Podiumsdiskussion des Architekturforums:Der Stadtplaner-Blues

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Andreas Garkisch, Elisabeth Merk und Michael Hardi (v.l.) klagen über baurechtliche Hindernisse und fordern Oberbürgermeister Florian Hartmann und Landrat Stefan Löwl auf, Normen abzubauen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Wie Architektur mehr Lebensqualität schaffen kann, diskutieren Bürger mit Lokalpolitikern und Planern. Dabei wird deutlich, dass Gewinnstreben der Bauherren und gutes Design nicht miteinander vereinbar sind

Von Thomas Altvater, Dachau

Angesichts der immer weiter steigenden Mieten und des enormen Zuzugs ist der Wohnungsbau eines der zentralen Themen in Dachau. Doch wie geht guter Wohnungsbau überhaupt? Braucht es mehr Masse oder mehr Klasse? Oder sogar beides? Diese Fragen diskutierten vor Kurzem fünf Teilnehmer aus Architektur und Politik vor circa 50 Besuchern in der Kulturschranne. Organisiert wurde die Podiumsdiskussion vom Dachauer Architekturforum, als Finissage des Architekturpreises. Dennoch konnte die Runde um Landrat Stefan Löwl (CSU), Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD), der Münchner Stadtbaurätin Elisabeth Merk und der beiden Architekten Andreas Garkisch und Michael Hardi nur wenige konkrete Antworten auf diese Fragen finden. Sie betonten den Wert von guter Architektur.

"Man muss immer beachten, was für den jeweiligen Ort das Richtige ist"

Für Florian Hartmann ist klar, dass eine Stadt wie Dachau nicht immer weiter wachsen könne. "Irgendwann ist auch einmal Schluss." Doch er betont, dass es einen dringenden Bedarf an neuen und vor allem bezahlbaren Wohnungen gebe. "Für junge Familien, für Menschen mit weniger Einkommen und für ältere Menschen", so Hartmann. Ein blindes Wachstum, den Bau ganzer Hochhaussiedlungen lehnt die Runde klar ab. Und betont gleichzeitig den Stellenwert von Architektur in der heutigen, urban geprägten Gesellschaft. "Gute Architektur schafft es bei der heutigen Wohndichte, dass wir gut zusammenleben", erklärte der Münchner Architekt Andreas Garkisch. Dennoch sei die Architektur ein ständiger Abwägungsprozess, wie die Münchner Stadtbaurätin Merk betonte. "Man muss immer beachten, was für den jeweiligen Ort das Richtige ist", so Merk.

Ein Prozess, der immer wieder durch die vielen baurechtlichen Normen und Gesetze verlangsamt und behindert wird. Normen, die oftmals jeglichen Realitätsbezug vermissen lassen. "Wir bauen eine Grünfläche und dann gibt es eine Norm, wie viele Spielgeräte dort stehen müssen", berichtet Garkisch. Wer eine Norm einhält, der breche damit eine andere, so der Architekt. Als Schuldigen haben die Architekten die Politik ausgemacht und appellieren deshalb an Landrat Löwl und Oberbürgermeister Hartmann: "Bitte helfen Sie mit, die vielen Normen abzubauen."

Gutes Design für die breite Masse

Ein weiteres Problem ist, vor allem für Hartmann, die extreme Gewinnorientierung vieler Bauherren. Es gehe nur darum, das Maximale an Quadratmetern herauszuholen, um möglichst viel Geld zu verdienen, so der SPD-Politiker. Dass die Gebäude dann nur wenig ansprechend seien, störe die Bauherren nicht. "Es ist schade, dass diese Leute heute natürlich nicht hier sind." Es brauche gutes Design für die breite Masse, betonte Merk. "Aber das hat noch nicht die Breitenwirkung, die es bräuchte." Auch wenn die Frage der Wirtschaftlichkeit immer im Raum steht, ist klar, dass Architektur etwas kosten muss. Denn das seien Investitionen, die sich langfristig lohnen, so die Stadtbaurätin.

"Wir müssen aber aufpassen, dass wir nicht in einen Stadtplaner-Blues verfallen", versucht Merk die Diskussion wieder auf das eigentliche Thema zu lenken. Doch wie kann man nun Klasse und Masse zusammenbringen? Für alle Diskussionsteilnehmer war klar, dass das nur über Architekturwettbewerbe funktioniert. "Nur so fördert man die Architekturqualität und -diskussion", erklärte Garkisch. Die Menschen würden dadurch die Projekte verstehen und man bekomme eine neue Reichweite, so der Architekt. Das begrüßte auch Löwl, gerade bei größeren Projekten.

Dennoch mahnte der Architekt Michael Hardi, dass man nicht alle Verantwortung auf die Schultern der Architekten legen könne. "Vielleicht sollten wir einmal die Architekten in den Hintergrund und die Stadtplaner in den Vordergrund stellen." Ob ein Haus in der Stadt nun mehr oder weniger ansprechend aussieht, ist Geschmackssache und tatsächlich nicht ganz so wichtig. Entscheidend für die Wohnqualität seien die Flächen zwischen den Häusern, vor allem die Grünflachen, so Hardi. "Das kann ganze Quartiere aufwerten und darauf müssen wir in Zukunft unseren Fokus legen", betonte er.

Als konkretes Projekt sprach Hartmann dann gegen Ende das DEG-Gelände an. Und forderte eine architektonisch wertvolle Gestaltung des Areals. "Auch wenn es dort Geschosswohnungsbau geben wird, müssen wir vor allem die architektonische Qualität sicherstellen." Man wolle nicht einen Klotz neben dem anderen haben. Dafür hat die Stadt einen Gestaltungsbeirat eingesetzt, der genau das überwachen soll. Am Ende waren sich alle Teilnehmer der Podiumsdiskussion einig, dass es gute Architektur nicht für umsonst geben kann. Nur so könne man "schöne Orte schaffen, wo man gerne bleibt und gerne zu Hause ist", wie der Vorsitzende des Architekturforums, Emil Kath, betonte.

© SZ vom 28.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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