Jubiläumsausstellungen fallen meist eine Spur größer aus als reguläre Ausstellungen, so gehört sich das. Aber so wie Dachauer Künstler nun ihre schon mehr als drei Jahrzehnte währende Freundschaft mit ihren Künstlerkollegen aus dem polnischen Oświęcim feiern, muss man schon fast von einem Kunst-Festival sprechen: 15 Künstlerinnen und Künstler bespielen mit etwa 120 Kunstwerken - Bilder, Skulpturen, Installationen und Videos - sechs Wochen lang vier Galerien in der Dachauer Altstadt. Dabei ist es ein eher krummes Jubiläum, das heuer begangen wird: 33 Jahre Künstlerfreundschaft, denn die erste gemeinsame Ausstellung fand 1989 statt. Anstoßen kann man außerdem auf die Partnerschaft Dachaus mit dem Landkreis Oświęcim, die bereits acht Jahre währt.
Geplant gewesen war das alles ganz anders, schon 2020 sollte die große Jubiläumssause stattfinden: 30 Jahre Künstlerfreundschaft, fünf Jahre Landkreispartnerschaft. Aber, was davor keiner auf dem Zettel hatte: Auch der Covid-19-Erreger feierte seinen ersten pandemischen Jahrestag, die verordneten Kontaktbeschränkungen machten all die schönen Pläne für ein großes Beisammensein zunichte. Die bereits angelieferten Arbeiten wurde in der Neuen Galerie Dachau gezeigt, quasi als erste Mini-Jubiläumsausstellung. Wegen der strengen Corona-Auflagen kamen aber nur wenige Besucher. Die Schau wird vor allem wegen ihres Titels in Erinnerung bleiben: "Bilder keiner Ausstellung".
Einen Jubiläumskatalog hatte man schon zu den Feierlichkeiten 2020 gedruckt: Mit Porträts aller teilnehmender Künstler und allerlei Grußworten lokaler Politiker. Dachaus Landrat Stefan Löwl (CSU) hebt darin hervor, wie wichtig die persönlichen Kontakte "im Sinne eines friedvollen Zusammenlebens in Europa" seien. Vor drei Jahren klang das noch wie eine Phrase. Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat diese Worte mit neuer Bedeutung gefüllt. Auch die gefeierte Künstlerfreundschaft hat politisches Gewicht zurückgewonnen, das sie im 33. Jahr gar nicht mehr haben müsste und auch nicht mehr haben soll - wo alles jetzt so leicht sein könnte, künstlerisch und menschlich gesehen.
Die "Gruppe D" kämpft gegen Dachaus Geschichtsvergessenheit
Doch aller Anfang ist schwer, so war es auch hier vor mehr als 30 Jahren. Der Begriff "Lern- und Erinnerungsort" war in Dachau noch unbekannt. Mit der Geschichte Dachaus als Standort des ersten durchgängig betriebenen Konzentrationslagers der Nazis wollte sich in der Stadt kaum einer auseinandersetzen. Die "Gruppe D", eine informelle Gruppierung progressiver Künstler, zu denen neben Bruno Schachtner und Heinz Eder auch Heiko Klohn gehörte, kämpfte gegen die Geschichtsvergessenheit von Politikern und Bürgern. Sie engagierte sich für ein Haus der Jugendbegegnung - eine Idee, welche die konservativen Kräfte der Stadt erbittert bekämpften.
Die damalige Gedenkstättenleiterin Barbara Distel ermöglichte der "Gruppe D" 1989 eine Ausstellung an der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Oświęcim, dort war man schon weiter als in Dachau. Auch dieser Ort war in der Welt weniger bekannt für seine hübschen, bunten Häuschen in der Altstadt, als für seinen von den Nazis mit erbarmungsloser deutscher Perfektion organisierten Ort des Grauens: Vor den Toren Oświęcims stand das Vernichtungslager Auschwitz; heute ist es, wie das einstige KZ Dachau, eine Gedenkstätte. Diese historische Verbindung beider Orte war prägend und anfangs auch eine der stärksten Klammern.
"Die ersten Ausstellungen, waren sehr politisch", erzählt Heiko Klohn. Aber mit den Jahren sei der Aspekt immer mehr in den Hintergrund getreten. Und das sei auch gut so, findet Klohn. "Mich hat das Plakative irgendwann genervt", sagt er: "Jetzt steht vor allem die künstlerische Qualität im Vordergrund." Vielleicht sei diese neue Ausstellung sogar die beste, die sie je gezeigt hätten, sagt Klohn. Auf alle Fälle ist es die umfangreichste. Allein das Herumtragen der vielen Arbeiten: "eine Knochenarbeit".
Von wegen "das ist kein Spezial Problem"
Dass die ersten Schritte vor 33 Jahren alles andere als leicht waren, schildert der Dachauer Künstler in dem vor drei Jahren gedruckten Jubiläumskatalog anschaulich. Anfangs erreichten ihn oft Briefe wie diese: "Hello Heiko, ich planiere eine Ausstellung in Oświęcim. Ist das gut für Du und deine Kollege?" - "Natürlich machen wir die Ausstellung, Paweł", schrieb Klohn eine Woche später zurück, denn so lange brauchten die Briefe damals noch: "Aber wie ist das mit dem Transport, Übernachtung und dem Zoll?" Zwei Wochen später kam die Antwort von Warchoł: "Das ist keine Spezial Problem. Ihr ladet die Sachen in die Autos und fahrt los."
Leichter gesagt als getan. Es sei vorgekommen, "dass wir - völlig überladen - schon auf Tschechiens Straßen eine Auspuffanlage sowie tiefe Spuren in einem noch nie erlebten Schneesturm hinterließen", erzählt Klohn. Das "Keine-Spezial-Problem" am Zoll konnten sie erst lösen, als sie begriffen, "dass mit Papieren weder Reisepass noch Führerschein gemeint" waren. In Freundschaften muss man eben manchmal ein bisschen investieren.
Eine neue Generation rückt nach
Auch wenn diese Künstlerfreundschaft zwischen Dachau und Oświęcim über alle politischen Widerstände und Verwerfungen eine eindrucksvolle Beständigkeit bewiesen hat: Nach 33 Jahren ist nicht zu übersehen, dass sich Veränderungen anbahnen, ein Generationenwechsel steht an. Leszek Szuster, Direktor der Internationalen Jugendbegegegnungsstätte in Oświęcim und seit Anbeginn wichtiger Partner und Freund, wird wohl bald in den Ruhestand gehen. Auf Dachauer Seite hat sich Heiko Klohn bereits in die zweite Reihe zurückgezogen, die Organisation der Jubiläumsfeierlichkeiten lastet vor allem auf den Schultern von KVD-Vorstandsmitglied Florian Marschall. Wie viel Zeit ins Land gegangen ist, sieht man schon daran, dass der aktuelle KVD-Vorsitzende Johannes Karl noch ein Knirps von sieben Jahren war, als der erste Künstleraustausch mit Oświęcim stattfand.
Auch wenn derzeit nicht klar ist, wer die federführende Rolle von Heiko Klohn übernehmen könnte, ist keinem in der KVD um die Zukunft der Künstlerfreundschaft bange. "Es gibt jedenfalls keinen, der sie einschlafen lassen will", sagt Florian Marschall. Diese groß aufgezogene Ausstellung ist dafür vielleicht der beste Beweis.
33 Jahre Künstlerfreundschaft. Vernissagen an diesem Donnerstag, 28. Juli, in der Neuen Galerie Dachau, in der Kleinen Altstadtgalerie, in der Galerie Lochner und in der Galerie der KVD, jeweils zwischen 18 und 19.30 Uhr. Um 19.30 Uhr findet die offizielle Eröffnung im Hof der Kleinen Altstadtgalerie statt. Die teilnehmenden Künstler sind Anna Rosa Lea Dietze, Johannes Karl, Heiko Klohn, Agnieszka Kobielusz, Nina Annabelle Märkl, Florian Marschall, Annekathrin Norrmann, Martyna Paluchiewicz-Łabaj, Waldemar Rudyk, Wolfgang Sand, Paweł Warchoł , Elżbieta und Jerzy Pietruczuk, Remigiusz Dulko und Barbara Wójcik. Öffnungszeiten der Galerien: Donnerstag bis Samstag 16 bis 19 Uhr, Samstag 14 bis 18 Uhr. Die Ausstellung dauert bis Sonntag, 4. September.