Süddeutsche Zeitung

Pfarrkirche St. Johannes Baptist:Auf Flügeln des Gesangs

Das Pfingstkonzert von Janet Bens und Petra Morper in Bergkirchen vereint gekonnt barocken Überschwang und modernes Lebensgefühl

Von Dorothea Friedrich, Bergkirchen

Es gewittert heftigst am Montagabend. Da ist kaum etwas ferner als der Gedanke an Maiengrün. Nicht so für viele Bergkirchener. Sie lassen sich auch von Blitz und Donner nicht davon abhalten, einer schönen Tradition zu folgen: Mittlerweile zum zehnten Mal haben Sopranistin Janet Bens sowie Pianistin und Organistin Petra Morper zum Konzert am Pfingstmontag in die voll besetzte Pfarrkirche Sankt Johannes Baptist eingeladen. Heuer steht das Programm unter dem poetischen Motto "Schmücket das Fest mit Maien". Das ist zugleich die erste Zeile eines alten Kirchenlieds, der Titel eines geistlichen Konzerts für Sopran, Trompete und Orgel des hierzulande kaum bekannten Bach-Zeitgenossen Tobias Volckmar (1678-1756) und am Pfingstmontag der Auftakt für Musik aus drei Jahrhunderten und einem ungewöhnlichen Programm.

Letzteres ist auch zwei hervorragende Instrumentalisten zu danken: Hornist Manfred Giosele und der junge Trompeter Michael Nauderer haben zusammen mit den Initiatorinnen Janet Bens und Petra Morper barocken Überschwang, romantische Sehnsüchte und modernes Lebensgefühl in ein stimmiges musikalisches Tableau zusammengefügt.

Sopranistin, Organistin und Trompeter lassen mit Volckmars geistlichem Konzert die Töne förmlich von der Orgelempore ins Kirchenschiff perlen, singen und spielen im schönsten Dreiklang und zaubern eine heiter-gelöste Stimmung, die die Seele weit macht. Hornist Giosele hat für seinen ersten Auftritt die Pastorale für Horn und Orgel des Schweden Sven August Körling (1842-1919) ausgewählt, ein Stück voller nordischer Romantik, mit dem Giosele den dringenden Wunsch nach Meer und Stille wachruft.

Romantik der anderen Art bringt der zweite Teil des Konzerts, bei dem sich die Solisten im Altarraum einfinden. Janet Bens schwebt buchstäblich "Auf Flügeln des Gesanges". Sie singt diesen Klassiker von Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847), dessen "Frühlingslied" und seinen "Gruß" mit viel Gefühl, ohne ins Pathetische abzugleiten. Und steigert sich noch einmal mit "Nell" und "Le papillon et la fleur", zwei Liedern von Gabriel Fauré (1845-1927). Es sind Lieder voller unerfüllter und unerfüllbarer Liebesfantasien, voller Zärtlichkeit und Leidenschaft. Janet Bens singt sie so ausdrucksvoll, dass es eigentlich keine Übersetzung der französischen Texte im Programmheft gebraucht hätte. Auch so kann man der armen, erdgebundenen Blume nachfühlen, wie sie sich nach dem unerreichbaren, flatterhaften Schmetterling verzehrt. Manfred Giosele zeigt sich mit dem Larghetto aus Luigi Cherubinis Sonate Nr. 1 für Waldhorn und Streichorchester als empfindsamer Meister seines Instruments und als einfühlsamer Begleiter bei Charles Gounods (1818-1893) "Le soir" für Sopran, Horn und Klavier, einem echten Juwel der Liedkunst. Trompeter Nauderer schickt mit Alexander Arutjanjans (1920-2012) virtuosem Trompetenkonzert an diesem Ort eher selten gehörte Töne in den Raum. Lässt doch Arutjanjan in diesem Werk traditionelle Musik seiner armenischen Heimat gewissermaßen in klassischer Konzertform sprechen. Nauderer spielt das anspruchsvolle Stück hoch konzentriert und doch musikantisch-locker. Petra Morper, die an diesem Abend an der Orgel und am E-Klavier pausenlos im Einsatz ist, bewältigt den schwierigen Orchesterpart mit unglaublicher Gelassenheit. Ihr gelingt das große Kunststück, als Organistin, als Klavierbegleiterin und als "Orchesterersatz" gleichermaßen zu überzeugen. Das hat wesentlich dazu beigetragen, dieses Konzert zu einem Fest für die Ohren zu machen und im Zusammenspiel mit allen Solisten ihr Publikum restlos zu begeistern. Und weil Pfingsten ja auch ein Fest der Wunder ist, ist es nicht ausgeschlossen, dass es sogar diese wunderbare Musik gewesen sein könnte, welche die Gewitterwolken vertrieben hat.

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Quelle:
SZ vom 12.06.2019
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