Petershausen:Ein Traum

Die Theatergruppe der Grundschule in Petershausen inszeniert das Märchen "Peterchens Mondfahrt" als Astrid-Lindgren-Geschichte über kindliche Sehnsüchte. 70 Schülerinnen und Schüler treten an zwei Tagen vier Mal auf

Von Wolfgang Eitler, Petershausen

Vermutlich kennen viele Eltern, die zur Premiere von "Peterchens Mondfahrt" gekommen sind, das Märchen vom Käfer Sumsemann nicht. Die verhaltene Reaktion auf eben diese Frage der Petershausener Konrektorin Anja Neubert in der Aula der Grundschule lässt zumindest vermuten, dass die wenigsten noch mit dem Klassiker deutscher Kinderliteratur aufgewachsen sind. Maikäfer sind auch nicht mehr allen geläufig. An deren Häufigkeit werden sich vermutlich nur noch Großelterngenerationen erinnern. Denn in den fünfziger und sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts war die Käferart durch das hochgiftige Insektizid DDT, das als Pflanzenschutzmittel eingesetzt wurde, fast vollständig vernichtet worden. Auch als 1912 das Märchen von der wundersamen Rettung eines Maikäfer-Füßchens vor dem bösen Mondmann erschien, war diese Spezies nicht sehr beliebt.

Insofern verwundert es, dass im Mittelpunkt eines Märchens der damaligen Zeit ein ängstlicher Herr Sumsemann stehen konnte, der bei jeder noch so kleinen Gefahr ohnmächtig wird. Diese Reaktion ist übrigens typisch für Maikäfer, die tatsächlich auf den Rücken fallen, die Beinchen in die Höhe strecken und sich tot stellen. Die humanistische Botschaft des Märchens ist die der umfassenden Tierliebe. Denn das Maikäferbeinchen vom Mond können nur zwei Kinder reinen Herzens retten.

Petershausen Theater

Große Freude, stolze Kinder und riesiger Applaus. Die Premiere des Märchens "Peterchens Mondfahrt" in der Grundschule in Petershausen begeistert das Publikum.

(Foto: Christian Habel)

Die Botschaft bleibt bei der Inszenierung in Petershausen zwar erhalten, aber die Grundschüler haben die Geschichte nicht nur anrührend gespielt, sie haben sie gemeinsam mit den beiden Regisseurinnen Christine Schmidt und Isabelle Kleinmann-Eitler sowie Chorleiterin Andrea Gonnert neu interpretiert. Sie haben das Märchen in eine Astrid-Lindgren-Geschichte verwandelt, für die das Träumen zentral ist: Das Träumen als hoffnungsvolle Vorwegnahme eines friedlichen Lebens, selbst wenn die Naturgeister wie die Blitzhexe oder Windliese und nicht zuletzt der Donnermann einem Angst machen können. Das Träumen, das solche Empfindungen aushält. Das Träumen, das Kinder und Zuschauer miteinander verbindet. Vor allem schafft Träumen neue Bilder.

Schon die Anfangsszene ist in ein glitzerndes Blau getaucht, das sich im Laufe der Premiere in ein helles Gold oder ein sternenklares Weiß verwandelt. Die düstere Szene des Kampfs mit dem Mondmann ereignet sich als Schattenspiel. Musik erklingt. Der Chor begleitet mit Liedern durch die Abenteuer von Sumsemann, Anneliese und Peterchen. Eines nachts wachen die beiden Kinder auf und hören einen ziemlich großen Maikäfer Violine spielen. Im fehlt ein Bein, weil einer seiner Vorfahren seines an den bösen Mondmann verlor. Die drei fliegen los, landen auf der Sternenwiese, wo ein rührend behäbiger Sandmann den Sternennachwuchs unterrichtet. Gemeinsam setzt das Quartett die Reise zur Nachtfee fort. Sie hat alle Naturgeister zum Fest geladen. Und ohne sie kann der Mondmann nicht besiegt werden.

Petershausen Theater

Die Theatergruppe präsentiert sich zum Abschlussbild mit den Geschwistern Peterchen und Anneliese.

Der Eismax gibt sich generalstabsmäßig forsch, die Blitzhexe glitzert ihre Lichtbrechungen auf die Bühne, der Donnermann wütet mit dunkler Stimme, die Windliese fegt tänzerisch übers Parkett, der Regenfritz hüpft "tip-tip" anmutig, der Wassermann spricht so, als ob es tatsächlich plätschert, und Frau Holle lässt es gemächlich schneien. Im Kontrast zeigt sich Anneliese zart, aber willensstark. Peterchen ist bubenhaft mutig und entschlossen. Sumsemann hingegen schwebt zwischen zittriger Selbstbeherrschung und Nervenzusammenbruch. Wunderbar.

Nun ließe sich der eine oder andere Schauspieler im Alter zwischen acht und zehn Jahren hervorheben. Allerdings besteht die Theatergruppe der Lehrerinnen Kleinmann-Eitler und Christine Schmidt aus 46 Mitgliedern, die in zwei Besetzungen vier Mal auftreten. Außerdem ist der Zusammenhalt eines der zentralen Anliegen schulischen Theaterspiels.

Die Inszenierungen der vergangenen Jahre kreisten stets um ein besonderes Thema, beispielsweise um Bewegung, Tanz oder auch die Pantomime. Dieses Jahr ist es die Sprache. Denn die Geschichte entfaltet sich in Dialogen, die den Kindern Enormes abverlangen. Bis in die kleinste Nebenrolle muss jedes den gesamten Text beherrschen, um seinen Einsatz nicht zu verpassen und um die Geschichte voranzutreiben. Am Ende liegen Anneliese und Peterchen wieder in ihrem Bett und fragen sich: "War es ein Traum?" Mit dem langsamen Walzer "Kalimando" des Cirque du Soleil schwebt diese Frage über das Ende des Theaterspiel hinaus. Ein Traum.

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