Auktion mit Werken von Paula Wimmer:Später Ruhm einer Verfemten und Vergessenen

Auktion mit Werken von Paula Wimmer: Paula Wimmer in ihrem "Selbstbildnis als Spanierin" (1925), Schätzpreis 900 Euro.

Paula Wimmer in ihrem "Selbstbildnis als Spanierin" (1925), Schätzpreis 900 Euro.

(Foto: Scheublein Art (Repro))

Auf einer Herbstauktion in München werden am Freitag mehr als hundert Werke von Paula Wimmer versteigert, darunter viele mit Dachauer Motiven.

Von Gregor Schiegl, Dachau

Paula Wimmer, die wohl bedeutendste expressionistische Malerin, die in Dachau gewirkt hat, zeichnete gerne Katzen. Und sie malte gerne Pferde. Auf dem Dachauer Künstlerweg, der quer durch die Stadt führt, stößt man an der Amperbrücke zur Thoma-Wiese auf eine Infotafel zu einem ihrer Gemälde, Titel: "Volksfest in Dachau". Entstanden ist es um das Jahr 1930. Es zeigt ein buntes Treiben vor geschmückten Ständen. Mittendrin: ein rotbraunes Pferd. Das Original hängt in der Dachauer Gemäldegalerie. Paula Wimmer starb 1971 in Dachau, hochbetagt mit 95 Jahren, aber völlig verarmt. Begraben ist sie auf dem Dachauer Waldfriedhof.

Heute zählt sie zu den herausragendsten Künstlerinnen in der an Künstlern wahrlich nicht armen Geschichte Dachaus. Als frühe Vertreterin des Expressionismus tat sie sich durch ihre enorme Experimentierfreude hervor: Ihre Landschaftsgemälde in leuchtend rotem Kolorit erregten beim Publikum damals einiges Aufsehen. Heute werden ihre Bilder und Grafiken hoch gehandelt. Rund hundert von ihnen kommen Ende dieser Woche im Münchner Auktionshaus Scheublin unter den Hammer. Die Schätzpreise der angebotenen Arbeiten liegen zwischen 300 und 1500 Euro. Sie zeigen vor allem Motive aus der Dachauer und Münchner Umgebung.

"Da die Künstlerin die wenigsten ihrer Werke datierte, lässt sich kaum eine stilistische Einordnung treffen", schreibt das Auktionshaus. "Alle allerdings reflektieren primär ihren experimentellen Zugang zum Expressionismus und lassen ihr immer wieder neues Ringen um eine eigene, von kräftigen Farben und Formen geprägte Bildsprache eindrücklich fassbar werden."

Vom Impressionismus zum Expressionismus

Paula Wimmer wurde 1876 im Münchner Villenvorort Solln geboren. Die junge Frau aus bürgerlichem Hause entschied sich früh für eine künstlerische Laufbahn. Im ausgehenden 19. Jahrhundert war das für eine Frau alles andere als ein einfaches Unterfangen. An Kunstakademien waren Frauen nicht zugelassen, in dem verknöcherten Betrieb sprachen manche Herren Professoren den Frauen sogar die grundsätzliche Befähigung zu einer echten schöpferischen Tätigkeit ab. Alles, was sie schufen, konnte in ihren Augen daher nur dilettantisch sein.

Paula Wimmer ließ sich davon nicht abschrecken: Sie studierte an privaten Kunstschulen in München und Paris, reiste für längere Aufenthalte nach Italien und wurde 1908 in der Damenakademie des Münchner Künstlerinnenvereins aufgenommen. Dort belegte sie, neben Akt- auch Freilichtmalerei. Die Kurse gab der Spätimpressionist Max Feldbauer in Dachau. Dabei entdeckte Wimmer den Ort, den sie bald als Lebensmittelpunkt wählen sollte, für sich: die Stadt Dachau.

Als ihr Lehrer an die Kunstgewerbeschule in Dresden berufen wurde, ließ sie den Impressionismus hinter sich. Nach einigen längeren Aufenthalten in Berlin, wo sie sich unter anderen mit der Dichterin Else Lasker-Schüler anfreundete, wandte sie sich dem Expressionismus zu. Für den Rest ihres Lebens sollte dieser Stil ihr großes künstlerisches Experimentierfeld bleiben.

Auktion mit Werken von Paula Wimmer: Das Dachauer Volksfest hat Paula Wimmer häufiger gemalt. Diese undeutlich datierte Arbeit stammt wohl von 1926, Schätzpreis 700 Euro.

Das Dachauer Volksfest hat Paula Wimmer häufiger gemalt. Diese undeutlich datierte Arbeit stammt wohl von 1926, Schätzpreis 700 Euro.

(Foto: Scheublein Art (Repro))
Auktion mit Werken von Paula Wimmer: Blatt aus der Position "Dachauer Ansichten". Sechs kleine Radierungen, eine koloriert. Schätzpreis 600 Euro.

Blatt aus der Position "Dachauer Ansichten". Sechs kleine Radierungen, eine koloriert. Schätzpreis 600 Euro.

(Foto: Scheublein Art (Repro))
Auktion mit Werken von Paula Wimmer: Gerade wieder hochaktuell: "Oktoberfest in München", Schätzpreis 900 Euro.

Gerade wieder hochaktuell: "Oktoberfest in München", Schätzpreis 900 Euro.

(Foto: Scheublein Art (Repro))

1915/16 ließ sich Paula Wimmer endgültig in Dachau nieder in der "Kleinen Moosschwaige", in der sich heute städtische Künstlerateliers befinden. Allerdings verlor sie während der Wirtschaftskrisen der Zwanzigerjahre ihr gesamtes Vermögen. Zunächst konnte sie sich mit dem Verkauf von Bildern über Wasser halten. Als die Nationalsozialisten eines ihrer Werke als "entartet" vernichteten, war es damit vorbei: Sie zog sich komplett vom Kunstmarkt zurück. Nach dem Krieg begann sie wieder, künstlerisch zu arbeiten, sie stellte in München und bei der Dachauer Künstlervereinigung (KVD) aus. Dennoch starb sie 1971 völlig verarmt und vergessen.

Erst eine Ausstellung der Dachauer Galerien und Museen in den 1990er Jahren und das in den vergangenen 15 Jahren gestiegene Interesse am Werk der unerschrockenen "Malweiber" des frühen 20. Jahrhunderts rückte auch Paula Wimmers Kunst wieder mehr ins Blickfeld der allgemeinen Aufmerksamkeit. Heute genießen ihre Werke die Anerkennung, die sie schon zu Lebzeiten verdient gehabt hätten.

Die Auktion findet am Freitag, 23. September, statt. Der Aufruf der Sammlung Paula Wimmer ist für circa 17 Uhr angesetzt. Die Vorbesichtigung in der Waltherstraße 23, Rückgebäude, ist noch bis Donnerstag, 22. September, täglich von 10 bis 17 Uhr möglich.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusSZ-Serie: Wer samma? - Identität und Wandel im Landkreis Dachau
:Lernort Indersdorf

In der Marktgemeinde hat nicht nur die Gebietsreform für viele Veränderungen gesorgt, auch die Bildungsreform hat die Strukturen in der Gemeinde verändert. Davon zumindest ist einer überzeugt, der es wissen muss: der einstige Lehrer und Altbürgermeister Josef Kreitmeir.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: