Preisspirale geht weiter nach oben:Wohnen macht die Menschen arm

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Die Preise für Grundstücke, Immobilien und Mietwohnungen steigen trotz anziehender Baukonjunktur an. Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann fordert eine aktive Strukturpolitik von Bund und Land

Von Thomas Hürner, Dachau

Obwohl die Baukonjunktur im Landkreis Dachau merklich angezogen hat, steigen sowohl die Preise für Grundstücke als auch für Immobilien und Mieten weiter an. Diesen eigentlich wenig überraschenden Trend bestätigt der neueste Marktbericht vom Immobilienverband Deutschland (IVD) für das Münchner Umland. Besonders prekär ist die Situation bei den Kaufpreisen für Eigentumswohnungen: Seit Frühjahr 2013 sind diese in Dachau um satte 72 Prozent teurer geworden, im Vergleich zum Herbst 2017 beträgt der Preisanstieg 6,6 Prozent. Dagegen ist die Entwicklung bei den Mietpreisen sogar noch moderat: Für eine Altbauwohnung von "gutem Wohnwert" zahlt man jetzt durchschnittlich elf Euro pro Quadratmeter, im vergangenen Jahr waren es 10,80 Euro.

Dass die Preise für Mieten nicht so explodiert sind wie die für den Erwerb von Eigentum, ist für Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts, vor allem auf die rasante Entwicklung in den vergangenen Jahren zurückzuführen: "Irgendwann erschöpft sich die Möglichkeit der Leute, diese Mieten zu zahlen. Außerdem werden die Preise inzwischen auch von immer mehr Menschen hinterfragt." Auch Wolfgang Winter, Vorsitzender des Mietervereins Dachau, erkennt bei der Entwicklung der Mietpreise inzwischen "das Ende der Fahnenstange", wie er sagt. "Die Leute können einfach nicht mehr zahlen, wir haben mittlerweile das Maximum erreicht."

Nichtsdestotrotz sind die Preise in allen Segmenten weiter gestiegen - und das obwohl im Landkreis Dachau immer mehr gebaut wird. Allein im vergangenen Jahr wurden 1092 neue Häuser oder Wohnungen fertiggestellt, in Relation zur Einwohnerzahl liegt der Landkreis damit in Oberbayern auf dem zweiten Platz und deutlich über dem bayernweiten Durchschnitt. Dass Angebot und Nachfrage noch immer in keinem gesunden Verhältnis zueinander stehen, hat für Kippes vor allem zwei Ursachen: Zum einen habe ein "extremer Nachholbedarf" bestanden aufgrund von Versäumnissen in der Vergangenheit. Andererseits würden vermehrt Menschen aus Gegenden zuziehen, in denen die Preisentwicklung noch dramatischer ist. Tatsächlich ist die Einwohnerzahl in den vergangenen zehn Jahren stark gestiegen: In Dachau um 15,1 Prozent, in Karlsfeld um 15,5 Prozent und in Markt Indersdorf um immerhin 9,8 Prozent. Kippes ist daher pessimistisch: "Selbst wenn noch mehr gebaut würde, wäre der Effekt einfach nicht groß genug."

Schöner wohnen mit Blick auf die Alpenkette - das versprechen die luxuriösen Eigentumswohnungen, die in der ehemaligen Koschade-Klinik entstehen. Käufer müssen dafür tief in die Tasche greifen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Sowohl Winter als auch der Dachauer Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) stützen diese These. Der Zuzug sei "so gewaltig und massiv", sagt Hartmann, dass alle Bemühungen um neuen Wohnraum "letztlich wirkungslos" blieben. Die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt lässt ihn inzwischen ratlos zurück: "Ich frage mich selber immer wieder, wie das eigentlich geht - aber es gibt ja offensichtlich genug Leute, die diese Wahnsinnspreise bezahlen." Dass der Markt oder die Kommunen das Problem im Ballungsraum München lösen können, glaubt er schon lange nicht mehr. Die Bundes- und Landespolitik müsse den ländlichen Raum durch "aktive Strukturpolitik" wieder attraktiver machen, sagt Hartmann: "Die Menschen kommen nicht einfach so nach München. Man muss ihnen wieder eine Perspektive in der Heimat bieten."

Eine der wenigen Möglichkeiten, den immer weiter steigenden Preisen auf kommunaler Ebene entgegenzusteuern, sind die sogenannten Einheimischen-Modelle. Wie viele andere Kommunen setzt auch die Stadt Dachau darauf, nicht mehr nur Sozialwohnungen zu bauen, sondern parallel auch weitere bezahlbare Angebote für die Anwohner. "Eine Maßnahme, die zumindest beim Mietpreisspiegel einen Effekt haben kann", sagt Hartmann. Die Mietpreisbremse, das ehemals groß angekündigte Projekt seiner Partei, habe sich hingegen als wirkungslos erwiesen. Auch die modifizierte Variante, die im September von der Bundesregierung beschlossen wurde und noch die Zustimmung des Bundestags benötigt, stimmt Hartmann nicht gerade hoffnungsvoll: "Wenn diese wieder so einfach zu umgehen ist, dann bleibt das Gesetz nicht mehr als ein stumpfes Schwert."

Für Wolfgang Winter vom Mieterverein Dachau bleibt lediglich die Nachverdichtung als "probates Mittel" zur Lösung der Wohnungsnot. Doch auch die Schließung von Baulücken habe "natürlich zwei Seiten der Medaille", sagt er. Einzelne Bürger würden sich beeinträchtigt fühlen, wenn auf ihrem Haus ein zusätzliches Stockwerk errichtet oder der Blick auf die grüne Landschaft versperrt werde. "Ich denke hier aber vor allem an das Allgemeinwohl", sagt Winter, "und für dieses ist eine ausreichende Versorgung an Wohnraum unablässig."

"Mehr können die Leute nicht zahlen": Wolfgang Winter, Vorsitzender des Mietervereins. (Foto: Niels P. Joergensen)

Bei einem Blick auf das Preisgefüge des Immobilienmarkts in der Region rund um München werden auch diverse Tendenzen sichtbar. Je weiter entfernt vom Münchner Stadtgebiet, desto günstiger wird es in der Regel. Doch auch die verkehrstechnische Anbindung spielt eine entscheidende Rolle - und diese ist laut IVD-Leiter Kippes in der Dachauer Region geradezu exzellent: "Die A 8 ist schnell und ohne große Probleme zu erreichen, mit der S-Bahn ist man in zwanzig Minuten im Münchner Stadtzentrum. Diese Vorteile werden bei den Immobilien- und Mietpreisen inzwischen zu Nachteilen."

Doch was tun, wenn der Zuzug in den Ballungsraum München unaufhaltsam voranschreitet? "Wenn es schon keine Patentlösung gibt", sagt Winter, "dann müssen wir wenigstens die Probleme klar benennen." Eines davon sei für ihn auch das "ungleiche Machtverhältnis" zwischen Mieter und Vermieter. "Das ist in der Gesellschaft auch generell festzustellen", sagt er. "Das Kapital setzt sich durch. Und darunter leidet die Allgemeinheit."

© SZ vom 07.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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