Seerave:Basssturm

Seerave: Beim Open-Ear-Festival am Jugendzentrum Karlsfeld ist elektronische Musik zu hören.

Beim Open-Ear-Festival am Jugendzentrum Karlsfeld ist elektronische Musik zu hören.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Trotz herbstlichen Wetters lockt das Open-Ear-Festival rund 600 Freunde elektronischer Tanzmusik an den Karlsfelder See. Die Veranstalter wünschen sich mehr Subkultur im Landkreis.

Von Jessica Schober, Dachau

Am Ende hat der Regen ihnen sogar gedient, sonst wären sie nicht rechtzeitig fertig geworden mit den Festival-Vorbereitungen. So erzählt es Tizian Sacher vom Verein Kurzschluss. Der 28-Jährige im blau-gelb geblümten Hawaii-Hemd steht am Karlsfelder See vor dem Jugendzentrum und die Bässe wummern um ihn herum. Bis eine Viertelstunde nach Veranstaltungsbeginn hätten er und 25 weitere junge Menschen noch gewerkelt, bevor sie den Rave am See bei herbstlichen Temperaturen beginnen konnten. Doch Besucher trudelten zunächst eh erst langsam ein, zu wechselhaft war die Witterung anfangs.

"Der Freiraum ist ein bisschen in die Jahre gekommen"

Zum dritten Mal fand das "Open Ear" nun statt, dieses Jahr mit drei Bühnen, auf denen Techno, Elektro und Dub gespielt wurde. Die meisten Künstlerinnen und Künstler kamen aus München und Dachau, mit "Bina Beats" und "Arts of Purity" seien auch zwei Musikschaffende aus Fürstenfeldbruck dabei gewesen, erzählt Sacher. Höhepunkt sei der Auftritt von "Mavalu", einer Münchner Djane gewesen, die ihre Musikrichtung mit Hard Techno, Trance, Neorave und Industrial beschreibt. Vor Anbruch der Dunkelheit standen vor den drei Bühnen eher weitläufig verstreut wippende und stampfende Menschen, die den Basssturm genossen.

Der 23-jährige Matthias Höglmüller, ebenfalls ein Mitglied von Kurzschluss sagt, er wünsche sich mehr Subkultur in Dachau und Umgebung. "Der Freiraum ist ein bisschen in die Jahre gekommen", meint er, und seitdem der Club "Nachtschicht" in Dachau-Ost dicht gemacht habe, müsse man von Dachau immer bis nach München fahren, wenn man zu elektronischer Musik feiern wolle. Dagegen wollen einige Karlsfelder und Dachauer nun antreten. Mit dem Verein Kurzschuss und dem Oktagon-Kollektiv könnte sich genau jener Nährboden kultivieren, aus dem gute Festivals entstehen: Alle fühlen sich ein bisschen verantwortlich, zwischendurch herrscht Kuddelmuddel und dann wird es am Ende doch ganz schön.

Nach jedem Regenschauer wird das Festivalgelände voller

So jedenfalls fühlt es sich tagsüber an. Drei Bühnen bespielt das Festival und solange man nicht den Fehler macht, sich genau in die Mitte der drei Soundquellen zu stellen, ist akustischer Genuss zu hören. Unter Baumstämmen - zwischen denen in luftiger Höhe ein Fahrrad baumelt, keiner weiß warum - ist die Dub-Bühne aufgebaut. Zu hören gibt es dort so etwas wie elektronischen Reggae. Eine Djane, die hier mit ihrem Dub Sound System vertreten ist, sagt im Vorbeigehen: "Ohne das Open-Ear-Festival wäre ich sicher nicht von München nach Karlsfeld rausgefahren."

Nach jedem Regenschauer wird das Festivalgelände voller. Nachmittags geht der Plan der Veranstalter auf und einige junge Familien schunkeln ihre Babys und Kleinkinder zu den Bässen und Beats. Aus Dachau ist zum Beispiel eine dreiköpfige junge Familie da, Mama Ilaria und Papa Julian haben der acht Monate alten Leonie Ohrenschützer aufgesetzt. "Sonst zieht es uns eher auf Festivals wie den Wannda Zirkus", erzählen sie, in Karlsfeld sei sonst eher wenig für sie geboten. Heute aber seien sie hier schlichtweg "zum Leben genießen".

Mit einer mobilen Pizzeria und einer Dönerbude verdient das kulinarische Angebot nicht wirklich die angekündigte Beschreibung mehrerer Foodtrucks, dafür gibt es beim Buffet mit selbstgebackenen Kuchen ein Baklava, das vieles verzeihen lässt. Umso heiterer wird die Stimmung im Eingangsbereich, wo unter einem hölzernen Open-Ear-Schriftzug Artistisches ausprobiert werden kann. Hier jongliert jemand mit bunten Klo-Pömpeln, dort wandelt ein wundersames Stelzenwesen hoch über den Feiernden. Frauen in Regenbogen- und Tigerleggins lassen Hula-Hoop-Reifen, die sie zuvor mit neonfarbenem Gewebeband beklebt haben, um ihre Hüften, Arme und gar Hälse kreisen.

Seerave: Wer will, kann beim Open-Ear-Festival auch Hula-Hoop-Reifen und den Mitmachzirkus ausprobieren.

Wer will, kann beim Open-Ear-Festival auch Hula-Hoop-Reifen und den Mitmachzirkus ausprobieren.

(Foto: Niels P. Jørgensen)
Seerave: Die dritte Bühne liegt im Innern des Jugendzentrums - hier darf auch nach 23 Uhr gefeiert werden.

Die dritte Bühne liegt im Innern des Jugendzentrums - hier darf auch nach 23 Uhr gefeiert werden.

(Foto: Niels P. Jørgensen)
Seerave: Tanzen und auf dem Teppich bleiben beim Open-Ear-Festival.

Tanzen und auf dem Teppich bleiben beim Open-Ear-Festival.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Kulturpädagogin Anna Bauregger vom Dachauer Kreisjugendring bespielt das Gelände mit einem Mitmachzirkus und zeigt sich begeistert von der Umgebung. "Bei einer Technoparty denkt man jetzt nicht als erstes an einen Kinderzirkus, aber die Veranstalter sind auf uns zu gekommen, weil sie meinten: Viele unter den Feiernden seien inzwischen selbst junge Eltern und wären froh um ein Angebot". Bauregger will alle Jugendlichen zusammenbringen, "die ein Faible für Zirkus haben" und so stehen nicht nur Stelzen zum Ausprobieren bereit, sondern auch Diabolos, Jonglierbälle und bunte Tücher. Was simpel klingt, entfaltet auf dem Gelände eine spielerische Stimmung. Zwar sei wetterbedingt am Nachmittag eher wenig los, meint Bauregger, aber: "Ich finde es fantastisch, wie diese ehrenamtlich engagierten jungen Leute einfach selber so ein Kultur-Ding auf die Beine stellen und damit Karlsfeld bereichern".

Am Abend begeistert laut Tizian Sacher vor allem die anderthalb stündige Live-Performance am elektronischen Schlagzeug von "Sticks on Speed" die Zuschauer. Rund 600 Besucher seien insgesamt da gewesen. "Die Stimmung war top, alles ist nach Plan verlaufen", sagt Sacher.

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