg gefunden zu haben, die Öffnung zu realisieren - und dabei sogar zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Denn durch die Öffnung des Gittersbachs soll nicht nur etwas für den Hochwasserschutz getan werden, auf dem insgesamt rund 16 557 Hektar großen Areal sollen auch Ausgleichsflächen entstehen und damit wertvolle Lebensräume für Tiere und Pflanzen.

Die Pläne zur Öffnung sind aber nicht nur zukunftsgerichtet, sie sind auch kostspielig. Das gesamte Vorhaben mitsamt der ökologischen Ausgleichsmaßnahme würde die Gemeinde nach jetzigen Berechnungen 390 000 Euro kosten, jährliche Kostensteigerungen von gut zehn Prozent sind dabei noch gar nicht mit eingerechnet. Genauere Kostenprognosen wären laut Heinz Kindhammer zum jetzigen Zeitpunkt "unseriös". Damit die Marktgemeinde nicht die gesamte Summe auf einmal stemmen mus, hat der Landschaftsarchitekt vom Forum Baukultur in Pfaffenhofen an der Ilm dem Gremium in der jüngsten Gemeinderatssitzung folgenden Vorschlag unterbreitet: Die Ausgleichsmaßnahmen sollen in drei Abschnitte aufgeteilt werden, die auch unabhängig voneinander umgesetzt werden können.

Der erste Schritt sieht vor, dass "die Verrohrung entfernt und der neue Bachlauf erstellt" wird, wie es in der Beschlussvorlage heißt. Darum herum sollen erste "sehr wertvolle Biotope" entstehen, so Kindhammer. Insgesamt umfasst dieser Flächenabschnitt zwischen der Staatsstraße 2050 und der Glonn eine Größe von 2790 Quadratmetern. 2015 war der Gemeinde das Grundstücke von Brigitte Gschwendtner überlassen worden mit der daran geknüpften Bedingung, den sozialen Wohnungsbau am Indersdorfer Bahnhof zu realisieren. Nun werden 882 Quadratmeter für das dort entstandene Maria-Gschwendtner-Haus als Ausgleichsfläche genutzt. Doch die Fläche ist so groß, dass sogar weitere 1908 Quadratmeter auf dem Ökokonto der Gemeinde verbucht werden können. Kostenpunkt nach ersten Schätzungen alleine für diesen Abschnitt: 169 000 Euro.

Besonders stolz ist Kindhammer darauf, dass man einen Weg gefunden hat, den Aushub nicht für viel Geld wegschaffen zu müssen, sondern in auf der angrenzenden Wiese lagern zu können. Das ergibt nach Aussage des Landschaftsarchitekten gleich doppelt Sinn: Die Gemeinde muss kein zusätzliches Geld in die Hand nehmen, um die Erde wegzuschaffen. Durch das gegrabene Loch sowie die Erhöhung, die durch die aufgeschüttete Erde entstehen, ergeben sich zudem für ganz unterschiedliche Lebewesen Rückzugsorte, weil es sowohl trockene, als auch feuchte und nasse Plätzchen gibt. Und, das betont Bürgermeister Franz Obesser (CSU): "Es wird keine Naherholungsfläche entstehen."

Obesser ist es auch, der als Erster die vorgestellten Pläne lobt. Zwischenzeitlich, als die Kosten immer höher angesetzt worden seien, habe man wirklich gedacht: "Aus, Ende, das funktioniert nicht mehr." Nun sei es aber glücklicherweise gelungen, die Kosten stark zu reduzieren. Vor allem die Idee, "besten Humus" nicht zu entsorgen, sondern an Ort und Stelle zu nutzen, sei gut. Immerhin wäre es ja "fast schon schizophren" für Erde, nur weil man sie aushebe, viel Geld zu bezahlen, um sie dann anderswo zu entsorgen, so Obesser.

Auch Johann Lachner (CSU) befürwortet das Vorhaben. Allerdings handle es sich um eine Ausgleichsfläche von gut eineinhalb Hektar, da stelle sich für ihn die Frage: "Wer wird denn das in Zukunft pflegen?" Die Fläche sei "zu groß und zu wertvoll", um sich nicht darum zu kümmern und sie zum "Urwald" verkommen zu lassen, aber der Bauhof allein könne diese Arbeit sicherlich nicht ohne weiteres Personal leisten. Bürgermeister Obesser gibt Entwarnung: Für ein Projekt dieser Größenordnung werde es einen Pflegeplan geben. Kindhammer ergänzte, dass man "pflegeextensiv" plane, sodass die Arbeit mit der Zeit nicht mehr, sondern weniger werde.

Auch Florian Ebner (EHW) beschäftigen einige Fragen, die allerdings den Hochwasserschutz betreffen. Doch auch hier kann Kindhammer Entwarnung geben: Die "Überflutung" sei mitgedacht, zumal sich ja an der Topografie vor Ort nichts signifikant ändern werde. Wenn überhaupt werde das Rückhaltevolumen vergrößert. Auch die Sorge von Jörg Westermair (CSU) vor einem Rückstau kann Kindhammer entkräften: Das Wasser werde auch in einem solchen Fall nicht auf die Straße laufen, sondern in den Graben.

Der Gemeinderat hat die Durchführung der Ausschreibung einstimmig genehmigt. Wenn alles nach Plan läuft, sollen die Bauarbeiten Ende des Jahres beginnen. Die Schaffung weiterer Ausgleichsflächen auf einer Gesamtfläche von 13 767 Quadratmetern, inklusive der geplanten Retentionsmulde sollen zu einem späteren Zeitpunkt umgesetzt werden. Helmut Ebert (FW) ist überzeugt, dass dies nicht die letzte Maßnahme zum Hochwasserschutz gewesen sein wird, die der Gemeinderat beschließt. Dasselbe dürfte für den Naturschutz gelten.

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