Porträt:Ein Stück Ostafrika in Niederroth

Kristin Diehl begann als Lehrerin, sich mit afrikanischer Kunst zu beschäftigen. Heute fördert sie Bildhauer aus Simbabwe und stellt einmal jährlich in ihrer Galerie Conartz neue Werke aus

Von Renate Zauscher

Afrikanische Kunst hat schon im frühen 20. Jahrhundert Maler und Bildhauer - unter ihnen etwa Picasso, Modigliani oder Braque - begeistert und inspiriert. Mehr als ein halbes Jahrhundert später war es eine Deutsche, Kristin Diehl, die in Simbabwe, dem ehemaligen Rhodesien, die Arbeiten der dortigen Steinbildhauer entdeckte. Sie war sofort fasziniert und setzt sich seitdem mit all ihrer Tatkraft für die Förderung junger künstlerischer Talente im Land ein. Nach Ausstellungen an vielen anderen Orten in Deutschland zeigt Diehl seit einer Reihe von Jahren jeweils im Herbst einmal jährlich Arbeiten der wichtigsten Steinbildhauer Simbabwes in ihrer Galerie Conartz in Niederroth. Die aktuelle Ausstellung von Gideon Gomo kann noch bis zum 30. September besucht werden.

Kristin Diehl war wohl immer schon ein ebenso begeisterungsfähiger wie zupackender Mensch. In Sachsen geboren und in Hannover aufgewachsen, erlernte sie zunächst den Beruf der Buchhändlerin, holte dann im Braunschweig-Kolleg ihr Abitur nach, studierte und wurde Lehrerin für Kunst und Mathematik. Sehr früh schon engagierte sich Kristin Diehl politisch und setzte sich, eher links orientiert, für die Rechte von Frauen und Kindern ein. Sie heiratete und zog mit ihrer Familie, zu der heute neben ihrem Mann sowie Sohn und Tochter auch vier Enkelkinder gehören, nach Münster. 1988 erhielt sie den Auftrag, eine Partnerschaft mit einer Schule in Afrika aufzubauen - die Wahl fiel durch Zufall auf Simbabwe.

Porträt: Kristin Diehl stellt in einem früheren Stall und auch davor immer neue Werke aus. Sie selbst verdient daran nichts. Es geht ihr um die Förderung von Talenten.

Kristin Diehl stellt in einem früheren Stall und auch davor immer neue Werke aus. Sie selbst verdient daran nichts. Es geht ihr um die Förderung von Talenten.

(Foto: Toni Heigl)

Um ihren Schülern ein lebendiges Bild des Landes vermitteln zu können und eine passende Schule ausfindig zu machen, zog Diehl drei Wochen lang mit dem Rucksack durchs Land. Dort sei sie "im wahrsten Sinn des Wortes", so schildert es Diehl, über Arbeiten simbabwischer Künstler am Wegesrand "gestolpert". Unter dem Einfluss einiger wichtiger europäischer wie afrikanischer Wegbereiter nämlich hatte sich dort eine Kunstszene etabliert, die bis weit nach Europa und die USA ausstrahlte: Werke einheimischer Künstler, die unter dem Namen "Shona-Art" bekannt geworden waren, wurden von den wichtigsten europäischen Museen weltweit ausgestellt und aufgekauft.

Diehl war fasziniert und beschloss spontan: Sie wollte den einheimischen Künstlern möglichst viele ihrer Arbeiten abnehmen, diese in Europa verkaufen und mit dem Erlös den Ausbau der Partnerschule finanzieren. Dieser Entschluss sollte weitreichende Folgen haben. So gelang es zum einen, die Rio Tinto Mhondoro-Schule in Mubayira zu einer Bildungseinrichtung mit High-School-Abschluss auszubauen und gleichzeitig Künstler zu unterstützen, die über die Herstellung bloßen Kunsthandwerks hinaus ihr kreatives Potenzial entwickeln wollten - was in Simbabwe, einem der ärmsten Länder der Welt, unter finanziellen Aspekten alles andere als einfach ist.

Porträt: Wer sich einen Überblick über die aktuelle Kunstszene Simbabwes verschaffen will, sollte nach Niederroth reisen.

Wer sich einen Überblick über die aktuelle Kunstszene Simbabwes verschaffen will, sollte nach Niederroth reisen.

(Foto: Toni Heigl)

Diehl begann, Ausstellungen zu organisieren: in Münster, in Saarbrücken, in München oder in den Niederlanden, überall dort, wo sie günstige Rahmenbedingungen vorfand. Schließlich, sagt Diehl, "sollte ja immer möglichst viel für Simbabwe übrig bleiben."

Sie selbst verdient so gut wie nichts an ihrer Galerie-Tätigkeit: Mit ihrem Anteil an den Verkäufen finanziert sie die Raummiete sowie Reisekosten und Versicherungen für die Künstler, die sie zu den Ausstellungen einlädt - oder auch das Preisgeld für einen von ihr initiierten Wettbewerb unter der Schirmherrschaft der deutschen Botschaft in Simbabwes Hauptstadt Harare. Eine unabhängige Jury entscheidet, welche der meist sehr zahlreich eingereichten Arbeiten mit einem ersten Preis ausgezeichnet wird und wer an den angebotenen Workshops teilnehmen darf. Das Preisgeld soll jungen Männern und Frauen dabei helfen, unabhängig vom Druck kommerziell orientierter Aufkäufer arbeiten zu können.

2011 fand Kristin Diehl in Niederroth einen permanenten Ausstellungsort: Sie hat ein ehemaliges Stallgebäude angemietet, wo die oft nur schwer transportablen Ausstellungsstücke auch unterm Jahr bleiben können, wenn Diehl in München ist oder in ihrem Haus in Italien lebt, wo sie sich mittlerweile eigentlich zu Hause fühlt.

Die Betreuung des Schulprojekts konnte Kristin Diehl nach 25 Jahren in die Hände eines Freundes abgeben. Für "ihre" Künstler aber fühlt sie sich weiterhin verantwortlich. Mittlerweile sucht sie jemanden, der ihre Arbeit einmal weiterführen will. Es müsste jemand sein, der ebenso kunstbegeistert ist wie sie selber, der Tatkraft und Organisationstalent hat. Und vor allem auch jemand, der ebenso viel Freude an der menschlichen Begegnung hat wie Kristin Diehl: Aus dem Kontakt zu anderen Menschen und mit anderen Kulturen hat die heute 72-Jährige wohl ihr ganzes Leben lang die Kraft für die vielfältigen Aufgaben gezogen, denen sie sich widmet.

Die Schau mit Werken des diesjährigen Gastes Gideon Gomo und verschiedener anderer Künstler aus Simbabwe ist noch bis zum 30. September geöffnet. Freitags von 16 bis 19 Uhr, samstags von 15 bis 19 Uhr und sonntags von 11 bis 19 Uhr. Vom Bahnhof in Niederroth (S 2) ist die Münchner Straße 17 in fünf Minuten zu Fuß erreichbar.

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