Podiumsdiskussion:Smarte Komplizen

Mobbing und Missbrauch geschehen heutzutage vor allem in der Online-Welt. Ein Netzwerk diskutiert drängende Fragen

Von Petra Schafflik, Dachau

Per Whatsapp melden sich junge Leute mit ihren Problemen bei Tom Rechl, dem örtlichen Jugendbeamten der Polizei. Doch egal welche Anliegen die Kinder und Jugendlichen haben, geklärt werden sie immer im persönlichen Gespräch. Nur in der direkten Kommunikation lassen sich Missverständnisse vermeiden, "sieht man die Reaktionen, Gefühle und Körpersprache des Gegenübers", sagt der erfahrene Jugendbeamte.

Für die Jugend aber ist der Gedankenaustausch in der digitalen Welt normaler Alltag. Genau deshalb hat Rechl auch gut zu tun. Die elektronische Kommunikation hat Probleme verschärft und neue geschaffen. "Mobbing ist schlimmer und massiver geworden, weil die Hemmschwelle sinkt." Auch pädophile Täter nutzten fast ausschließlich das Netz, "weil sie dort leichter an ihre Opfer herankommen". Und mancher Konflikt, den Mädchen und Jungen an den Jugendbeamten herantragen, wäre im direkten Kontakt gar nicht erst ausgeufert. Weil die Streithanseln selbst an der Reaktion des Gegenübers erkannt hätten, dass sie ungewollt eine Grenze überschritten haben.

Beispiel Mobbing: Auch vor der Digitalisierung der Kommunikation gab es diesen Psychoterror. Doch wo sich Opfer früher wenigstens nach Hause zurückziehen konnten vor Anfeindungen und Attacken, läuft Mobbing nun 24 Stunden, wie Rechl erklärt. "Den sicheren Hort gibt es nicht mehr." Zudem würden die Hass-Nachrichten in den sozialen Medien deutlich weiter verbreitet, "das geht oft über mehrere Schulen".

Die Opfer schweigen meist aus Angst, die Situation könnte sich noch verschlimmern, sobald sie Hilfe holen. Eher sind es Außenstehende, Mitschüler, die sich dann an den Jugendbeamten wenden. Rechl sucht dann gemeinsam mit dem Mobbing-Opfer Schritt für Schritt eine Lösung. "Nichts geschieht über deren Kopf, alles nur in Absprache", betont der Jugendbeamte. Oft kann schon ein Gespräch viel bewirken. Denn tatsächlich sähen die jugendlichen Täter oft nicht, was sie auslösen, wie schlecht es ihrem Opfer geht. Hass-Botschaften sind schnell abgeschickt, die Reaktion des Empfängers bleibt dem Absender verborgen. Daher seien manche Mobber ehrlich der Meinung: "Ist doch alles nur Spaß."

Auch sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen geschieht heute online. "Fälle, wo sich Täter in der analogen Welt an ihre Opfer heranzumachen versuchen, sind fast ausgestorben", sagt Rechl. Nicht zuletzt entstehen Probleme, die früher nie ein Fall für den Jugendbeamten gewesen sind. Kleinste Streitigkeiten arten aus, weil die Hemmschwelle im Netz niedriger ist, jemanden derbe zu beleidigen. "Manchmal eskalieren Kleinigkeiten, die sich im Gespräch locker ausräumen lassen."

Doch egal ob juristisch unbedeutender Streit oder schwerwiegende Straftat - klar ist: Digitale Medien verändern die Gesellschaft. Wer aber schützt Kinder und Jugendliche? Und wie wirkt die digitale Welt langfristig auf unsere Werte ein? Diese Fragen werden diskutiert bei einer Podiumsdiskussion unter dem Titel "Missbrauchshelfer Smartphone" an diesem Dienstag, 20. November. Auf dem Podium dabei ist auch der Jugendbeamte Tom Rechl. Gemeinsam mit ihm diskutieren Eltern, Jugendliche und Petra Fuchsbichler, Rektorin der Mittelschule Markt Indersdorf. Die Moderation an diesem Abend übernimmt Helmut Zeller, Redaktionsleiter der Dachauer SZ.

"Missbrauchshelfer Smartphone" ist eine Veranstaltung des Netzwerks Landkreis Dachau gegen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen in Zusammenarbeit mit dem Landratsamt Dachau. Sie findet statt am Dienstag, 20. November, von 20 Uhr an im Ludwig-Thoma-Haus.

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