Plastiktüten:Zahlen für die Umwelt

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Eine Plastiktüte kostet einen Euro: "Wir sagen den Kunden, dass wir das für die Umwelt machen", sagen die Verkäuferinnen der Bäckerei Denk.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Auch in vielen Dachauer Geschäften sind Plastiktüten als Verpackungsmaterial nicht mehr kostenlos. Dadurch soll der Müll verringert werden.

Von Manuel Kronenberg, Dachau

Der Hinweis ist gut sichtbar an der Kasse angebracht: "Plastiktüten 1 Euro". Bei dem Preis verstauen die Kunden ihre Einkäufe dann doch lieber woanders. "Manche fragen noch nach einer Plastiktüte. Wenn wir dann sagen, dass sie einen Euro kostet, brauchen sie sie plötzlich nicht mehr", sagt Elfriede Orthofer. Sie ist Mitarbeiterin der Bäckerei Denk an der Münchner Straße. Seit mehr als einem Jahr gilt hier der hohe Preis für Plastiktüten.

Dabei gehörte die Bäckereibranche zu denen, die sich gegen eine Selbstverpflichtung des Handels zur Reduktion des Plastiktütenverbrauchs gewehrt hatten. Vor Kurzem unterzeichneten der Handelsverband Deutschland und das Bundesumweltministerium eine entsprechende Vereinbarung, um die Umwelt vom Plastikmüll zu entlasten. Mehr als 240 Unternehmen in Deutschland haben sich verpflichtet, spätestens von Juli an Geld für Tüten zu verlangen. Nicht alle Branchen nehmen teil, und die Vereinbarung erfasst vorerst nur etwa 60 Prozent der Plastiktüten im Einzelhandel. Kritiker halten das Vorgehen nicht nur deshalb für ungeeignet.

Ganz ohne Plastik geht es nicht

Doch wie wirkt sich eine solche Maßnahme im Alltag aus? Ein Rundgang in der Einkaufsmeile Münchner Straße zeigt, dass schon jetzt viele Plastiktüten für Kunden nicht mehr kostenlos sind. In der Metzgerei Blank werden kleine Tragetaschen aus Plastik für fünf Cent herausgegeben. Der Preis gilt auch hier bereits seit vergangenem Jahr. "Ich finde die Maßnahme gut", sagt eine Verkäuferin. "Eigentlich müsste es noch teurer sein." Auch in den Drogeriemärkten "Müller" und "dm" sind die Plastiktüten nicht kostenlos. Beschwerden gibt es deshalb kaum. "Wir sagen den Kunden, dass wir das für die Umwelt machen", erzählt eine Verkäuferin der Bäckerei Denk. "Und dann akzeptieren es die Leute auch." Ganz ohne Plastik geht es hier aber trotzdem nicht: Viele wollen, dass ihr Brot in Plastikfolie verpackt wird. Die Kuchenstücke sind ebenfalls mit Plastikfolie versehen. Und das Fleisch in der Metzgerei wird auch in Plastikfolie eingewickelt. Vor allem in der Lebensmittelbranche gibt es oft keine Alternative. Auch im Dachauer Käseladen werden die Lebensmittel in Plastik verpackt. "Das muss dicht sein", erklärt Sabine Jurk. "Wenn das ausläuft und man Ölflecken in der Tasche hat, muss man sie waschen oder sogar wegschmeißen." Und dann wäre der Umwelt noch weniger geholfen. Aber für die Tragetaschen verlangt auch Jurk Geld. 15 Cent pro Tüte, egal, ob aus Plastik oder Papier.

"Papiertüten sind schlechter für die Umwelt, wenn sie nur einmal benutzt werden", sagt Peter Heller vom Bund Naturschutz. Denn die Kosten für ihre Herstellung sind hoch und es werden viele Ressourcen verbraucht. Für den Vorsitzenden der Dachauer Ortsgruppe des Bundes Naturschutz wäre die richtige Alternative zu Plastiktüten, eigene Taschen und Behältnisse beim Einkauf mitzunehmen. Am besten wäre es, sagt Heller, wenn es gar keine Plastiktüten mehr geben würde. Die Selbstverpflichtung ist für ihn ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings sei der Preis von meistens zehn bis 20 Cent zu niedrig. "Ich glaube nicht, dass das die Leute abschreckt." Deshalb hält der Naturschützer eine gesetzliche Verordnung für den besseren Weg. Doch die nun geschlossene Vereinbarung zur Selbstverpflichtung zeige, dass wirtschaftliche Interessen bei der Entscheidung schwerwiegender waren.

Umweltbewusstsein der Kunden

Bernd Ohlmann vom Handelsverband Bayern (HBE) ist sich dagegen sicher, dass die Maßnahme funktioniert. Er glaubt auch nicht, dass Abschreckung nötig ist. Denn die Akzeptanz und das Bewusstsein für das Thema seien bei den Kunden ohnehin schon hoch. "Manche bemerken gar nicht, wenn die Tüten plötzlich was kosten." Dass nicht genügend Unternehmen mitziehen, darüber macht sich Ohlmann keine Sorgen. Bedenken gebe es nur im Textileinzelhandel. "Da ist vieles Lustkauf. Man plant das nicht und hat keine eigene Tasche dabei." Und wenn Kunden für viel Geld Kleidung kaufen, wollen die meisten nicht auch noch für die Tüte bezahlen. Aber Ohlmann glaubt, dass sich das Bewusstsein auch in diesem Bereich wandelt. Das Ziel der Einzelhändler sei, staatliche Vorgaben zu vermeiden. "Wir wollen nicht vom Staat dazu verdonnert werden", sagt Ohlmann. "Es ist auch für unser Image wichtig, freiwillig voranzuschreiten."

Eine EU-Richtlinie sieht vor, dass jeder EU-Bürger bis Ende 2025 im Schnitt pro Jahr nur noch 40 Tüten verbraucht - momentan liegt die Zahl bei 71. Ob die freiwillige Selbstverpflichtung zu den gewünschten Ergebnissen führen kann, wird das Bundesumweltministerium nach zwei Jahren prüfen. Elfriede Orthofer von der Bäckerei Denk ist jedenfalls von der Methode überzeugt, die Plastiktüten für einen Euro zu verkaufen: "Die Nachfrage ist narrisch zurückgegangen."

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