Snowboarden Down Under:Heiß auf cool

Snowboarden Down Under: Springer unter sich: Nadja Flemming posiert während eines Trainingsaufenthalts in Australien mit einem Känguru.

Springer unter sich: Nadja Flemming posiert während eines Trainingsaufenthalts in Australien mit einem Känguru.

(Foto: oh)

Die Röhrmooserin Nadja Flemming ist schon jetzt eine der besten deutschen Snowboarderinnen im Slopestyle, einer Art Hindernisrennen. Im Sommer jagt sie Gletscher hinunter, um endlich Profisportlerin zu werden

Von Sarah Stemmler, Röhrmoos

Der Sommer ist eigentlich nicht die Zeit, um an Schnee zu denken. Man genießt die Sonne, freut sich an den T-Shirt-Temperaturen und akzeptiert Gefrorenes höchstens im Eisbecher. Von passionierten Wintersportlern allerdings ist es viel verlangt, sich an heißen Tagen mit Eiswürfeln im Cocktail oder einer Kugel Stracciatella zu begnügen. Auf der Suche nach verschneiten Pisten zieht es sie auf entlegene Gletscher - und sogar bis ins australische Gebirge. Dort trainiert derzeit Nadja Flemming, Snowboarderin und amtierende Deutsche Meisterin im Slopestyle. In dieser Freestyle-Disziplin, bei der man mit dem Snowboard einen Hindernisparcours durchfährt, hat Flemming schon einige Titel geholt. Dabei steht die Röhrmooserin erst seit fünf Jahren auf dem Brett, vor drei Jahren hat sie mit Slopestyle angefangen. Gleichzeitig begann sie auch mit der Disziplin Big Air, bei der man auf einer großen Schanze möglichst schwierige Tricks vorführt.

Die Polizei hat sie in ihr Programm für Spitzensportler aufgenommen

"Ich wollte schon lange snowboarden", erzählt die 20-Jährige, die seit ihrem fünften Lebensjahr Ski fährt. "Aber ich hab kein Board bekommen." Sie lächelt. "Ich hab's erst dann geschafft, meine Eltern zu überreden." In den fünf Jahren Snowboarden ist viel passiert, mittlerweile sieht es so aus, als könnte Flemming ihr Hobby zum Beruf machen. Die junge Sportlerin hat eine rasante Entwicklung durchgemacht, auf und abseits der Piste. Denn je besser sie im Snowboardfahren wurde, desto mehr veränderte sich auch ihr Alltag. Der Sport ist jetzt zentral in ihrem Leben, bald wird er acht Monate des Jahres ausfüllen: Flemming wurde in das Spitzensportlerprogramm der Polizei aufgenommen. Jetzt absolviert sie eine gestreckte Ausbildung über fünf Jahre. Acht Monate pro Jahr ist sie freigestellt, um Zeit für Training und Wettkämpfe zu haben. Ihr Ziel? "Mein Plan ist, diese Saison die Olympia-Qualifikation zu schaffen und dann 2018 mitzufahren." Ein großes Vorhaben, das vor allem deshalb traumhaft klingt, weil Flemming noch nicht so lange in der Snowboardszene mitmischt - und mit 15 Jahren relativ spät angefangen hat. "Die anderen haben mir auf jeden Fall was voraus", sagt sie. "Dafür muss ich jetzt umso härter arbeiten, um das aufzuholen."

Nadja Flemming

Snowboarderin Nadja Flemming in Aktion

(Foto: oh)

Zum Slopestyle und zu den Wettkämpfen kam die Röhrmooserin eher zufällig: "Ich bin etwa zwei Jahre lang Snowboard gefahren, dann wurde es einfach langweilig auf der Piste". Über ein Wochenende nahm sie an einem Camp teil und probierte die Freestyle-Disziplinen aus. "Das hat mir ziemlich gut gefallen, also hab ich einfach weitergemacht." Sie kaufte sich zum ersten Mal eine Saisonkarte, mit der man von Oktober bis Mai in allen Tiroler Skigebieten fahren kann. "Von dem Zeitpunkt an", erzählt sie, "gab es eigentlich nur noch Snowboarden." Eine Freundin vermittelte ihr einen Trainer. Flemming lernte neue Tricks, sie nahm an ihren ersten Contests teil. Ohne große Ambitionen, eigentlich nur, um mal "mit dabei zu sein". Aus dem Dabeisein wurden die ersten Siege in regionalen Wettbewerben und das Aufrücken in den Kader des Deutschen Snowboard Verbandes. Mittlerweile ist sie Teil des zwölfköpfigen Freestyle-Teams und fährt bei Weltcups mit.

Im Sommer geht Flemming surfen, Hauptsache, sie hat ein Brett unter den Füßen

Wie das alles so schnell passieren konnte, kann Nadja Flemming selbst nicht wirklich erklären. Mut mache einiges aus beim Snowboarden, sagt sie, man müsse sich trauen, neue Tricks auszuprobieren. Und das hat sie getan, hat trainiert und trainiert, "eigentlich jeden freien Tag". Im Sommer, wenn verschneite Pisten rar sind, geht sie Wakeboarden, Skateboarden, manchmal auch Surfen. Hauptsache, ein Brett unter den Füßen. Snowboardfahren, sagt Flemming, ist wie eine kleine Sucht, weil man nie auslernt.

Natürlich birgt dieser Sport auch ein gewisses Unfallrisiko, aber die 20-Jährige ist bisher von schlimmeren Verletzungen verschont geblieben. "Man muss schauen, was man sich zutraut und was nicht", sagt sie. "Es kann immer was schiefgehen." Darum übe sie neue Tricks auch meistens im Frühjahr oder Herbst, wenn der Schnee nicht so hart ist. Oft kosten neue Sprünge Überwindung, gibt sie zu. "Aber wenn man einen anspruchsvollen Trick steht, ist das ein gutes Gefühl."

Vier Tage Snowboarden in der Woche - das ist Flemming zu wenig

Nadja Flemming ist nicht nur vom Snowboardfahren begeistert, sie fühlt sich auch in der Szene sehr wohl. "Es sind einfach coole Leute, deren Ein und Alles das Snowboarden ist" - wie bei ihr. Durch den Sport hat sie viele neue Freundschaften geschlossen, ihr Umfeld hat sich komplett verändert. Freunde trifft man schließlich meistens am Wochenende, und da ist sie im vergangenen Jahr immer Snowboarden gewesen. "Feiern gehe ich eigentlich fast gar nicht mehr", sagt Flemming. "Weil man immer denkt: Am nächsten Tag will ich eigentlich lieber snowboarden." Der Sport beeinflusst ihr Leben, Snowboarden hat Priorität. Zwar gebe es auch schlechte Tage, sagt sie, an denen einfach nichts läuft, weil der Kopf nicht mitspielt. Aber man könne nie vorhersagen, wie der nächste wird. "Deshalb gibt es eigentlich keine Phase, in der man keine Lust hat, zu trainieren."

Ob sie nicht glaubt, dass die Professionalität, die Wettkämpfe, ihr die Freude an ihrem Hobby nehmen könnten? Flemming schüttelt den Kopf. "Letzte Saison war ich ja vier Tage die Woche Snowboarden - und das war mir eigentlich zu wenig." Durch ihr Aufrücken in das Spitzensportlerprogramm wird sich das ändern. In der viermonatigen Ausbildungsphase lebt sie in Ainringen, nahe der österreichischen Grenze. Den Rest des Jahres kann sie sich voll aufs Snowboarden konzentrieren. Wenn sie nicht auf der Piste ist, wird sie in Innsbruck sein, ihrem neuen Wohnort. Näher an den Bergen.

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