Süddeutsche Zeitung

Petersberg:Zwischen Orient und Okzident

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Gitarrist Oliver Thedieck gibt ein anmutiges, lehrreiches Konzert

Von Renate Zauscher, Petersberg

Der Gitarrist Oliver Thedieck, der lange in München gelebt hat und heute in Würzburg zu Hause ist, war schon häufig Gast auf dem Petersberg. Er liebt die Atmosphäre des Orts - auch dann, wenn er, so wie diesmal, aus Witterungsgründen nicht in der Basilika spielen kann, seine akustische Gitarre verträgt die Kälte nicht gut. Für den Saal im Unteren Haus hatte Thedieck deshalb einen kleinen Verstärker mitgebracht, damit man ihn auch in den hinteren Reihen hören konnte.

Für das Konzert am Samstag hatte Oliver Thedieck ein Programm zusammengestellt, in dem sich klassisch spanische und südamerikanische Gitarrenmusik die Waage hielten, beides Schwerpunkte von Thediecks Musizieren. Den Auftakt des Konzerts bildete die Komposition "Asturias" von Isaac Albéniz (1860 - 1909). Schon in diesem sehr bekannten Stück spanischer Musik wurde deutlich, wie wichtig Thedieck der intime Charakter des Gitarrenspiels ist: Er lässt leise Töne in großer Ruhe nachklingen, hört ihnen konzentriert, mit geschlossenen Augen nach und erzeugt so auch im Publikum die gerade für diese Art der Musik und Musizierens nötige Aufmerksamkeit. Eigentlich war Albéniz Pianist; seine Komposition "Asturias" wurde so wie zahllose andere von seinem Freund und Zeitgenossen Francisco Tárrega (1852 -1909) für die Gitarre transkribiert. Tárrega, berühmt für seine spezifische Spieltechnik, hat mit eigenen Kompositionen den Siegeszug der klassischen spanischen Gitarrenmusik wesentlich mitbestimmt. "Recuerdos de la Alhambra", Erinnerungen an den Alhambra-Palast in Granada, und eine zweite Komposition, "Capricho árabe", hatte Oliver Thedieck für das Programm auf dem Petersberg ausgewählt, Letzteres ein Stück, in dem der Komponist Eindrücke einer Reise nach Tunis verarbeitet hat. Schon der Titel des zweiten Stücks gibt Auskunft darüber, in welchem kulturellen Kontext sich die klassische Gitarrenmusik Spaniens entwickelt hat: Arabisch-maurische Einflüsse sind so wie auch im Flamenco allenthalben hörbar. Auch die Gitarre selbst komme aus diesem Kulturraum, erklärte Thedieck seinen Zuhörern.

Für das Publikum sind solche Verweise ein Gewinn. So konnte man dank Thediecks Erläuterungen den Gang des Komponisten Agustin Barrios (1885 bis 1944) im ersten Satz seines Werks "La Catedral" durch die Kathedrale von Montevideo genauso Schritt für Schritt nacherleben wie das Hinaustreten ins quirlige Straßenleben der Stadt oder das lebhafte Plaudern einer Frau aus Bahia im Stück "Conversa de Baiana" von Dilermando Reis (1916 - 1977).

Mit den beiden letzteren Komponisten, Agustin Barrios aus Paraguay und Dilermando Reis aus Brasilien, war Thedieck von Spanien nach Südamerika gewechselt, wo die Gitarrenmusik nicht mehr primär von arabisch-maurisch Einflüssen geprägt ist sondern vermehrt durch solche aus der südamerikanischen Volksmusik. Barrios, von Oliver Thedieck als besonders schillernde Person beschrieben, trat sogar gelegentlich in indianischer Tracht mit Federkopfschmuck auf, um diese Einflüsse auch optisch sichtbar zu machen.

Mit dem "Klang von Glocken", "Sons de Carrillhoes", von Joao Pernambuco (1883-1947), auch er Brasilianer, und einer Milonga, einer Unterart des Tangos, des 1949 geborenen Argentiniers Jorge Cardoso als Zugaben endete das Konzert. Schwermütig, sehr traurig sei diese Milonga, eine der berühmtesten Kompositionen Cardosos, sagt Thedieck, genau das allerdings fänden Argentinier "besonders schön". Aber nicht nur sie: Auch das Publikum ließ sich von Thedieck und seiner Gitarre bezaubern und dankte immer wieder mit viel Applaus.

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SZ vom 07.01.2020
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