Pädagoge:Erzieher auf Lebenszeit

Integrationskindergarten

Zum Opa in den Kindergarten: Dieter Schafflik (r.) und Enkelin Laura bei kreativen Sandspielen im Integrationskindergarten. Sohn Simon (l.) ist ebenfalls Erzieher.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Seit 40 Jahren arbeitet Dieter Schafflik im Integrationskindergarten Himmelreich. Jetzt ist er 66 und könnte in Rente gehen. Doch für den Kunstpädagogen ist die Elterninitiative wie eine Familie

Von Andreas Förster, Dachau

Dieter Schafflik liebt seinen Garten. Seit gut 40 Jahren hegt und pflegt er ihn liebevoll. Mit Leidenschaft und Zuwendung sorgt er dafür, dass die Pflänzchen sich entfalten und dabei tiefe Wurzeln eingraben. Es sind die Wurzeln des Vertrauens in sich selbst und das eigene kreative Potenzial. Schaffliks Garten ist der Integrationskindergarten Himmelreich in Dachau, dem er seit nunmehr 40 Jahren als Kunsterzieher seinen bunten Stempel aufdrückt.

Schafflik ist 66 Jahre alt und könnte längst in Rente gehen. Will er aber nicht. Einer wie er braucht die Kindergartenluft, die Werkstatt, das gemeinsame Malen, Basteln, Hämmern und Sägen. Sonst würde er vertrocknen wie eine Pflanze ohne Wasser. Hunderte Laternen hat er über die Jahre zusammen mit den Buben und Mädchen gebaut und an Sankt Martin auf kleinen Flößen im Stadtweiher schwimmen lassen. Er liebt es, für die Kinder Gitarre zu spielen. Auf dem fast kahlen Kopf trägt er würdevoll seinen alten Schlabber-Hut. So kennt man ihn. So hat er schon die Eltern seiner Eleven bespielt, als diese noch klein waren. Jetzt bringen sie ihren Nachwuchs dorthin, wo sie selbst als Kinder glücklich waren. Zuerst am Himmelreichweg, jetzt in der ehemaligen MD-Villa in der Konrad-Adenauer-Straße. Auch sein älterer Sohn, Jonas, 32, war bei ihm. Weil es damals nur eine Gruppe gab, war das aber "nicht so optimal", räumt Schafflik ein. So gab er den Jüngeren, Simon, 27, in eine andere Einrichtung.

Gerade seine Söhne haben einen entscheidenden Anteil daran, dass er sich überhaupt so fest und so lange an die Kita band. Denn insbesondere das familiäre Umfeld dieser ersten Elterninitiative Dachaus, gegründet 1972, half ihm über die schwierigste Zeit seines Lebens hinweg: Als seine Frau auf einer Elternfreizeit plötzlich starb, war Jonas erst fünf und Simon noch kein Jahr alt. "Das Netzwerk im Kindergarten, die Hilfe, die ich von den Kollegen und Eltern bekam, haben mich damals durchgetragen", sagt Schafflik. So wurde der Kindergarten zu einer Art Familienersatz, zu seinem Garten Eden.

Eigentlich wollte Schafflik nach dem Abitur Kunst studierten. Doch die Akademie in München wollte ihn nicht. Als Mann der Tat hielt er sich schon damals nicht lange mit Trübsal blasen auf. Im Lehramtsstudium für Kunsterziehung in Pasing fand er eine geeignete Alternative. Während des Referendariats jobbte er schon im Kindergarten. Gründerin Almut Gruber erinnert sich: "Eine bewegte Zeit. Wir wollten unseren Kindern etwas Besonderes bieten, mit viel Kreativität, selbstbestimmtem Miteinander und Inklusion von Kindern mit Förderbedarf." Und mit einem Mann im Betreuerteam - damals eine echte Rarität. Dieter Schafflik war der Richtige: freundlich, sprühend vor Kreativität, unkonventionell. Nach regelmäßigem Schnuppern, Vertretungsdiensten und einer Übergangszeit als freier Künstler bot man ihm eine Vollzeitstelle an. Er sagte zu. Das Referendariat blieb unvollendet. So wurde aus einem womöglich mittelmäßig inspirierten Lehrer ein hoch motivierter Kindergärtner. "Die Motivation hat nie nachgelassen, weil mir meine künstlerische Freiheit nie beschnitten wurde", sagt Schafflik. So konnte er seine Stärke, die Kreativität, stets ausspielen, die Leitung, und damit auch die Büroarbeit, überließ er lieber anderen.

Seine Söhne sind gewissermaßen in seine Fußstapfen getreten: Simon arbeitet als Erzieher sowohl im Jugendzentrum Dachau-Ost als auch im Integrationskindergarten. Und Jonas ist Hobby-Musiker wie sein Vater, spielt Schlagzeug, unter anderem in der Band Vacilon, die sich 1998 aus mehreren Kindergartenvätern gebildet hat. Und natürlich gehen Jonas' Kinder, Luca und Laura, zu ihrem Opa in den Kindergarten. Wie lange der noch bleiben will? "So lange ich fit bin und Spaß an der Arbeit habe", sagt Schafflik und schmunzelt.

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