Süddeutsche Zeitung

Polizeieinsatz bei Reggae-Festival:Verhärtete Fronten

Die Polizei besteht auf einer umfassenden Kontrolle des zweitägigen Festivals Riding Higher in Odelzhausen. Veranstalter und Unterstützer kritisieren die Unverhältnismäßigkeit des geplanten Einsatzes mit 45 Beamten

Von B. Emonts, G. Schiegl und W. Eitler, Dachau

Die Fronten zwischen der Polizeiinspektion Dachau und den Veranstaltern des Benefiz-Festivals Riding Higher in einer Sandgrube in Höfa bei Odelzhausen haben sich im Laufe des Freitags erheblich verhärtet. Der Leiter der Dachauer Polizei, Thomas Rauscher, hatte angeordnet, dass für das zweitägige Festival am Samstag und Sonntag, 25. und 26. Juli, 45 Zivilbeamte sich unter die zu erwartenden 2000 Besucher begeben. Zusätzlich soll nach Informationen der SZ in Odelzhausen eine mobile Polizeistation eingerichtet werden. Der Sprecher der Veranstalter des Odelzhausener Vereins Move-Together, der Grünen-Kreisrat und Sozialpädagoge Ludwig Gasteiger, kritisiert den geplanten Einsatz als unverhältnismäßig. Er warnt auch davor, dass über solche Maßnahmen ein Festival, das sich vom reinen Reggae-Konzert zu einem Kulturfest entwickelt habe, diskreditiert wird. "Hier werden von der Polizei völlig falsche Signale ausgesandt."

Das Riding Higher wurde im Jahr 2001 von einem Freundeskreis aus überwiegend Odelzhausenern gegründet. Es war ein Fest der Reggaeszene mit den typischen Begleiterscheinungen. Mittlerweile hat sich der Charakter geändert: Das Riding Higher versteht sich als bunte und familienfreundliche Kulturveranstaltung und nicht mehr als reines Musikfestival. Das Programm reicht von einer Wildkräuterwanderung für Kinder über Musikkonzerte bis hin zu Vorträgen über Flucht und Asyl. In diesem Jahr kommen die Erlöse dem Bayerischen Flüchtlingsrat, einem Kindergarten-Projekt in Tansania und einem Nottelefon für Menschen in Seenot zugute.

Deswegen ist der Sprecher der Organisatoren um den Verein Move-Together, Ludwig Gasteiger, über die Polizei erbost. Ihm sei von der Dachauer Polizeiinspektion mitgeteilt worden, dass sie 45 Zugangskarten für zivile Einsatzkräfte benötige. Dabei habe ihm der Leiter Thomas Rauscher verdeutlicht, dass seine Beamten das gesamte Festival zu kontrollieren gedenken: "Auch den Mitarbeiterbereich, sämtliche Bars und Essensstände." Deshalb sagt Gasteiger weiter: "Dieses Ausmaß ist uns völlig neu und unverständlich. Der Einsatz kann keine Routine sein." Auch bei den vorherigen Festivals seien Zivilfahnder anwesend gewesen, "aber in deutlich geringerer Zahl". Gasteiger fürchtet wegen der Polizeipräsenz "um unseren bislang guten Ruf".

Der Grünen-Kreisrat vermutet eine "politische Komponente" hinter dem Vorgehen: "In Bayern gibt es Kräfte, die mit dem Flüchtlingsrat, den wir unterstützen, nicht d'accord sind." Gasteiger kündigt an, dass sich die Organisatoren für die Zeit des Festivals "rechtlichen Beistand besorgen" werden, "so dass wir wissen, was unsere Rechte sind." Er ergänzt: "Wir werden zwar freundlich kooperieren - aber nur im Rahmen des Gesetzes."

Prominente Unterstützung erfahren Gasteiger, der Verein Move-Together und der Co-Veranstalter Freiraum aus Dachau vom Runden Tisch gegen Rassismus, der auf dem Festival mit einem eigenen Informationsstand vertreten sein wird. Dem Runden Tisch gehören die katholische und evangelische Kirche, die islamische Gemeinde und fast alle im Dachauer Stadtrat vertretenen Parteien und Gruppierungen an, darunter auch die CSU. Der Sprecher dieses Zusammenschlusses , der Dachauer SPD-Stadtrat Sören Schneider, schreibt in einer Presseerklärung: "Ein nun angekündigtes massives Polizeiaufgebot droht, das kleine Festival zu ersticken." Schneider kommt wie Gasteiger zu dem Schluss eines "unverhältnismäßigen Einsatzes". Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Kreistag, Marese Hoffmann, sekundiert: "Organisatoren, Jugendliche und auch Flüchtlinge, die an dem Festival teilnehmen, werden kriminalisiert."

Albert Kapitza, stellvertretender Leiter der Dachauer Polizeiinspektion, verwahrt sich gegen die Kritik: Es sei Pflicht der Polizei, Veranstaltungen zu kontrollieren. Egal ob Hallenfeste, Konzerte oder Open Airs. Ausdrücklich weist er den Verdacht zurück, die Kontrolle hänge mit dem Ziel der Veranstalter zusammen, etwa den Bayerischen Flüchtlingsrat über den Erlös des Benefiz-Festivals zu unterstützen. Kapitza: "Es handelt sich um einen ganz normalen Polizeieinsatz, unabhängig davon, wer der Organisator ist." Zur Frage, ob 45 Beamte an zwei Tagen der übliche Maßstab für solche Veranstaltungen seien, wollte er keine Angaben machen. Auf der Homepage der bayerischen Polizei findet sich unter dem Stichwort "Chiemsee-Summer-Festival" ein Pressebericht. Demnach waren 2014 auf dem Reggae-Festival für 35 000 Besucher ständig 80 Polizeibeamte im Einsatz.

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SZ vom 18.07.2015
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