Politik:Bekenntnis zur Groko

Die Bundestagsabgeordneten Katrin Staffler (CSU) und Michael Schrodi (SPD) sind sich einig: Die Regierungskoalition in Berlin soll zusammenbleiben. Genossen im Kreis Dachau wollen die Parteimitglieder darüber entscheiden lassen

Von Gerhard Eisenkolb und Gregor Schiegl, Dachau/Fürstenfeldbruck

Der Bundestagsabgeordnete und Fürstenfeldbrucker SPD-Kreisvorsitzende Michael Schrodi bezeichnet sich als Freund klarer linker Positionen. Obwohl er langfristig ein rot-grün-rote Bündnis, also eine linke Regierung in Berlin anstrebt, hält er nichts von einem vorzeitigen Ausstieg der SPD aus der großen Koalition (Groko) mit der Union. In diesem Punkt besteht zwischen ihm und der direkt gewählten Wahlkreisabgeordneten und Brucker CSU-Kreisvorsitzenden Katrin Staffler Einigkeit, auch wenn das aktuelle Regierungsbündnis ebenfalls nicht das von ihr favorisierte ist. Trotzdem lehnt auch die CSU-Politikerin einen Koalitionsbruch ungeachtet aller Unkenrufe und Abgesänge kategorisch ab. Beide plädieren dafür, den Wählerauftrag zu erfüllen. Was beinhaltet, den Koalitionsvertrag einzuhalten und abzuarbeiten. Die SPD-Basis in Dachau pocht hingegen darauf, die Mitglieder über den Fortbestand der Koalition entscheiden zu lassen. Nach Ansicht der zwei Parlamentarier aus dem Wahlkreis Fürstenfeldbruck/Dachau ist die Arbeit der Koalition weitaus besser als ihr Ruf. Ein schlechtes Ergebnis bei der Europawahl sei kein Grund, der einen Koalitionsbruch rechtfertige.

Angesichts des in Berlin Geleisteten spricht Staffler sogar von einem falschen Bild von der Koalition in der Öffentlichkeit, das nicht zur tatsächlich vertrauensvollen Zusammenarbeit passe. Und sie räumt ein, dass die Dinge häufig in den Regierungsparteien und bei deren Mitgliedern anders gesehen würden als in deren Bundestagsfraktionen. Sei doch meist nur den Abgeordneten aus ihrer täglichen Arbeit bekannt, warum man sich auf diesen oder jenen Kompromiss einigen musste.

Auch Schrodi sagt, "es hapert nicht an guter Regierungsarbeit", selbst wenn diese mit Reibungen verbunden sei. Was der SPD-Politiker jedoch vermisst, sind Visionen und die Bereitschaft, sich von so manchem Ballast und lieb Gewonnenem zu lösen. Beispielsweise von der schwarzen Null oder der Schuldenbremse. Weshalb zurzeit Deutschlands Infrastruktur kaputtgespart werde.

Die beiden Bundestagsneulinge gehören dem Parlament erst seit dem Herbst 2017 an. Sie sind sich auch darin einig, dass in Berlin nicht alles optimal läuft. So ärgern Katrin Staffler das Herumnörgeln und die permanenten Diskussionen über das Ob und Wie der Zusammenarbeit der Koalitionspartner. Michael Schrodi findet es fatal, die Arbeit des Bundestags und der Regierung immer mehr auf Schlagworte, Köpfe und Auseinandersetzungen zu reduzieren. Dabei kämen Inhalte zu kurz.

Die 38 Jahre alte Türkenfelderin Staffler spricht sich deshalb dafür aus, künftig die Erfolge der Koalition stärker hervorzuheben. Aus dem Sommer 2018 zieht Staffler die Lehre, dass permanenter politischer Streit nicht honoriert wird. Dagegen werde die Arbeit sehr wohl honoriert, also das, "was wir umsetzen".

Den Sozialdemokraten Schrodi ärgert, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel und damit die Union regelmäßig die Lorbeeren für von seiner Partei erstrittene Gesetzesänderungen wie die Wiedereinführung gleicher Krankenkassenbeiträge für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zugesprochen werden. Der 41 Jahre alte Olchinger sieht in der SPD den eigentlichen Taktgeber und Motor der großen Koalition. Aber seiner Partei gelinge es nicht, bei Wahlen von den eigenen Erfolgen zu profitieren. Damit sich das ändert, soll sich die SPD inhaltlich neu positionieren. Das Manko seiner Partei besteht laut Schrodi darin, auf die Ängste der Menschen zum Klimawandel und zur zunehmenden sozialen Ungleichheit keine klaren Antworten zu haben. Um zukunftsfähig zu werden, soll die SPD jenseits der Regierungsbeteiligung das Gespräch mit Verbänden, Organisationen und der Zivilgesellschaft suchen.

Einen wichtigen Schritt zur Neuorientierung der SPD verbindet Schrodi mit der Krise um den Rücktritt von Andrea Nahles von allen Ämtern. Damit, dass Partei- und Fraktionsvorsitz nicht mehr in einer Hand liegen würden, verbindet er die Chance, dass seine Partei nicht mehr mit der Koalition gleichgesetzt wird. Es bedarf laut Schrodi einer starken SPD, damit seine Partei bei der nächsten Bundestagswahl in der Lage ist, ein Koalitionsangebot jenseits der Union zu machen. Zu künftigen Bündnissen äußert sich Staffler nicht. Sie vertritt die Ansicht, dass es am Ende nicht darum geht, wer gewinne oder verliere. "Es geht am Ende darum, wie ein Land regiert wird und wie ein stabiles Umfeld geschaffen wird." Politiker seien dazu da, "um den Willen der Wähler umzusetzen".

Die Genossen an der Basis sehen die Große Koalition weitaus skeptischer als die Mandatsträger im Bundestag, zumindest wollen sie sie zur Diskussion stellen. Der Gesamtvorstand der SPD im Landkreis Dachau hat auf seiner jüngsten Sitzung eine Reihe von Forderungen an den eigenen Bundesvorstand beschlossen. Dazu gehört eine Abstimmung unter den SPD-Mitgliedern über einen Verbleib in der Großen Koalition. Auch der oder die neue Parteivorsitzende soll sich nach Vorstellung der Dachauer Genossen vor ihrer Wahl einer Abstimmung an der Basis stellen. Diese Abstimmungen sollten kurzfristig - also möglichst noch vor den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen - stattfinden. "Für die Mobilisierung der Partei in den kommenden politischen Auseinandersetzungen ist eine Abstimmung über die Parteispitze und die Haltung gegenüber der Großen Koalition durch alle Parteimitglieder zwingend erforderlich", heißt es in der Begründung des Antrags. "Die Wählerinnen und Wähler in den drei genannten Bundesländern sollten vor ihrer Stimmabgabe wissen, wie die SPD ihren künftigen bundespolitischen Kurs bestimmt."

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