Die etwa 120 Sängerinnen und Sänger der Liedertafel Dachau und der Chorgemeinschaft Dachau, wissen ganz genau, was ihr Dirigent Tobias Hermanutz von ihnen verlangt, wenn er sagt: "Bei sechs beginnen und bei sieben abnehmen." Schließlich bereiten sie sich seit einem Jahr auf die Erstaufführung von Giuseppe Verdis Messa da Requiem in Dachau vor. Nach einer unvergesslichen Aufführung von Johann Sebastian Bachs Matthäus-Passion ist dies das zweite Gemeinschaftsprojekt der beiden Dachauer Chöre. Und es verspricht, ein musikalisches Ereignis von besonderer Güte zu werden. Als der Chor das zentrale "Dies irae - Tag des Zorns" anstimmt, geht einem das schon beim Probenbesuch im Adolf-Hölzel-Haus durch Mark und Bein. Erleben wir nicht gerade Tage des Zorns, fragt man sich da unwillkürlich angesichts der weltweiten Verwerfungen.
Doch das ist nur die eine Seite dieser grandiosen Totenmesse. Die andere sei "theatrum sacrum" - heiliges Theater oder auch Kirchenoper - sagt Hermanutz in einer Probenpause. Das sei eine besondere Herausforderung für Chor und Solisten, was auch die lange und intensive Probenarbeit erklärt. "Man muss sich jede Szene vorstellen, sonst kann man die Dramatik dieses Werks nicht erfassen. Schließlich geht es hier vom fünffachen Pianissimo bis zum dreifachen Forte und das mit ungeheurer Geschwindigkeit. Das muss man üben", so Hermanutz, der die Gesamtleitung der Aufführung übernommen hat. Diese Messa da Requiem habe eine "unglaubliche Modulation von Tempi und Lautstärken" Das mache Verdi "so speziell und so reizvoll".
Doch was macht diese Herausforderung mit Sängerinnen und Sängern? Wie nahe gehen ihnen die uralten Texte und die geniale Musik? Für Rudi Forche, Leiter der Chorgemeinschaft, stand von Anfang an fest: "Das machen wir nur ab einem bestimmten Niveau." Er hat sich mit Hermanutz die Einstudierung des Requiems geteilt und singt am kommenden Sonntag im Chor mit. Die beiden Chorleiter haben also die Messlatte ziemlich hoch gelegt. Denn das bei seiner Uraufführung 1874 in Mailand noch heftig kritisierte Werk voller tiefster Gefühle wühlt auf, wenn etwa das "Requiem aeternam - ewige Ruhe gib ihnen Herr" aus der katholischen Totenmesse fast geflüstert erklingt und sich in einer gewaltigen stimmlichen Explosion auflöst. Und wie wunderbar ist es, wenn Todesängste und Trauer immer wieder in geradezu ätherischen Tonfolgen von Hoffnung und Zuversicht überstrahlt werden. Der Probenbesuch zeigt: Dieser Chor singt die Messa da Requiem genau so, wie Verdi es sich womöglich vorgestellt hat: "Nicht wie eine Oper", hatte er vor der Uraufführung gesagt. Und doch hat es etwas Opernhaftes, wenn die Sänger mit jeder Faser von Körper, Geist und Seele in dieser Musik aufgehen. So wundert es nicht, dass Gerlinde Debus, Vorsitzende der Chorgemeinschaft, strahlend erzählt: "Das ist ein überwältigendes Erlebnis. Ich bekomme die Musik nicht mehr aus dem Kopf". Liedertafel-Vorsitzender Kurt Benedini ergänzt: "Wir hatten mal eine Probe, da haben die Männer so innig gesungen, dass die Frauen fast den Einsatz verpasst hätten".
Man darf also gespannt sein auf diese Verdi-Aufführung, die übrigens auch den Altarraum von Heilig Kreuz an seine räumlichen Grenzen bringen wird. Denn neben den 120 Chorsängern müssen dort auch noch rund 50 Mitglieder des Sinfonieorchesters des Bayerischen Rundfunks sowie die Solisten ihren angemessenen Platz finden. Die Solopartien singen die deutsch-ungarische Sopranistin Susanne Serfling, die Altistin und dramatische Mezzosopranistin Marlene Lichtenberg, der Freiburger Tenor Markus Francke und der Münchner Bassbariton Alban Lenzen. Sie bringen die notwendige Opern- und Oratorienerfahrung "und die entsprechende Stimme mit", so Benedini.
Giuseppe Verdi, Messa da Requiem, Sonntag, 15. März, um 17 Uhr, Heilig Kreuz, Dachau. Restkarten gibt es an der Abendkasse.